Montag, Juli 29, 2019

Jeremiah Gurney and his Daguerreotypes



Gestern habe ich einen Beitrag über einen berühmten historischen New Yorker Obstbaum mit einer Photographie eingeleitet, die der Herr oben im Jahr 1863 aufgenommen hatte. Allerdings scheint er sein Kerngeschäft nicht in Außenaufnahmen, sondern in der Porträtphotographie gehabt zu haben und deshalb möchte ich noch einen kleinen Beitrag nachschießen. 

Der amerikanische Photograph Jeremiah Gurney wurde 1812 geboren und war zunächst im Juwelenhandel beschäftigt, bevor er in die Hudsonmetropole zog und zur Photographie wechselte, die erst wenige Jahre zuvor erfunden worden war. 

Jeremiah Gurney gilt dabei als ein Pionier bei der Entwicklung der Daguerreotypie, einem sehr frühen Verfahren zur photographischen Abbildung. Motiviert wurde er von Samuel Morse, der neben der Telegrafie auch ein zweites Standbein in der Porträtmalerei hatte und die Daguerreotypie nach Amerika gebracht hatte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Daguerreotypie


By Leslie & Hooper (engravers) - 


Die erhalten geblieben Daguerreotypien sind kleine Fenster in die Vergangenheit, die uns die Menschen zeigen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Stadt New York bewohnt haben, wo Jeremiah Gurney sein Photostudio am Broadway betrieben hat. Übrigens als Konkurrent von Mathew Brady, ein anderer früher New Yorker Photograph und Daguerrotypist, über den hier im Blog früher bereits berichtet wurde. 

Die Menschen, die wir nun sehen, wurden vor ungefähr 160 Jahren in New York photographiert bzw. daguerreotypiert, 10 Jahre vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg und 40 Jahre bevor die ersten Wolkenkratzer die Skyline der Stadt für immer veränderten. 

Mutter mit Kleinkind, zwischen 1852 und 1857:






Porträt von Edwin Forrest, 1853 aufgenommen, amerikanischer Schauspieler:
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Edwin_Forrest







Nicht identifizierte Marine-Kapitän, gegen 1855 aufgenommen:









Vier Frauen, aufgenommen zwischen 1852 und 1857:








Lächelnde Menschen sind auf derart alten Aufnahmen eher ungewöhnlich, da die Gesichter aufgrund der damals noch üblichen langen Belichtungszeiten entsprechend lange unbewegt sein mussten. Hier haben wir so einen seltenen Fall:



Frau mittleren Alters mit kleinem Mädchen, zwischen 1852 und 1857:





Kleiner Junge, zwischen 1852 und 1857:






Unidentifizierter Mann, aufgenommen gegen 1857





Junger Mann mit Backenbart, zwischen 1852 und 1857:






Und zum Abschluss noch ein Gruppenbild von drei sitzenden Männern, zwischen 1852 und 1857:



Jene Muster, die das ganze Bild bedecken, sind wahrscheinlich keine gewollten Ornamente, sondern dürften Folge von chemischen Reaktionen sein, die die Optik der Photographie weiter"entwickelt" und verändert haben. 

Deshalb lassen sich die drei Herren auf dem Bild leider nicht so schön vergrößern wie die anderen Mensche zuvor, sondern es wirkt so, als ob sie durch eine Glasscheibe photographiert wurden, die mit Eisblumen bedeckt war.







Links:
https://en.wikipedia.org/wiki/Jeremiah_Gurney

Sonntag, Juli 28, 2019

A pear tree planted by Peter Stuyvesant



Zum Glück ist es seit gestern Nachmittag hier wieder auf erträgliche Außentemperaturen abgekühlt, so dass der Kopf nach der tagelangen Hitze wieder arbeiten kann, daher habe ich mich entschlossen, mal wieder ein Lebenszeichen im Blog zu hinterlassen. 

Mir ist irgendwann in den letzten zwei bis drei Wochen die Photographie oben in der Facebook-Gruppe "The Old New York Page" aufgefallen. Lt. der Bildbeschreibung wurde sie am 22. August 1863 durch den Photographen Jeremiah Gurney in New York aufgenommen. Gurney hatte bereits in den 1840ern begonnen, in New York Menschen mittels Daguerreotypie zu porträtieren. 

Im Mittelpunkt der Aufnahme oben, die während des Amerikanischen Bürgerkriegs entstanden ist, steht aber kein Mensch im Mittelpunkt, stattdessen eine ganz besondere und zu diesem Zeitpunkt bereits über 200 Jahr alte Pflanze. 



Petrus Stuyvesant (1615-1672) war seit 1647 Generaldirektor der niederländischen Westindien-Kompanie in Nieuw Amsterdam und damit neben Peter Minuit sicherlich eine der bedeutendsten Figuren zu Beginn der Stadtgeschichte von New York City. 



1664/1665 reiste Stuyvesant zurück in die Niederlande, nachdem die Engländer Nieuw Amsterdam erobert hatten, um in seiner Heimat Bericht zu erstatten. Als er nach diesem Heimataufenthalt nach Amerika zurückkehrte, hieß die Stadt nicht mehr Nieuw Amsterdam, sondern New York, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1672 verblieb. 



Stuyvesant hatte 1647 aus den Niederlanden einen blühenden Birnenbaum (Pear Tree) mitgebracht, den er als lebendes Denkmal auf seinem Bauernhof pflanzen ließ, damit man sich auch noch dann an seinen Namen erinnern würde, wenn er selber nicht mehr lebte. Was ja auch gelungen ist, Stuyvesant ist bis heute ein bekannt gebliebener Name und selbst sein Bauerhof wurde durch den Straßennamen Bowery / Bauerei unsterblich gemacht. 




In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Birnenbaum und mit ihm auch die junge Stadt New York. Und die Umgebung, wo der Baum einst auf dem Bauerhof von Herrn Stuyvesant stand, wurde im Laufe der Zeit ein Teil der Stadt New York.  



Das Farmhaus verschwand irgendwann aus dem Stadtbild, aber offenbar war man bereit, Stuyvesants Wunsch zu folgen und ließ den alten Birnbaum weiter stehen, nun an der Nordostecke der Kreuzung Third Avenue und 13th Street im Südosten von Manhattan. 


Auf der Karte von 1836 fällt bereits auf, dass in räumlicher Nähe zur einstigen Farm eine Straße "Stuyvesant Place" und ein Platz "Stuyvesant Square" genannt wurden. 




Die Karte von 1853 zeigt, dass die Umgebung des Birnbaumes spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts städtisch geworden war. 





Louis Oram, Stuyvesants Pear Tree, 1856, from the collection of the museum of the city of New York



Stuyvesants Pear Tree, 1856, from the collection of the museum of the city of New York


Aus Stuyvesants Baum wurde mit der Zeit ein Ausflugsziel, das Besucher aus dem Umland anzog, die jene Kreuzung der Third Avenue mit der 13th Street aufsuchten, um das angeblich älteste lebende Wesen in New York zu bestaunen, einen fast 200 Jahre alten Baum. 








Neben dem bereits eingangs gezeigten Photo von 1863 haben wir hier noch eine schöne Stereo-Card vom alten Birnbaum aus der Sammlung der öffentlichen Bibliothek von New York: 



Hier eine größere Version der oben gezeigten Doppelphotografie zum hineinschlüpfen:



Die gleiche Aufnahme nochmal auf einer anderen Stereo-Card:




Die Geschichte von Peter Stuyvesants Birnbaum endete nach ungefähr 220 Jahren im Februar 1867. Durch einen schweren Wintersturm war der Baum bereits angeknackst und geschwächt. Da kollidierten an der Kreuzung zwei schwere Fuhrwerke, wie sie zum Beispiel von Brauereien zum Transport ihrer Fracht benutzt werden. Dabei wurde ein Fuhrwerk gegen den Baum geschoben, der der dem Aufprall nicht standhielt und umknickte. Hier der dazugehörige Bericht aus der New York Times: 



Ok, das Schicksal des Birnbaums wurde durch höhere Gewalt besiegelt. Allerdings wurde nur einige Jahre nach dem Unfall die Hochbahntrasse der Third Avenue Elevated Railroad (3rd Ave El) entlang der Third Avenue errichtet. Und in diesem Zusammenhang sei die Frage erlaubt, ob der Baum diese Baumaßnahme überstanden oder ob er dem technischen Fortschritt beim öffentlichen Personennahverkehr im Weg gestanden hätte und spätestens dann umgesägt worden wäre. 

Hier der Blick auf die Nordwestecke der Kreuzung Third Avenue / 13th Street 1933, als die Hochbahn entlang der Third Avenue noch in Betrieb war: 



Zumal die Hochbahn an der 14th Street eine Station hatte, wie man sowohl oben als auch auf dieser 1934 an der Ostseite der Third Avenue auf Höhe der 12th Avenue aufgenommen sehen kann: 



Bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind noch zwei Artefakte. Zum einen ein Querschnitt des Baums, der bei der "New York Historical Society" besichtigt werden kann:



Zum anderen eine Gedenktafel, die bereits 1890 von der "Holland Society" am einstigen Standort des Birnbaums angebracht wurde: 



Zum Abschluss noch ein Blick auf die Gegenwart. Die Hochbahntrasse über der Third Avenue dürfte mittlerweile schon mindestens 70 Jahre Geschichte sein. Den Standort des Birnbaums an der Nordostecke habe ich wieder mit einem roten Kreuz markiert:

google maps


Die Third Avenue in Blickrichtung nach Norden mit der Nordostecke im Zentrum des Bildausschnitts: 



Gegenwart und Vergangenheit zum Vergleich soweit möglich: erst 1863, dann 2017.



Ich habe mir natürlich die Frage gestellt, ob die beiden Gebäude an der Straßenecke identisch sind. Das wohl nicht, denn lt. Gebäudeauskunft bei NYCityMaps wurde das gegenwärtige Eckhaus 1920 errichtet. Aber - und das fand ich interessant - nennt sich die Eigentümergesellschaft des Gebäudes "Pear Tree Place Condo". 



Noch eine zweite Gegenüberstellung und dann soll es das für heute gewesen sein. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!




P.S.: In Zeiten, in denen das Bemalen des eigenen Körpers nicht mehr nur Seemännern und Knastbrüdern vorbehalten ist, scheint es auch jemanden zu geben, der sich Stuyvesants Birnbaum in die Haut hat ritzen lassen:



Links: