Samstag, Oktober 14, 2006

Spite House at Lexington Avenue

Kapitel 17

Ein "Spite house", also ein "Haus der Boshaftigkeit" oder "Haus aus Boshaftigkeit" oder "Haus wegen Boshaftigkeit" ist ein Haus, das gebaut wurde, um jemanden richtig schwer zu ärgern. Gewöhnlich handelt es sich bei dem Ziel der Attacke um einen Nachbarn. "Spite houses" werden z.B. gebaut, um dem Nachbarn den Lichteinfall in sein Haus zu nehmen oder zumindest einzuschränken oder dessen einfachen Zugang zu einer Straße zu blockieren.

New York hatte ein berühmtes "Spite house" an der Ecke 82nd Street und Lexington Avenue, welches dort von 1882 bis 1915 stand. KARTE

Es erstreckte sich über 104 Fuß entlang der Avenue, war 4 Stockwerke hoch, aber nur 5 Fuß breit! Ein Fuß entspricht 30,48 cm. Es handelte sich damals um eines der merkwürdigsten Häuser des Landes, wenn nicht sogar der ganzen Welt. Das Haus wurde nur errichtet, um eine persönliche Mißgunst zu befriedigen und der Besitzer hatte fünfzehn Jahre lang Spaß an den Beeinträchtigungen, die es dem Mann verursachte, den er damit ärgern wollte.

Im Jahr 1882 planten zwei Textilhändler namens Hyman Sarner und Patrick McQuade , die verschiedene Grundstücke an der East 82nd Street besaßen, ein Apartmenthaus auf ihrem Besitz zu bauen, der fast sich bis zur Lexington Avenue hin erstreckte, bis auf ein wenige Fuß breites Stück. Dieses Stück Land an der Lexington Avenue war ein sehr langer und sehr schmaler Streifen, absolut wertlos für die Errichtung von Gebäuden, so dachten sie, es sei denn, man kombinierte es mit angrenzendem Land. Sarner ermittelte, dass ein Joseph Richardson der Besitzer des schmalen Streifens entlang der Avenue war. Er bot Richardson $1,000 für das Land, aber Richardson widersprach und sagte, er würde den Wert sehr viel höher einschätzen. Er verlangte $5,000. Sarner wiederum weigerte sich, diesen Preis zu bezahlen. Da beschimpfte Richardson seinen Besucher und setzte ihn vor die Tür.

Joseph Richardson war 1833 aus England eingewandert und hatte eine erfolgreiche Kariere im Bauwesen und als Erfinder hinter sich, die ihm zu Wohlstand verholfen hatte. Er führte Projekte für die Vanderbilt und die Gould Familie aus und war verantwortlich für die Konstruktion des Erweiterungsbaus des originalen Grand Central Depots (später Grand Central Terminal). Allerdings war er mit einer Reihe von Macken gesegnet, darunter ein erheblicher Geiz. So wird erzählt, dass er jahrelang sein Mittagessen in einer Papiertüte zur Arbeit trug, die er jeweils so lange benutzte, bis sie zerfiel. Richardson selbst erzählte, dass es ihm dem Beispiel des Multimillionärs Hetty Green folgend einmal gelungen sei, seinen Arzt davon zu überzeugen, die Rechnung zu halbieren.

Sarner und McQuade fuhren nach dem gescheiterten Kaufversuch mit ihren Planungen für das Apartmenthaus fort und vereinbarten mit dem Architekten, der die Pläne zeichnete, dass das Haus Fenster mit Blick auf die Lexington Avenue erhalten solle. Als das Haus fertiggestellte wurde, bemerkte Richardson die Fenster und hatte nunmehr einen Ansatzpunkt für seine kuriose Revenge. "Ich sollte mir ein paar kleine Häuser auf diesem schmalen Streifen Land errichten", sagte er zu seiner Tochter, "die das Licht aus Sarners Fenstern nehmen, welche auf mein Land schauen und er wird sich wünschen, er hätte mir die $5,000 doch gezahlt." Die Tochter namens Della protestierte und ebenso seine Ehefrau und sie warfen ein, dass ein Haus mit fünf Fuß Breite doch wohl unbewohnbar sein würde. Der alte Mann blieb jedoch stur. "Ich werde nicht nur diese Häuser bauen, ich werde auch noch in einem leben und ich werde die anderen Wohnungen ebenfalls vermieten."

Nach weniger als einem Jahr (Mai bis November 1882) war das Haus gebaut. Es blockierte effektiv das Licht für alle Fenster auf Sarners Grundstück und der alte Herr Richardson war glücklich. Das Richardson "Spite house" bestand strenggenommen aus zwei einzelnen Häusern, war 4 Stockwerke hoch und unterteilt in 8 Wohnungen, zwei auf jeder Etage. Jede Wohnung wiederum bestand aus drei Räumen und einem Bad, hintereinander entlang der Lexington Avenue. Nur die kleinsten Möbel konnten in den Räumen aufgestellt werden. Durch Ausnutzung einer Sonderregelung der Stadt New York konnte er zumindest die Breite der Hauptwohnräume auf 7 Fuß erweitern, indem er diese Passagen über das Grundstück hinausragen ließ.

Die Treppenhäuser waren so eng, dass nur jeweils eine Person die Treppe benutzen konnte. Wenn ein Mieter von einem Stockwerk zum anderen auf- oder absteigen wollte, so musste er sich vorher vergewissern, dass kein anderer das Treppenhaus gerade benutzte. Die Räume innerhalb des Hauses waren so eng, dass eine Person eine andere nur passieren konnte, indem sie in eine Ecke auswich und dort wartete, bis die andere vorbei war. Der größte Küchentisch in den Wohnungen war 18 inch (1 inch = 2.54 cm) breit. Die Stühle waren dementsprechen auch kleiner. Die Küchenherde waren die kleinsten, die bis dahin gebaut wurden.

Richardson und seine Frau Emma, die zweite Frau des alten Mannes, zogen in eine Wohnung im Erdgeschoß ein. Miss Della, die Tochter aus der ersten Ehe, weigerte sich, im "Spite House" zu wohnen, wenn sie auch sonst dem Beispiel ihres Vaters häufig folgte. Stattdessen zog sie es vor, in einer Wohnung an der East Houston Street einzuziehen in einem Haus mit dem Namen "The Prison House". Selbst nicht mehr die Jüngste, lebte sie für viele Jahre an diesem Ort. Von Nachbarn wurde sie nur früh am Morgen gesehen, wenn sie das Haus verliess, um Einkäufe zu tätigen, danach kehrte sie in "ihr Gefängnis" zurück, wo sich sich weigerte, Besucher zu empfangen. Sie war ähnlich wohlhabend wie ihr Vater, auch sie besaß zahlreiche Grundstücke in New York und sie hatte vermutlich auch seine Macken geerbt.

Joseph Richardson starb 1897 im Alter von 84 Jahren. Er hinterließ seinen Besitz - darunter auch das berühmte "Spite-House" - seiner Witwe und den zwei Kindern. Der Erbauer des "Spite House" wurde in einem Sarg begraben, den er bereits 32 Jahre früher gebaut und den er immer in einem Raum desjenigen Hauses aufbewahrt hatte, in dem er gerade wohnte.

Kurz nach dem Tod des alten Mannes begann "Miss Della" etwa um das Jahr 1900 einen monatelangen Rechtsstreit mit ihrer Stiefmutter, bei dem es darum ging, dass sie aus der Wohnung im "Spite House" ausziehen sollte. Über den Ausgang ist nichts bekannt. 1902 wurde das "Spite House" von den Erben an James V. Graham and Charles Reckling verkauft, später ging es in den Besitz von C.A. Stein über und 1909 wechselte es erneut den Besitzer.

Im August 1915 endete die Geschichte des seltsamen Gebäudes, als I3ing & Bing das Gebäude erwarben und zusammen mit weiteren Gebäuden kurzfristig abreißen ließen, um Platz für ein elfstöckiges Apartmenthaus zu schaffen.

Das "Spite House" war in der Vergangenheit bei den New Yorker Zeitungen sehr beliebt, die gerne interessante Geschichten über das verrückte Haus veröffentlichten und es war im Mittelpunkt zahlreicher Witze und Karrikaturen.

Deacon Terry von der Zeitung "The American", ein etwas beleibterer Zeitgenosse, wurde eines Tages in den 1890ern zur Lexington Avenue entsandt, um Herrn Richardson im "Spite House" zu interviewen. Man sagte ihm am Eingang, dass Richardson nicht in seinem Apartment im Erdgeschoß seie, sondern sich auf dem Dach befinde, um einen dort tätigen Handwerker bei Reparaturarbeiten zu beaufsichtigen. Terry begab sich daraufhin ins Treppenhaus, blieb aber nach kurzer Zeit stecken und mußte feststellen, dass er sich umsomehr einklemmte, je mehr er darum kämpfte, sich zu befreien. Ein Mieter aus dem Erdgeschoß versuchte zu helfen, indem er von unten drückte und ein anderer Mieter von oben, der auf die Straße hinab wollte, drückte in die entgegengesetzte Richtung. Es war ein heißer Sommertag und der korpulente, heftig schwitzende Reporter wurde zwischen den beiden Mietern mächtig in die Mangel genommen, bis er schließlich den rettenden Einfall bekam, seine Bekleidung abzulegen. Die Vollendung erwies sich zwar als enorm schwierig, aber nicht als unmöglich. Nach 10 Minuten harter Arbeit hatte er sich schließlich von seinen Sachen befreit. Er zwang den oben wohnenden Mieter vor sich her die Treppen hinauf bis zum Dach und führte dort das Interview mit Herrn Richardson in seiner Unterwäsche durch. Das war sicherlich ein skuriller Anblick, ein beleibter schwitzender Mann nur in Shorts auf dem Dach eines gerade mal 5 Fuß breiten Hauses. Als er später von diesem Abenteuer erzählte, sagte er, er habe während seines Kampfes auf / mit der Treppe gedacht, dass er durch konstantes Schwitzen soviel Gewicht verlieren könnte, dass es ihm gelinge, sich irgendwann wieder selbst aus seiner Falle zu befreien.

Grundlage für diesen Text war ein Zeitungsartikel von A.G. Van der Weyde aus dem Jahr 1929. Den Originaltext in englischer Sprache und weitere Texte zum selben Thema, in denen manche Details vom vorliegenden Text abweichen, findet man hier:

http://www.nyc-architecture.com/GON/GON005.htm

Weitere Bilder vom "Spite House" mit Ausnahme des oben abgebildeten, welches wohl aus dem Zeitungsartikel stammt, waren leider nicht verfügbar.

Mehr Bilder sind nun verfügbar, ich habe am 21/07/08 "nachgebessert".

Über die Straßenansicht von Google-Maps hier ein Blick die Lexington Avenue hinunter auf die Kreuzung Lexington Ave / 82nd Street, also den Ort, wo bis vor über 90 Jahren das Spite House gestanden hat. Da ich aber nicht weiss, welche von den 4 Ecken das gewesen ist, habe ich darauf verzichtet, einen konkreteren Blickwinkel zu wählen.


Größere Kartenansicht

Links:

http://www.nyc-architecture.com/GON/GON005.htm

http://blog.plover.com/tech/spite-house.html

http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9904E7DC163FF935A25751C1A9679C8B63&sec=&pagewanted=1

http://www.profsurv.com/archive.php?issue=71&article=994

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