Montag, Dezember 31, 2012

12 Angry Men




Dirk Stichweh hat mich vor einigen Tagen mit einer Meldung über den Tod von Jack Klugman auf die Idee gebracht. Bisher hatte ich ja nur vermutet, dass der Film "12 Angry Men", in Deutschland bekannt unter "Die zwölf Geschworenen", in New York spielen würde, aber beim Ansehen gestern habe ich nochmal genauer aufgepasst.

Und irgendwann unterhielten sich zwei der Geschworenen am Fenster und der einer der beiden fragte sinngemäß: "Ist das dahinten das Woolworth Building?". Eine große Ansammlung von Gerichtsgebäuden findet man im Süden Manhattans nur wenige Blocks oberhalb des Rathauses (City Hall), teilweise in dem Gebiet, in dem einst das berüchtigte Viertel "Five Points" lag. Und von dort aus müsste es ohne weiteres möglich sein, im Hochhäusergewirr das Woolworth Building zu sehen.



Jack Klugman, auf dem Foto oben in der Bildmitte mit dunklem Anzug, war der letzte überlebende Schauspieler aus der 1957er-Version, er verstarb dieses Jahr am Heiligabend.

Mehr Wissenswertes über den Film erfährt man hier:

Eigentlich handelt es sich ja weniger um einen typischen Spielfilm, sondern mehr um eine Art verfilmtes Theaterstück oder Kammerspiel. Aber das Thema ist irgendwie zeitlos. New Yorker Hochbahnen spielen auch eine Rolle, was mich als alten Hochbahnfan natürlich freut.

Und 1997 gab es nochmal eine Neuauflage des Klassikeres. Hier spielt Jack Lemmon die Rolle von Henry Fonda als Geschworener Nummer 8. Wer mal einen Blick riskieren möchte, kann das hier tun:
http://www.myvideo.de/watch/8128946/Die_12_Geschworenen_1_11




Wer noch ein wenig mehr Zeit mitgebracht hat, kann sich hier das Original ansehen, in der deutschsprachigen Synchronfassung:



Samstag, Dezember 29, 2012

Dead whale at Breezy Point




Diese Geschichte ist erst wenige Tage alt, verlief dramatisch und hatte kein Happy End. Am Mittwochmorgen war ein 18 Meter langer Finnwal an der Küste vor New York gestrandet. Ort des Geschehens: Breezing Point im Stadtteil Queens.


google maps


Zunächst war der Wal noch lebendig und Helfer hatten stundenlang Eimer und Schläuche eingesetzt, um den riesigen Meeressäuger weiter am Leben zu halten.



Doch Experten war bereits früh aufgefallen, dass das Tier stark abgemagert und für Finnwal-Verhältnisse untergewichtig war. Am Donnerstag stellten Biologen dann den Tod des Wales fest.




Wer noch mehr über den Fall erfahren will, kann hier den Pfad zu meiner Informations- und Bilderquelle nehmen, der Online-Ausgabe der Rheinischen Post:




2009 besuchte dieser Wal den Hafen von New York und konnte im Anschluss wieder lebendig ins offene Meer zurückkehren:



Und hier schaut 2007 ein Zwergwal in Brooklyn vorbei:



Mittwoch, Dezember 26, 2012

The Vanishing El




Melde mich zurück mit einem sehr interessanten zehnminütigen Kurzfilm, der einen Weg bahnt in die frühen 1950er. Bevor die 3rd Avenue El, die Hochbahn über der 3rd Avenue, 1955 abgerissen wurde, nahm ein Kamerateam diese Bilder von der 80 Jahre lang in Betrieb befindlichen Hochbahn auf. Nicht nur die Bahn selbst, auch die Umgebung war es wert, für die Nachwelt festgehalten zu werden.



Sonntag, Dezember 09, 2012

Lower Manhattan - A journey through time and space - Part 19



Seit Januar 2012 sind wir schon zahlreiche Male in die Tiefen der Geschichte von Südmanhattan abgetaucht. Mit beteiligt durch Material und Themenvorschläge sind auch die Leser Arnie, Michal Juroska, Andy Frieder und JPJ. Hier kannst Du die bisherigen offiziellen und inoffiziellen Folgen der Reihe abrufen.
http://nygeschichterucksack.blogspot.com/2012/02/lower-manhattan-journey-through-time.html


1. Cincinnati, ca. 1900


Wie war das damals, wenn man mit Zügen über das amerikanische Festland nach New York fuhr und es schließlich nicht mehr weiterging, weil ein breiter Strom namens Hudson River (oder North River) die Weiterfahrt verhinderte. Tunnel unter dem Flußbett gab es lange Zeit nicht, folglich wurde das Hindernis über das Wasser hinweg überbrückt: mit Fähren. Wie zum Beispiel der "Cincinnati", die für die Pennsylvania Railroad Company Passagiere über das Wasser beförderte.




Eigentlich war ich ja auf das Foto oben bei Knickerbocker Village gestoßen, habe dann aber festgestellt, dass der Weg noch weiterführt bis nach Shorpy, wo glücklicherweise einmal mehr eine hochauflösende Aufnahme zur Verfügung steht.
http://www.shorpy.com/node/7394?size=_original#caption



Die Zahl der Rettungsboote war in der Vor-Titanic-Zeit noch sichtbar knauserig bemessen, wenn diese nicht einmal übermäßig befüllte Fähre havariert wäre, hätte es wohl ganz schön Balgerei um die wenigen Plätze für Nichtschwimmer gegeben:




Auf dem Fahrzeugdeck unten sieht man alt und neu nebeneinander. Das Teil rechts müsste ein Pferdefuhrwerk sein, das steht für das gerade geendete 19. Jahrhundert, links daneben ein Automobil, eines der wesentlichen technischen Entwicklungen für das gerade begonnene 20. Jahrhundert.




Werfen wir jetzt noch einen Blick auf die Skyline, um nachzusehen, ob die Datumsangabe "ca. 1900" in etwa bestätigt werden kann. Hilfreich ist hier sicherlich Michal Juroskas Identifizierungsarbeit an der Manhattan Skyline von 1902. Ich fange mal links oben an:




Diesen Abschnitt sieht man auch auf dem nachfolgenden Bildausschnitt der 1902er-Skyline, wobei an der Position des Gebäudes 4 auf der Fährenaufnahme noch weniger Gebäude standen.
http://nygeschichte.blogspot.de/2012/04/lower-manhattan-journey-through-time_14.html




Weitestgehend von den Aufbauten der Fähre verdeckt ist der Teil auf Höhe des City Hall Parks, aber der Dom des World Buildings und die Doppeltürme des damals höchsten Gebäudes in Manhattan, des Park Row Buildings von 1899, sind dennoch zu erkennen.






Schön zu vergleichen ist dagegen der nächste Abschnitt, der sich ungefähr vom Washington Life Building (20) bis zum Manhattan Life Insurance Building (30) erstreckt. Der Bauzustand des MLIB in seiner Urversion mit der noch nicht gestreckten Kuppel auf dem Dach verrät, dass die Aufnahme zumindest vor 1903 entstanden ist.

Faszinierend finde ich das Gebäude mit der hellen Rückfront links neben dem Washington Life Building, bei Michal zwischen den Gebäuden Nummer 19 und 20. Ich frage mich, ob man hier auf die Rückseite des alten Singer Buildings blickt, das damals "nur" sechsstöckig war und deshalb noch nicht so sehr aus der Skyline herausragte wie später nach dem Neubau.

Apropos 19, auf dem Fährenbild ist die Nummer 19, das Broadway-Maiden Lane Building noch nicht errichtet. Laut Emporis sind die Bauarbeiten 1902 aufgenommen worden, also könnte die Datumsangabe "ca. 1900" beim Fährenbild tatsächlich passen.
http://www.emporis.com/building/broadwaymaidenlanebuilding-newyorkcity-ny-usa






Für die Datumsangabe spricht auch, dass man das Hanover National Bank Building (25 bei Michal) auf dem Fährenbild ebenfalls noch nicht sieht, und das ist zwischen 1901 und 1903 gebaut worden.
http://www.nyc-architecture.com/GON/GON014.htm


Werfen wir noch einen Blick auf den letzten Abschnitt, der fast den gesamten Süden von Manhattan und vom Broadway zeigt.





2. Western Union Time Ball (1877)


Die Idee zu diesem Beitrag habe ich von Arnie Merriam erhalten, der mir den Link geschickt hat, dafür ein großes Dankeschön. Dieser Link bringt nun endlich etwas Licht in eine Geschichte, die sicherlich jeder, der sich mal mit dem Western Union Building (1875-1890) befasst hat, schon irgendwann einmal gelesen hat.



Das 1875 errichtete, zehnstöckige Gebäude war zu seiner Zeit das höchste Gebäude in New York und in den Vereinigten Staaten (Gebäude, nicht Bauwerk). Ab September 1877 verwendete man die Plattform auf der Spitze des Türmchens an der Broadway-Front für ein Schauspiel, das täglich zur Mittagszeit viele tausend Augen aus der Umgebung auf das meilenweit sichtbare, weil besonders hohe Gebäude zog: der Ball Drop.

Das Gebäude an der Adresse 195 Broadway stand mittels Telegraph mit dem Nationalen Observatorium in Washington in Verbindung und von dort aus kam jeden Tag aufs Neue die Bestätigung, wann genau Mittag war. Dann wurde ein weithin sichtbarer "Ball" an einem Mast herabgelassen, der den Zuschauern in der Umgebung ermöglichte, die eigenen Uhren möglichst genau auf 12:00 Uhr Mittag einzustellen. In heutigen Zeiten mit Funkweckern und Atomuhren sicherlich ein steinzeitlich anmutendes Verfahren, vor 135 Jahren aber hochmodern und hochpräzise.




Von weitem sah es wohl so aus, als ob es sich bei dem Teil, was dort am Mast auf- und abbewegt wurde, um einen massiven Ball handeln würde. Tatsächlich bestand dieser aber aus einer Reihe von kugelförmig angeordneten Kupferblechen, um den Windwiderstand an diesem exponierten und mitunter auch sehr stürmischen Ort möglichst gering zu halten.




Komplett hochgezogen befand sich der Ball auf einer Höhe von 315 Fuß, was 96 Metern entspricht. Während des "Drops" legte der Ball einen Höhenunterschied von 23 Fuß zurück, also etwa 7 Metern. Auf dem Bildausschnitt sieht man dem Ball nach dem Drop:




Das tägliche Ritual begann jeweils um fünf vor zwölf, als der diensthabende Offizier den Ball mit einer Handkurbel in seiner Ausgangsposition oben am Mast hochkurbelte. Zwei Minuten vor Mittag wurde ein "Ready"-Signal nach Washington telegrafiert, das dem dortigen Mitarbeiter zeigte, dass in New York alles für den Ball Drop bereit war.

War exakt 12:00 Uhr Mittag erreicht, schloss der Mitarbeiter in Washington einen Stromkreis, der wiederum einen Elektromagneten in New York aktivierte. Dieser löste die Blockade, die den "Ball" oben am Masten hielt, und der Ball stürzte - weithin sichtbar - sieben Meter am Mast hinunter, bevor er von sechs starken Puffern abgefangen wurde.

War der Ball unten angekommen, wurde automatisch ein Signal zurück nach Washington geschickt, wo man dann auch wusste, dass der Ball seinen Drop erfolgreich hinter sich gebracht hatte. An Tagen, an denen aus irgendwelchen Gründen kein Signal aus Washington empfangen werden konnte, zog man eine rote Fahne hoch und ließ sie zwischen 12:01 und 12:10 wehen.




Ein besonderer Leckerbissen ist noch diese Aufnahme, die in den 1880ern vom Dach des Western Union Buildings aus entstanden ist und den Blick auf ein lange vergangenes Südmanhattan zulässt, so wie ihn der diensthabende Offizier im Western Union Building erlebt hat, wenn er vor den Augen zigtausender New Yorker, New Jerseyer und Brooklyner das kleine tägliche Spektakel des "Ball Drops" durchführte. Im Hintergrund der Hudson River und New Jersey, im Vordergrund jenes Viertel, das viele Jahre später für das World Trade Center weichen musste und noch später noch viel viel mehr Augen aus der ganzen Welt auf sich zog als der kleine Ball Drop auf dem Turm des Western Union Buildings. 



Quelle / Sources:
http://www.telegraph-history.org/george-m-phelps/ball.htm
http://www.telegraph-history.org/george-m-phelps/index.html


Eine weitere Aufnahme vom Dach des WUB habe ich in der Sammlung des MCNY entdeckt, die nach Norden statt nach Westen schaut.

Post Office from Western Union Telegraph Building ca 1880, from the collection of the museum of the city of New York


Ganz rechts im Hintergrund die damaligen Niederlassung der New York Times, daneben das andere spektakuläre neue New Yorker Hochhaus, das Tribune Building. In der Bildmitte das City Hall Post Office und links im Vordergrund die St. Paul's Chapel und dahinter das Astor House. Rechts im Vordergrund die Niederlassung des New York Herald auf dem Eckgrundstück, wo 1865 Barnum's American Museum abgebrannt war.



Western Union Building, Lower Broadway, ca 1904, from the collection of the museum of the city of New York



Hier ist das Western Union Building nur Nebendarsteller am linken Rand, in seiner weniger spektakulären zweiten Version nach dem großen Brand 1890 und dem Wiederaufbau. Im Mittelpunkt steht hier das Mail und Express Building, hier besonders schön aufgebretzelt für ein mir unbekanntes Ereignis, möglicherweise ein Parteitag der Demokraten?

Es folgen noch zwei Abbildungen vom Neubau des Western Union Buildings, der an der Adresse 195 Broadway zu Beginn des ersten Weltkriegs entstand, nachdem man die renovierte Ruine des alten Western Union Buildings nunmehr endgültig abgerissen hatte.


 195 Broadway at the corner of dey street. western union building, 1914, from the collection of the museum of the city of New York



195 Broadway at the corner of dey street. western union building, ca 1915, from the collection of the museum of the city of New York




Damit endet die 19. Folge der Lower Manhattan Saga. Weitere Folgen und ähnliche Beiträge kannst Du hier abrufen:
http://nygeschichterucksack.blogspot.de/2012/02/lower-manhattan-journey-through-time.html


Audrey Munson




Wer sich mit wachen Augen durch die Stadt New York bewegt, dem könnte vielleicht auffallen, dass eines der in Stein verewigten Gesichter, die man vielerorts findet, häufiger mal auf ihn herabschaut.







Bei dieser Person, die immer und immer wieder in Stein verewigt wurde, handelt es sich um Audrey Marie Munson, geboren 1891, verstorben 1996. Die folgende Fotografie stammt vom 23. März 1915:




Die junge Dame war Anfang des 20. Jahrhunderts eine sehr beliebte Vorlage bei Bildhauern, die man hier und da an prominenter Stelle in New York City immer noch antreffen kann.



So verkörperte sie zum Beispiel die "Nacht", eine der zahlreichen Statuen an der legendären Pennsylvania Station Ecke 7th Avenue / 33rd Street, hier bei den Abrissarbeiten aufgenommen:




Richtig. Auch hier kann man Fräulein Munson sehen, das Municipal Building von 1915 ist schon eine ziemlich auffällige Bühne für eine Statue:



Civic Fame heißt das Kunstwerk, das man ganz oben auf dem Gebäude sieht und für das Audrey Modell gestanden hat.




Ein anderer prominenter Standort ist die Auffahrt zur Manhattan Bridge auf der Manhattan-Seite:




Dort findet man Audrey als "Spirit of Commerce", einem Kunstwerk von 1912:




Ein weiterer Treffpunkt ist das USS Maine - Monument am Columbus Circle auf der Südwestecke des Central Parks:




Auch auf diesem Kunstwerk aus dem Jahr 1912 sieht man Madame an äußerst prominenter Position, nämlich mal wieder ganz oben. Sie verkörpert die "Columbia Triumphant"




Zu Beginn des Beitrags haben wir schon die Pulitzer Fontain gesehen, die man am Schnittpunkt von 5th Avenue und 59th Street, wieder am Central Park, dieses Mal an der Südostecke.




Nach ihrer Entdeckung 1906 im Teenageralter, nach vielen Bildhauerarbeiten in der ersten Hälfte der 1910er-Jahre, die bis heute nachklingen, folgten auch einige Filmauftritte ab Mitte der 10er-Jahre, darunter auch der erste vollständige Nacktauftritt in dem Spielfilm Inspiration (1916), natürlich eine Geschichte über ein Bildhauermodell.




1919 war das Modell in eine äußerst unglückliche Liebesgeschichte mit einem Dr. Walter Wilkins verwickelt, die mit dem Tod von dessen Ehefrau und dem Doktor auf dem elektrischen Stuhl endete.

Und Audrey, das Supermodel des frühen 20. Jahrhunderts, erhielt - auch dank einer Rufmordkampagne in der zeitgenössischen Presse - mit Beginn der 1920er kaum noch Aufträge. 1922 versuchte sie sich mit einer Quecksilberchlorid-Vergiftung das Leben zu nehmen, allerdings ohne Erfolg. Nach einigen Jahren in Mexiko wurde sie aufgrund einer festgestellten psychischen Störung / Paranoia 1931 in eine psychiatrische Heilanstalt in Ogdensburg im Staat New York eingewiesen.


Und an diesem Ort verbrachte Audrey Munson die längste Zeit ihres Lebens, 65 Jahre (!!!), bis sie 1996 schließlich im Alter von 104 Jahren starb. Einerseits schon lange vergessen, andererseits aber irgendwie auch unvergesslich und unsterblich als ein Teil des alten klassischen New Yorks der vorletzten Jahrhundertwende.


Quellen / Sources: