Sonntag, Dezember 08, 2019

The Unbuilt City - Part 2



Einer der Themenschwerpunkte hier im Blog sind sicherlich Beiträge über die "Lost Buildings", also Gebäude, die einst in New York gestanden haben, aber schon vor längerer oder langer Zeit aus unterschiedlichen Gründen verschwunden sind. Und dann gibt es noch eine vielleicht verwandte Kategorie, die in eine nahe gelegene Schublade zu sortieren sind, weil sie auch Lost sind, allerdings mit dem Unterschied, dass sie nur auf dem Papier existiert haben, aber nie Realität geworden sind. 

Gelegentlich hat in den vergangenen Jahren ein Gebäude dieser besonderen Kategorie Erwähnung hier im Blog gefunden. Vor eineinhalb Jahren habe ich dann mal einen größeren Beitrag zum Thema geschrieben: 

Im sozialen Netzwerk von Facebook tummeln sich zahlreiche Gruppen mit historischen Bildern von New York City. Und wenn man sich dort als Mitglied eingetragen hat, bekommt man immer mal wieder Alternativvorschläge für ähnliche Gruppen, bei denen man auch noch Mitglied werden könnte. In den letzten Monaten wurde mir irgendwann die Facebook-Gruppe "Unbuilt New York" vorgeschlagen, in der schon seit längerem Material zu genau dem oben beschriebenen Thema zusammengetragen wird. Und da möchte ich heute mal einen Blick drauf werfen. 

Facebook-Gruppe Unbuilt New York:


Das erste Beispiel ist direkt mal kein Gebäude, sondern eine größere städtebauliche Maßnahme, die für den Stadtteil Brooklyn entworfen wurde. Stark von (süd)europäischen Großstädten inspiriert war die Idee, einen Piazza del Popolo einschließlich Obelisk dem Stadtgebiet von New York City hinzuzufügen. Ausgedacht wurde dieser massive Eingriff in die städtebauliche Substanz durch Whitney Warren im Jahr 1905. 

Ich habe mal nachgeschaut, wie es dort heute tatsächlich aussieht, als Orientierungspunkte dienen die Brooklyn Bridge und die Manhattan Bridge, die auf der Zeichnung oben von Manhattan im Hintergrund nach Brookyln im Vordergrund hinüberführen und in den Piazza del Popolo münden.

google maps


Ich gehe nochmal etwas näher heran an den mutmaßlichen Mündungspunkt der Brückenab- bzw. -auffahrten und den Ort, an dem der kreisrunde Platz in das Häusermeer von Brooklyn gefräst worden wäre: 



Die heutige Bebauung kommt mir jetzt nicht so spektakulär vor, es ist denkbar, dass mit dem Piazza del Popolo ein Ort von größerem Wiedererkennungswert geschaffen worden wäre als das, was man in der Realität vorfindet. 

Wo ich gerade den Cadman Plaza Park links im Bild sehe:



Für den gab es 1945 die Idee, dort einen Erinnerungsort für den Krieg einzurichten (War Memorial). 



Allerdings handelt es sich nur um einen von 243 Gestaltungsentwürfen, umgesetzt wurde ein anderer Entwurf:



Der Park wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände eingerichtet, auf dem früher einmal die Betriebsanlage der Hochbahn in Brooklyn stand. 

1936 - By Works Progress Administration - U.S. Works Progress Administration, Five Boroughs Project. Photo scanned by the New York Public Library with Digital Image ID 707312F. The source information is on the verso., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1696560

Ich bin mir sicher, dass über dieses Foto auch schon mal irgendwann geschrieben habe, konnte den Beitrag aber nicht wiederfinden auf die Schnelle. 

Dafür kann ich noch einen zweiten Entwurf für das Brooklyn War Memorial anbieten, der ebenfalls nicht realisiert wurde und einen Cenotaphen (Scheingrab) zeigt mit einer reflektierenden Wasserfläche davor und einem Lichstrahler auf dem Dach:



mehr zum Cadman Plaza 


Kommen wir nochmal zu "in das Häusermeer hineinfräsen". Da gibt es ein weiteres interessantes Beispiel, dieses Mal in Midtown Manhattan an einem Ort, der dank des in der Nähe stehenden Empire State Buildings nicht unbekannt sein dürfte. 



Wir schauen hier auf Höhe der 30th Street vom Westen her auf Midtown Manhattan. Im Vordergrund die Gleisharfe des Bahnhofes Pennsylviania Station, als Orientierungspunkte weiterhin das Post Office (PO), die bis ca. 1963 überirdische Pennsylvania Station (PS), dahinter das Hotel Pennsylvania (H) und dahinter das Empire State Building (E):



Was hier in Ost-West-Richtung und umgekehrt auf Höhe der 30th Street durch Manhattan verlaufen sollte, war der nicht gebaute "Mid-Manhattan Expressway" (Interstate 495). Treibende Kraft dahinter in den 1950ern war der berühmt-berüchtigte New Yorker Stadtplaner Robert Moses. 

Hier sind noch zwei Ideen zu einer möglichen Umsetzung: 




Und eine alternative, etwas zurückgenommene Version des Expressways quer durch Midtown Manhattan:




Hier die Wirklichkeit mit denselben Gebäuden markiert, Empire State Building, Hotel Pennsylvania und Post Office sind noch da, anstelle der Pennsylvania Station befindet sich allerdings seit mehr als 50 Jahren die vierte Version des Madison Square Gardens mit dem Bahnhof unterirdisch darunter. 



Auch die Gleisharfe des Pennsylvania Station-Bahnhofes ist noch vorhanden, allerdings inzwischen schon zu größeren Teilen unter dem Hudson Yards-Bauprojekt verschwunden, wie man sieht. 

mehr zum Mid-Manhattan Expressway:


In etwa der gleiche Ort, aber ungefähr 50 Jahre früher und eine andere Baustelle. Von 1908 stammt der folgende Entwurf der Architekten Howells und Stokes für das Uptown Terminal der McAdoo Tunnels an der Kreuzung 6th Avenue und 33rd Street am Herald Square / Greeley Square. 



Das Bild ist auf den ersten Blick etwas schwer zu interpretieren. Wir schauen hier vom Osten her auf den Herald Square, die Häuser auf der Ostseite des Squares sind quasi unterschlagen, seine Abbildung beginnt quasi erst mit der Hochbahntrasse entlang der Sixth Avenue und mit der Station am südlichen Teil des Platzes, dem Greeley Square. Hinter dieser Station erhebt sich auf der Westseite das Terminalgebäude, im Vordergrund rechts sieht man das Kaufhaus Gimbel's.

Eine Aufnahme vom Kaufhaus Gimble's (in der Mitte) und der Hochbahnstation an der 33rd Street, entstanden vermutlich so um die vorletzte Jahrhundertwende:



So spektakuläre Gebäude scheinen südlich vom Gimbel's damals nicht gestanden zu haben, dort wäre dann wohl der Eingang zum Termin hingesetzt worden. Hier haben wir nochmal eine weitere Aufnahme, entstanden ca. 1920 von einem etwas höheren Standort aus: 



Die McAdoo Tunnels sind Teil eines umfassenden unterirdischen Bahnsystems, das in Nord-Südrichtung im Untergrund von Manhattan verläuft und Verbindungen unter dem Hudson River zur New Jersey-Seite unterhält. 

Das Tunnelsystem war ein unterirdisches Mammut-Bauwerk, an dem von 1874 bis 1906 gearbeitet wurde. Die nachfolgende Karte aus der Zeitung "San Francisco Call" in der Ausgabe vom 09.12.1906 vermittelt einen ungefähren Eindruck davon, was dort seinerseits geschaffen wurde:



Prominentes Beispiel für einen oberirdischen Teil dieses Bahnsystems sind die Hudson Terminals, die einst dort standen, wo sich heute das Gelände des World Trade Centers befindet: 

Thaddeus Wilkerson, Hudson Terminal Building, ca. 1910, from the collection of the museum of the city of New York


Hier die Hudson Terminals nochmal im San Francisco Call vom 09. Dezember 1906:


Der Bahntunnel aus New Jersey, der hier auf Manhattan trifft, ist heute noch unter dem World Trade Center in Betrieb, vielleicht hat der eine oder andere, der dort war, schon mal die Schilder zu den PATH Trains wahrgenommen (PATH = Port Authority Trans Hudson). Früher lief PATH unter dem Namen H&M für Hudson and Manhattan Railroad. 


Ebenso sieht man einen zweiten, nördlicher gelegenen Tunnel unter dem Hudson River hindurch, der auf Höhe der Christopher Street auf Manhattan trifft und dann nach einem scharfen Knick unter der 6th Avenue nach Norden weiterverläuft, bis hinauf zur 33rd Street. 

Ich denke, dass das Uptown Terminal den Gebäude-Giganten vom Hudson Terminal im Süden ein adäquates Kontergewicht am Nordende der Anlage entgegensetzen sollte. 


Tatsächlich ist am Herald Square aber kein spektakulärer Gebäudegigant errichtet worden. Das einzige, was ich hierzu an Bildmaterial finden konnte, ist diese historische Aufnahme vom realitiv unspektakulären Zugang zu der unterirdischen Bahnanlage am Herald Square rechts im Bild: 


Tatsächlich täuscht die Aufnahme vom Greeley Square Park aber darüber hinweg, was sich an diesem Ort tatsächlich im Untergrund abspielte. 

Dieser Querschnitt vom Über- und Untergrund am Herald Square wurde 1935 von Arthur Weindorf gezeichnet und zeigt eine Fülle von unterschiedlichen U-Bahn- und Bahnlinien, die neben der Hochbahntrasse den Herald Square passieren:



Links zur 33rd Street Station und den McAdoo Tunnels:


Ein weiteres Beispiel für einen nicht realisierten Monumentalbau in Manhattan ist dieser Entwurf für die Riverside Church, die im Nordwesten von Manhattan errichtet wurde:



Er stammt von berühmten Architektenbüro McKim, Mead and White und stammt aus dem Jahr 1925. Die Idee, eine Kirche im Erdgeschoss mit einem Apartmenthaus unter einem Dach zu kombinieren, stieß allerdings beim Bauherrn J.D. Rockefeller nicht auf Gegenliebe. Der wollte, dass man in erster Linie die Kirche und nicht das Apartmenthaus wahrnahm, weshalb von der Kombination Abstand genommen wurde. 

Das, was dann tatsächlich ab 1927 am Riverside Drive auf Höhe der 122nd Street gebaut und Anfang der 1930er fertiggestellt wurde, war dann eher ein klassisches Gotteshaus als ein Wolkenkratzer:

Samuel Gottscho, Riverside Church, General view from west, 1931, from the collection of the museum of the city of New York


Die Kirche steht heute noch an dieser exponierten Stelle in der Nähe des Hudson Rivers. Das zugehörige Funktionsgebäude ist dann doch etwas kleiner ausgefallen als in dem oben vorgestellten Entwurf:


Ich schließe aber nicht aus, das Interchurch Center auf der anderen Straßenseite noch mit zur Riverside Church gehört, wäre ja im wahrsten Wortsinn naheliegend:



mehr zur Riverside Church:


Zum nächsten Objekt müssen wir nur einen Steinwurf weit gehen. Das Monument für General Ulysses S. Grant, dem Oberbefehlshaber des Heeres der Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg und 18. Amerikanischen Präsidenten wurde direkt um die Ecke errichtet, allerdings schon 30 Jahre eher.



Hier eine Aufnahme von der Einweihung des Monuments im Jahr 1897:

Grand Monument Dedication, 1897, from the collection of the museum of the city of New York


Auch hier hat es vielfältige Ideen gegeben, von letztendlich dann nur eine in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. 

Diese stammt von Napoleon LeBrun:




Eine Idee von Charles W. Clinton:




Und schon etwas weiter entfernt vom Ergebnis ist dieser Entwurf von Carrere und Hastings:




Doch auch der realisierte Entwurf wurde aus Kostengründen nicht vollständig umgesetzt, denn eigentlich war noch vorgesehen, eine prachtvolle Treppe hinunter bis zum Hudson River zu bauen einschließlich eines Anlegers für Dampfschiffe. 




Lt. Bildschreibung war General Grants Grab im frühen 20. Jahrhundert eine bei Touristen höchstbeliebte Sehenswürdigkeit in New York, was sicherlich auch daran lag, dass damals noch viele Besucher den General zu Lebzeiten gekannt hatten. Anfang der 1930er kam dann das Empire State Building und das Grab des Generals musste die Pole Position räumen.

mehr zum General Grant National Memorial:


Und nochmal bleiben wir in der Nähe, denn nur zwei Steinwürfe von der Riverside Church und dem General Grant Memorial entfernt liegt der Campus der Columbia University entfernt:



Anfang der 1970er hatte I.M. Pei die Idee, die Optik des durch eher klassische Gebäude geprägten Universitätsgeländes durch zwei moderne Hochhäuser aufzulockern: 



Diese Idee wurde zum Glück nicht realisiert. Allerdings ist die Südwiese (South Lawn) vor dem Gebäude mit den markanten Säulen mit Zelten (?) bedeckt worden:



mehr zur Columbia University:


Als in der ersten Hälfte der 1970er das World Trade Center und später auch der Sears Tower höher am Himmel kratzten als das Empire State Building, hat man in New York wohl mal kurz darüber nachgedacht, dem Hochhausklassiker ein paar zusätzliche Etagen aufzuschultern und ihn wieder zum höchsten Gebäude auf der Welt zu machen. Die Idee wurde dann aber aus Kostengründen wieder verworfen:



Zum Abschluss möchte ich nochmal in den Süden von Manhattan springen und in die Nähe des New Yorker Rathauses (City Hall):



Dieser Entwurf für ein New Yorker Civic Center stammt von Richard W. Rummell und ist auf ca. 1903 datiert. Durch das Civic Center wären eine Reihe von älteren Gebäuden, die nördlich von der City Hall stehen, reif für den Abriss gewesen. 

Tatsächlich wurde die Idee, die dahintersteht, ungefähr 10 Jahre später in räumlicher Nähe mit dem Bau des Municipal Buildings in die Tat umgesetzt worden: 



Auch für das Municipal Building mussten sicherlich eine ganze Reihe von Gebäuden weichen, mit Blick auf den Standort aber vermutlich eher kleine Wohn- und Geschäftshäuser und keine Gerichtsgebäude oder Zeitungsredaktionen.

Und so durfte der Gebäudeklassiker namens "Tweed Courthouse" bis heute hinter dem New Yorker Rathaus stehenbleiben und musste nicht dem Civic Center oder anderen Projekten weichen. 



mehr über Tweed Courthouse und Municipal Building:


Wenn Ihr einen Facebook-Anschluss habt, schaut gerne mal in dieser großartigen Gruppe vorbei, von der ich nur einen kleinen Teil vorgestellt habe:


Danke fürs Vorbeischauen, danke für die Aufmerksamkeit.



Donnerstag, Oktober 24, 2019

Walking in the Rain in Manhattan




Im Moment bin ich wieder im Festival-Modus und befinde mich deshalb in Italien. Dank eines netten Tipps von einer langjährigen Stammleserin kann ich aber zumindest ein Überbrückungsprogramm schalten, mit dem man schön eine kleine einstündige Reise in die Stadt am Hudson River unternehmen kann. Mehr Zeitgeschichte als Geschichte, aber trotzdem geeignet, um das Fernweh ein bisschen zu bekämpfen. Danke Andrea :-)

Samstag, Oktober 19, 2019

Before the United Nations Headquarter came



Die Teilnahme von Greta Thunberg am Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York ist auch an mir nicht spurlos vorbei gegangen. Ich bin Greta dankbar dafür, dass sie mich mit ihrer derzeitigen Omnipräsenz auf eine Idee für einen Beitrag gebracht hat, auf die ich bisher noch nicht gekommen bin. 



Das Hauptquartier der Vereinten Nationen steht schon seit beinahe 70 Jahren an der Ostseite von Midtown Manhattan. Baubeginn für die Errichtung des Gebäudekomplexes war im September 1948, fertiggestellt wurde die Anlage im Oktober 1952. 



Die UNO belegt ein Gelände, das östlich der First Avenue am Ufer des East Rivers liegt liegt und sich von der 42nd Street im Süden bis zur 48th Street im Norden erstreckt. 



In der Sendung mit der Maus würde die Entstehung des UN-Hauptquartiers ungefähr so erklärt: Am Rande der Stadt New York war da eine großer Schotterplatz, den haben die Bauarbeiter mit ihren Maschinen ganz platt gemacht...



... dann haben die Bauarbeiter angefangen, auf dem Platz Häuser für die UNO zu bauen:





Als erstes haben sie ein großes Hochhaus gebaut, damit die Menschen, die zur UNO gehören, dort arbeiten können...







... danach haben sie eine große Halle gebaut, in der Menschen aus aller Welt zusammenkommen und miteinander sprechen können. 









So weit, so gut, soweit bekannt. Aber vor Greta habe ich mir noch nicht die Frage gestellt, was da eigentlich vorher auf dem Küstenstreifen stand, bevor die UNO Ende der 1940er begann, ihr Hauptquartier dorthin zu stellen. Ich greife auf die Karten- und Luftbildersammlung von NYCityMap zurück:



Das UN-Hauptquartier auf einem Luftbild von 1996: 



Und hier nun das Luftbild von 1924, das den Bereich des UNO-Hauptquartiers 24 Jahre vor Baubeginn zeigt: 



Zur besseren Vergleichbarkeit habe ich das UN-Gebiet nochmal extra markiert: 



Wir sehen, dass die Fläche, auf der das UNO-Hauptquartier errichtet wurde, zuvor kein Brachland war, sondern dicht bebaut. 

Hier sind zwei Aufnahmen von dem Gebiet, von Süden nach Norden fotografiert:

George Heyer, United Nations Site, 1947, from the collections of the museum of the city of New York




Und nochmal zwei Aufnahmen des Gebiets, von Norden in südliche Richtung aufgenommen:

George Heyer, Look Maganzine, United Nations Site, 1947, from the collections of the museum of the city of New York




Die Senkrechtaufnahme stammt wie gesagt von 1924, die schrägen Luftaufnahmen oben sind in der zweiten Hälfte der 1940er fotografiert worden und um das ganze noch ein wenig zu verkomplizieren, habe ich noch Karten aus dem Bromley-Stadtatlas von 1930 gewählt, die zeitlich dazwischen liegen. Vielleicht können wir aber trotzdem das eine oder andere über die Gebäude herausfinden. 





Das Bildmaterial, welches uns näher in das verlorene Viertel hineinlässt, ist leider nicht besonders umfangreich, da es dort wohl auch nicht soviel aufregendes zu fotografieren gab. Ich schlage vor, dass wir oben bei der 48th Street anfangen und uns dann nach unten durcharbeiten.

Bild 1 ist 1930 aufgenommen worden und zeigt den Blick die First Avenue hinunter Richtung Süden ab südlich der 49th Street. In einiger Entfernung sieht man rechts im Hintergrund Tudor City und auf der linken Seite die Bebauung östlich der First Avenue, dort wo 18 Jahre später der Bau des UNO-Hauptquartiers begann. 



Bei dem Gebäude mit dem markanten Kuppelturm handelt es sich um einen Schlachthof, um Wilsons Slaughter House, gelegen an der First Avenue zwischen 46th und 45th Street. 



Als nächstes gehen wir ein Stück in die 48th Street hinein, wo sich an der Nordseite die Hausnummern 405 bis 409 befinden, die hier im März 1928 fotografiert wurden:



Garage trifft es als Beschreibung wohl ganz gut und auch der rechts nebenan liegende Hof kann auf der 1930er-Karte nachvollzogen werden. 



1924 scheint die Garage schon gestanden zu haben, aber das Dach war aus einem Material, das die Sonne offensichtlich stark reflektiert hat.



Die folgende Ansicht, die ich auch als Titelbild für den Beitrag verwendet habe, wurde um das Jahr 1931 aufgenommen und zeigt die Südostecke der Kreuzung First Avenue / 47th Street. 



Bei dem L-förmigen Gebäude, das den größten Teil des Fotos beherrscht, handelt es sich laut Bildbeschreibung um ein Wohn- und Mietshaus. Ich bin da nicht ganz von überzeugt, meiner Meinung nach könnte das ggf. auch ein zusätzliches Gebäude des Schlachtereibetriebs auf dem nächsten Block südlich sein. Denn auf der Karte von 1930 ablesbar und durch das Hinweisschild auf dem Dach (W und Co) ergibt sich, dass das Gebäude offenbar zu der Schlachterei Wilson gehört, die mit ihrem Haupthaus rechts außen in das Foto hineinragt. 



An der First-Avenue-Front reiht sich eine Gruppe kleinerer Grundstücke auf, die unter anderem ein Lunch-Restaurant...



.... eine Autolackiererei und einen Händler für Reifen und Batterien Unterkunft bieten. 



An der Nordostecke der folgenden Kreuzung meine ich eine Shell-Tankstelle zu erkennen.



Ganz links außen im Hintergrund sieht man noch einen Teil der Petroleum Heat and Power Company, die sich auch noch mit auf dem Block an der 47th Street befindet. 




Das L-förmige Gebäude der Wilson Company und jene der Petroleum Heat and Power Company kann man auch auf dem 1940er-Foto wiederfinden. 



Das L-förmige W and Co - Gebäude lässt sich auch auf dem 1924-Luftbild identifizieren:




Auf dem nächsten Foto sehen wir die Hausnummern 403-407 East 47th Street, aufgenommen im März 1928. 



Auf der 1930er-Karte sieht man, dass sich die Häuser unweit der Nordostecke der Kreuzung First Avenue / 47th Street befinden. 



Auf dem 1940er-Foto müsste es sich um die markierten Gebäude handeln: 



Ebenso auf dem 1924er-Luftbild:



In der Mitte des Gebäudekomplexes ist eine Beschriftung im Mauerwerk angebracht...


... die ich aber kaum entziffern kann. Das mittlere Wort könnte MEAT sein, was ja in die Umgebung passen würde.

Rechts außen sieht man die Tür zu einer Lokal oder Laden namens MAVIS. Links von der Tür ist eine Coca Cola - Reklame angebracht. 



Rechts oben sieht man - teilweise von der Sonne verblendet - ein Reklameschild an der Mauer, das auf einen Möbelhandel schließen lässt (FURNITURE).



1932 wurde dieses schlichte Holzhaus an der Adresse 421 East 47th Street aufgenommen:


Das Hochhaus, das wie eine Photobomb so vorwitzig von hinten ins Bild lugt, ist der Beekman Tower an 3 Mitchel Place, der nur unweit nördlich des UN-Geländes steht. 

Ich habe die drei Häusernummern, die hier ins Bild geraten sind, mal gelb auf der 1930er-Karte markiert. Nummer 421 war noch nicht eingezeichnet, was bedeuten könnte, dass entweder Holzhäuser nicht in die Karten aufgenommen wurden, sondern nur Steinbauten oder das das Holzhaus erst nach der Zusammenstellung der 1930er-Karte errichtet wurde. 



So oder so scheint die Nachfrage nach dem Holzhaus nicht allzu groß gewesen zu sein, denn es wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme zur Anmietung angeboten.



Dazu passt dieser Panoramablick in die 47th Street Richtung Osten, auf dem man neben dem Holzhaus an 421 links im Bild auch nochmal die Petroleum Heat and Power Company auf der rechten Seite wiedersieht, zu erkennen an dem doppelten Schornstein.




Die 47th Street verteilt sich auf zwei Karten, auf denen ich die Gebäude auf dem Foto 10 Jahre vor der Aufnahme gelb markiert habe:




Wie man auf Foto und Karte sieht, gehört das Gebäude am Kopfende der Straße zur LeHigh Valley Company und ist zur Hälfte auf den Pier und zur Hälfte im 90 Grad Winkel in den Straßenzug gebaut. 



Schon auf dem 1924-Luftbild ist die besondere Gebäudekombination von LeHigh Valley gut im rechten Teil des Bildausschnitts zu erkennen.




Die Garage am Ende der Straße links ist ebenfalls in die 1930er-Karte eingezeichnet.




Die nächste Aufnahme von der Südostecke der Kreuzung First Avenue / 47th Street hatten wir vorher in der Art schon einmal, allerdings früher. Diese hier ist von 1939, die erste war von ca. 1931.



Die Shell-Tankstelle rechts außen existiert 8 Jahre später noch...



... auch mit Autozubehör wird immer noch fleißig gehandelt...


... aber im direkten Vergleich stellt man fest, dass der Diner links außen verschwunden ist (oben 1939 unten 1931).



Wir wechseln eine Straße weiter nach Süden. Die erste Aufnahme entstand in der 46th Street und blickt auf den Nordteil der Straße. 



Das L-förmige Haus von Wilson and Company, das wir schon von der 48th Street her kennen, sehen wir jetzt von der Rückseite und stellen fest, dass hier die Fassadenbemalung deutlich aufwändiger und mit mehr Werbebannern versehen ist als bei dem Richtung Norden zeigenden Gebäudeteil. 

Das schlichte Gebäude mit der Tor im Erdgeschoss, den vier Fenstern darüber und dem angebauten Schuppen / Pferdestall (?) in östliche Richtung sehen wir auf dem nächsten Foto aus dem Jahr 1932 noch einmal, dieses Mal von Westen nach Osten fotografiert. 



Aus diesem Werbeschild auf dem 1932er-Foto werde ich nicht schlau, das sieht eher nach Golf aus...



... aber dieser Bildausschnitt aus dem 1928er-Foto zeigt einen Mann, der ein Pferd am Halfter hält:



Das könnte auf einen Pferdestall oder auf einen Hufschmied hindeuten, dafür würde ggf. auch das Hufeisen an der Wand sprechen.

Die 1930er-Karte verzichtet auf die Darstellung der Schuppen und zeigt nur das dreistöckige "Haupthaus". 


Das "Haupthaus" kann man auch schon 1924 erkennen, beim Schuppen bin ich dagegen ziemlich skeptisch.



Im Jahr 1934 wurden die nächsten zwei Fotos aufgenommen, die das L-förmige Wilson and Co - Gebäude von der 46th Street / First Avenue aus zeigen. 



Rechts im Vordergrund ist wieder die Shell-Tankstelle oder der Shell-Autohandel. Dahinter sieht man erneut das L-förmige Wilson and Co-Gebäude. Auch der seltsame Kasten mit dem runden Loch auf dem Dach des westlichen Gebäudeteils ist gut zu erkennen. 


Als Teil der Tankstelle kann man jetzt auch noch eine Autowaschanlage erkennen. 

Foto 2 richtet den Fokus mehr auf das L-förmige Gebäude von Wilson and Co.



Auf weitere Quervergleiche verzichte ich jetzt, weil wir dieses Gebäude ja schon im Zuge der 47th Street unter die Lupe genommen haben. 

Von 1939 stammt diese Aufnahme mit Schwerpunkt auf der Shell-Tankstelle und mit Blickrichtung nach Norden. Im Hintergrund sehen wir wieder den Beekman Tower. 



Die Waschanlage ist scheint vergrößert worden zu sein, sie nimmt jetzt ein Großteil der östlichen Grundstücksgrenze ein. Besser sieht man das auf den kommenden beiden Fotos von 1939 und 1940:




Noch eine Veränderung: der komische Kasten auf dem L-förmigen Gebäude ist verschwunden. 

