Heute werde ich mich mal wieder in einen Randbereich der New Yorker Stadtgeschichte begeben. Präziser gesagt handelt es sich um das tragische Ende von Clarence Madison Dally, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht direkt in New York City, wohl aber im Großraum von New York aufhielt. Die Geschichte ist zwar eingeweihten Kreisen des deutschen Sprachraums bekannt, der Großteil dürfte aber noch nie davon gehört haben. Die Folgen des unschönen Endes von Dally's Leben haben aber die meisten von uns schon mal mittelbar zu spüren bekommen, wenn man uns für eine Röntgenaufnahme einen schweren Bleimantel umgelegt hat. Und da sind wir auch schon fast am Ausgangspunkt der Geschichte.
Vor wenigen Wochen sind wir hier im Blog den beiden Erfindern begegnet, die sich ab dem späten 19. Jahrhundert im New Yorker Großraum aufhielten: Nikola Tesla und Thomas Alva Edison (oben). Edison neigte dazu, neben selbst entworfenen Innovationen auch die Ideen oder Entdeckungen anderer schlauer Köpfe aufzugreifen und zu verbessern. Bestes Beispiel ist sicherlich die Glühlampe, die von anderen erfunden, aber unter Edison so weiterentwickelt wurde, dass eine akzeptable Lebensdauer auf der einen Seite und die Massenproduktion auf der anderen Seite möglich wurden.
Gegen Ende des amerikanischen Bürgerkriegs wurde im Bundesstaat New Jersey (1865-1904) Clarence Madison Dally geboren. Ebenso wie sein Vater und seine Brüder arbeitete er ab den späten 1880ern zunächst als Glasbläser in Edisons Glühlampen-Fabrik. Später dann im Jahr 1890 wechselte er dann mit seinem Bruder Charles hinüber in Edisons Labor in West Orange, New Jersey, um dort als Assistent von Mr. Edison an der Fortentwicklung und stetigen Verbesserung der Glühlampen mitzuwirken.
Weit entfernt von West Orange entdeckte 1895 der introvertierte deutsche Forscher Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg eine unbekannte Strahlenart, die er X-Strahlen nannte und die es möglich machten, Bilder vom Inneren lebender Körper aufzunehmen, ohne diese öffnen zu müssen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Conrad_R%C3%B6ntgenDie Kunde von Röntgens Entdeckung in Deutschland gelangte dank der Nachrichtenübermittlung mittels Telegrafen auch bald in die Vereinigten Staaten zu Thomas Alva Edison. Dieser nahm den Ball auf und begann selber, Entwicklungsarbeit in Bezug auf die Verbesserung der Röntgentechnik zu betreiben.
Clarence und Charles Dally wirkten an der Entwicklung von Edisons Röntgenröhre mit, in der Tungstein (Scheelit) für den Betrieb des Fluoroskops verwendet wurde und nicht, wie bei Röntgen, Barium-Planitocyanid. Mit dem Erfolg, dass Edisons Fluoroskop schärfere Aufnahmen ermöglichte als Röntgens.
Anfangs dachte man, dass die Dosen an Röntgenstrahlung, denen die Entwickler ausgesetzt waren, nicht schädlich für ihre Organismen seien. Insofern setzten sowohl Edison als auch inbesondere Dally sich regelmäßig den X-Strahlen aus, um in Echtzeit die Wirkungen zu beobachten.
Die permente Strahlung forderte aber schon bald ihren Tribut. 1900 litt Dally bereits unter erheblichen Strahlenschäden an seinen Händen und in seinem Gesicht, er hatte Teile seines Haupthaars und seine Gesichtsbehaarung verloren.
Im Jahr 1902 wurde eine Läsion an seinem linken Handgelenk erfolglos mit mehreren Hauttransplantationen behandelt, schließlich musste seine linke Hand amputiert werden. Ein Geschwür an der rechten Hand machte die Amputation von vier Fingern erforderlich.
Doch auch diese und weitere radikale Eingriffe reichten nicht aus, um die Ausbreitung seiner Karzinome aufzuhalten. Obwohl später noch gleichzeitig beide Arme an Ellenbogen und Schulter amputiert wurden, starb Dally im Oktober 1904 an Krebs, der wohl auch schon den Oberkörper befallen hatte. Es wird davon ausgegangen, dass er der erste Amerikaner war, der durch die Auswirkungen des Experimentierens mit Strahlung starb.
Erschüttert von den verheerenden Auswirkungen der Experimente auf sich und seinen Assistenten gab Edison bereits 1903 seine Forschungen an den X-Strahlen auf. Edison selbst hatte gesundheitliche Schäden an seinem Magen und seinen Augen zu beklagen, er gab selbst an, dass er als Folge der Experimente fast sein Sehvermögen eingebüßt hätte.
Einen sehr ausführlichen Artikel über das Leben und Leiden von Clarence Dally findet man hier: "American Martyrs of Radiology":
http://www.ajronline.org/content/164/1/237.full.pdfEin Interview mit Edison in der New York World 1903:
http://home.gwi.net/~dnb/read/edison/edison_xrays.htm
A Martyr to the Cause of Science
http://news.google.com/newspapers?id=tSUiAAAAIBAJ&sjid=_KMFAAAAIBAJ&pg=931,3583595&dq=clarence-dally&hl=en
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