Etwas Neues bietet die folgende Aufnahme, die von der Fifth Avenue / 45th Street aus aufgenommen wurde und das mutmaßliche Haupthaus der Wilson and Co. zeigt, also jenes Gebäude mit dem markanten Kuppelturm. Neben dem Turm haben auch die beiden Wasserbehälter hohen Wiedererkennungswert. Unten links kann man die Shell-Tankstelle erkennen.



Die Karte von 1930 zeigt, das fast der gesamte Straßenblock von Gebäuden der Wilson and Co bedeckt ist, eingezeichnet als "Wilson and Co Slaughter House"



Hier sehen wir das Schlachthaus von Wilson and Co auf den Luftbildern aus den 1940ern:




Und auch 1924 ohne größere Schwierigkeiten wiederzufinden:




Im Anschluss gibt es eine Erkenntnislücke, denn in der Sammlung der NYPL sind für die 45th Street, die 44th Street und die 43rd Street keine Bilder östlich der First Avenue überliefert, die ähnlich interessante Einblicke in die Vorgeschichte des UNO-Geländes gebracht hätten wie bei den Straßen oben.

Hier haben wir aber zumindest noch das untere Ende des UNO-Geländes mit der 42nd Street, die 1940 so fotografiert wurde:



Damals noch typisches, leicht abschüssiges Hafengelände runter zum East River und mit Brooklyn im Hintergrund auf der anderen Flussseite. Markant ist das größere Gebäude links im Bild an der Nordostecke der Kreuzung First Avenue / 42nd Street mit den großen Werbebannern an der Fassade.



Hier schließlich noch ein Blick auf das Gelände südlich der 42nd Street:



Auf der vom Süden her aufgenommen Panoramaaufnahme erkennt man das Gebäude mit den Werbebannern unschwer in der Mitte unten:



Schon 1928 entstand diese Photographie, die ebenfalls ganz unten ganz im Osten der 42nd Street aufgenommen wurde und eine unbekannte und unspektakuläre Seite dieser bekannten und abschnittsweise glamourösen Straße zeigt:



1937 vom East River hinauf zur First Avenue fotografiert wurde die nächste Aufnahme, links sieht man die Gebäude an der Südseite der 42nd Street und im Hintergründe die bekannten Hochhäuser, die Tudor City zugerechnet werden:



Hier haben wir noch ein Hochhaus von Tudor City und das Chrysler Building im Hintergrund und die Nordseite der 42nd Street vom East River aus gesehen mit dem Haus mit den Werbebannern wahrnehmbar in der linken Bildmitte:



Und schließlich noch ein Blick auf die Südostecke der Kreuzung First Avenue / 42nd Street mit einem noch südlicher gelegenen Kraftwerk im Hintergrund:



Dieses Kraftwerk findet man auch auf der nach Süden hin gerichteten Panoramaaufnahme des Geländes im Bildhintergrund wieder, ebenso wie die Tudor City-Hochhäuser:



Und mit dieser 1928 vom Süden her entstandenen Aufnahme des Geländes rund um die Kreuzung 42nd Street / First Avenue im Vordergrund möchte ich den Beitrag aufklingen lassen:



Wegen der hohen Dichte an Schlachthäusern und Viehställen trug das Gelände, auf dem nach dem zweiten Weltkrieg der UNO-Gebäudekomplex errichtet wurde, in seiner weniger bekannten Vergangenheit den wenig schmeichelhaften Spítznamen "Blood Alley".

Und "Blood Alley" war zweifellos jenes Gelände, durch das wir gerade einen Rundgang gemacht haben, der nun hier unten an der 42nd Street endet.

Danke fürs Vorbeischauen, danke für die Aufmerksamkeit.


Links:


Nachschlag: 

Karin und Bernd haben in den Kommentaren auf der Facebookseite von NYHG noch kleine inhaltliche Ergänzungen geliefert, die ich gerne noch hier hinzufügen möchte. Dankeschön für die Unterstützung!


https://en.m.wikipedia.org/wiki/Samuel_Wilson



- Nachschlag Ende -