Sonntag, August 30, 2009

Brooklyn Theater Fire

Kapitel 202


In diesem Kapitel steht mal wieder ein historischer Brand in New York City, um genauer zu sein in Brooklyn im Mittelpunkt. Wir gehen zurück in das Jahr 1876 zu einer längst vergessenen Katastrophe, auf die ich gestoßen bin, als ich vor einiger Zeit für das Kapitel 190 in die Theaterwelt am Broadway eingetaucht war. Ich habe fast keine deutschsprachigen Seiten zu diesem Thema gefunden, weshalb ich mal wieder selbst den Übersetzer machen muss. Grundlage für diesen Text war die sehr ausführliche Schilderung des Ereignisses auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite, für deren Erstellung wohl eine große Menge zeitgenössischer Zeitungen ausgewertet wurden, wenn man den dortigen Quellenangaben glauben schenken darf. Genug geredet, jetzt gehts fast 133 Jahre zurück in die Vergangenheit.

"Das Brooklyn Theater Fire war ein katastrophaler Theaterbrand, der am Abend des 5. Dezember 1876 in der Stadt Brooklyn im Staat New York ausbrach (zur Erinnerung: Brooklyn wurde erst 1898 ein Stadtteil von New York City). In der Feuersbrunst starben um die 278 Menschen, manche Berichte sprechen sogar von über 300 Toten. 103 unidentifizierte Opfer wurden in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Green-Wood Cemetery in Brooklyn begraben.

Ein Obelisk nahe dem Haupteingang an der Fünften Avenue und der 25th Street weist auf den Begräbnisort hin. Mehr als zwei Dutzend identifizierter Opfer wurden in unterschiedlichen Bereichen auf dem Cemetery of the Evergreens in Brooklyn begraben. Das "Brooklyn Theater Fire" steht auf Platz 3 in der Liste der verheerendsten Theaterbrände, nach dem 1942er "Cocoanut Grove Nighclub Fire" und dem "Iroquois Theater Fire" im Jahr 1903.

Die meisten Toten gab es auf dem "Family Circle", einer Gallerie mit preisgünstigen Plätzen hoch oben im Zuschauerraum. Nur eine einzige Treppe führte zu dieser Gallerie, welche zuerst von extremen Temperaturen und dichtem, stickigem Rauch von der Feuersbrunst betroffen war. Die Treppe war ruckzuck mit Menschen verstopft und schnitt damit mehr als der Hälfte derjenigen, die sich auf der Gallerie aufgehalten hatten, den Weg ab, die danach schnell dem eingeatmeten Rauch zum Opfer fielen.

(Brooklyn Theater: Das Haus mit dem markanten Mansardendach)

Das Brooklyn Theater

Das Brooklyn Theater wurde am 2. Oktober 1871 eröffnet und befand sich in der Nähe der Südostecke an der Kreuzung von Washington und Johnson Street, ein Block nördlich des späteren Rathauses von Brooklyn. Es befand sich im Besitz der "Brooklyn Building Association", einer Partnerschaft von einflußreichen Brooklyner Vermietern, darunter Abner C. Keeney, William Kingsley und Richter Alex McCue. Während der letzten 20 Monate seiner Existenz wurde das Theater von Sara G. und Frederick B. Conway geleitet, einem Paar, das schon lange in der New Yorker und Brooklyner Theaterszene tätig war und das zuvor das Brooklyner Park Theater von 1864 bis 1871 geleitet hatte. Sara Conway starb im April 1875, etwa ein halbes Jahr nach ihrem Ehemann. Nach einer kurzen Episode, in der ihre Kinder das Theater ohne Erfolg geführten hatten, übernahmen Albert M. Palmer und Sheridan Shook , Leiter und Inhaber des New Yorker Union Square Theaters die neue Pacht des Brooklyn Theaters im August 1875 und leiteten es bis zur Katastrophe.

Das Brooklyn Theatre war einen Block von der Fulton Street entfernt, dem Hauptzufahrtsstraße zu den Fähren nach Manhattan und damit sowohl für New Yorker als auch für Brooklyner Einwohner leicht zugänglich (die Brooklyn Bridge wurde erst mehr als 6 Jahre später im Mai 1883 eingeweiht). Es verfügte über Sitzplätze für etwa 1.600 Zuschauer. Sowohl die Conways als auch Shook und Palmer holten gehobene Theaterproduktionen mit bekannten Schauspielern und Schauspielerinnen ins Programm. Das Brooklyn Theater entwickelte sich dadurch zu einer beliebten Adresse in der wachsenden Brooklyner Theaterszene, welche auch die kleineren und älteren Theater wie das Park, das Olympic und das Globe Theater einschloss.

The Two Orphans (Die zwei Waisen)

Shook and Palmer hatten bereits große Erfolge mit den Produktionen der Union Square Theatre Company in New York gehabt, weshalb sie einen Teil der dortigen Produktionen auch in das Programm des Brooklyn Theaters einbauten. Ihre Spezialität war die Adaption von französischen Schauspielen für die amerikanischen Bühnen. Das Stück "The Two Orphans", welches in der Nacht des Brandes aufgeführt wurde, war ein Melodrama über zwei junge obdachlose Waisen zur Zeit der französischen Revolution, die durch eine Entführung getrennt wurden. Die eine war blind und geriet in Armut, die andere wuchs nach der Entführung in einem wohlhabenden Haushalt auf. "The Two Ophans" war ein besonders erfolgreiches Schauspiel, welches 1874 in 180 Aufführungen am Union Square Theater gespielt wurde. Im französischen Original nannte es sich "Les Deux Orphelines" und stammte von Adolphe d'Ennery and Eugene Cormon. Die Adaption für die amerikanischen Bühnen stammte von Jackson N. Hart. Shook und Palmer brachten das Schauspiel im März 1876 auf die Bühne des Brooklyn Theaters nach dem Abschluss einer Amerika-Tournee, während der bereits eine Aufführung im Brooklyn Theater am 12. April 1875 stattgefunden hatte, 2 Wochen vor Sara Conway's Tod. Es wurde später auch mehrfach verfilmt, darunter 1915 mit Theda Bara in der Hauptrolle (verschollen = Lost Movie) und 1921 in einer bekannten Version von David W. Griffith mit den Gish-Schwestern in der Hauptrolle ("Orphans of the Storm").

Die Aufführung von 1876 am Brooklyn Theater war gut angenommen, aber lief langsam aus. Zum Zeitpunkt des Brandes standen eine Vielzahl von Aufführungen aus dem Union Square Theater auf dem Spielplan des Brooklyn Theaters. All die Kulissen und Ausstattungen für "Ferrsol", "Rose Michel", "Conscience" und "Colonel Sellers", die Garderobe für "The Two Orphans" und eine Wohnung voll Möbel für "Rose Michel" wurden im Bühnenbereich aufbewahrt.

Über das Gebäude

Der Entwurf stammte von Thomas R. Jackson. Das Brooklyn Theater wurde 1871 gebaut unter Einbeziehung von Anpassungswünschen, die Sara Conway eingebracht hatte. Der Chef der Brooklyner Feuerwehr, Marshall Patrick Keady, der später Zeugenaussagen sammelte und eine Chronologie des Desasters zusammenstellte, stellte fest, dass das Gebäude besser mit Ausgängen ausgestattet war als die meisten öffentlichen Gebäude in Brooklyn zu jener Zeit.

Das Theater stand auf einem L-förmigen Grundstück, die Theaterhalle befand sich in dem 127 mal 70 Fuß großen Flügel zur Johnson Street hin. Die Bühnen- und die Seiteneingänge führten von diesem Flügel auf die Johnson Street. Die Seiteneingänge waren 20 Fuß breit, groß genug, um Bühnenbilder und sperrige Kulissen hindurch zu tragen. Die Bühneneingänge waren kleiner, aber immer noch groß genug für Arbeiter mit schweren Lasten. Diese Türen an der Johnson Street waren für den Arbeitsbetrieb und wurden vom Publikum nur selten benutzt.

Der kleinere 27 mal 40 Fuß große Flügel an der Washington Street beheimatete den Haupteingang zu den niedrigeren Etagen und eine separate Treppe zur dritten und höchsten Besuchergallerie. Dieser Teil war für die Benutzung durch das Publikum vorgesehen und Jackson ging davon aus, dass diese Hauptausgangswege ausreichend groß waren, um ein volles Haus mit 1.450 Besuchern in unter 5 Minuten zu evakuieren. Außerdem gab es noch drei Stellen mit zusätzlichen Türen, die Jackson als Spezialausgänge entworfen hatte. Sie führten auf die Flood's Alley, eine schmale Straße, die den Block von der Johnson zur Myrtle Avenue teilte und an der Ostseite des Gebäudes entlanglief. Die südlichen Ausgänge, am nächsten an der Myrtle Avenue, befanden sich am östlichen Ende der Eingangshalle. Die mittleren führten aus dem Theaterraum und die nördlichen befanden sich im Parkettbereich in der Nähe der Bühne. Zu diesem Ausgang führte auch eine Treppe von der zweiten Besuchergallerie herab. Diese Zusatztüren zur Flood Alley waren normalerweise verschlossen, auch um unerwünschte Eindringlinge fernzuhalten. Das Gebäude verfügte noch nicht über externe Feuertreppen, die eine Flucht aus höher gelegenen Fenstern zur Straße hinunter ermöglicht hätten.


Das Innere des Theaters

Das Brooklyn Theater hatte drei Besuchergallerien. Im Erdgeschoß des Theaters befanden sich Parkett und "Parquet Circle" mit 600 Sitzplätzen (Ziffer 3 auf der Grafik). Auf einem höher gelegenen Balkon befand sich der "Dress Circle" mit 550 Sitzplätzen (Ziffer 4 auf der Grafik). Auf einem noch höher gelegenen Balkon schließlich lag der "Family Circle", der sich bis zum Südende dieses Gebäudeflügels erstreckte und auf dem sich noch mal 450 Sitzplätze befanden (Ziffer 5 auf der Grafik). Die Gallerien hatten ihren eigenen Eingang und Ticketverkauf. Besucher für diese Plätze kamen normalerweise nicht mit Besuchern in Berührung, die Plätze im unteren Bereich erworben hatten.

Der Family Circle verfügte über die billigsten Plätze, weil er weit weg von der Bühne und nahe unter der Decke des Theaters lag. Der Weg von dieser Gallerie herab zur Washington Street führte über kurze Treppenfluchten zu einer Plattform an der Südwand des Theaters. Von dort ging es durch eine Reihe von Türen über eine schmale Treppe an der Südwand hinab auf eine Zwischenetage und von dort über eine weitere schmale Treppe hinunter bis zur Washington Street.

Der Zugang zum Dress Circle war einfacher. Die Besucher betraten und verließen den Dress Circle über eine einzelne, 10 Fuß breite Treppe, die in die Lobby hinabführte. Es gab außerdem einen zweiten Notausgang an der Alley-Seite des Gebäudes. Ein Treppenflucht führte von dort hinab zur nördlichst gelegenen Tür an der Flood Alley, die üblicherweise versperrt war, um Unbefugten den Zutritt zum Theater zu verwehren.

Acht private Logen, vier auf jeder Seite der Bühne und mit Platz für jeweils 6 Besucher, lagen an den Enden der Sitzreihen und enthielten die elegantesten und teuersten Plätze im Haus. Als das Theater 1871 eröffnet wurde, kostete ein Platz im Family Circle 50 Cents und im Dress Circle 1,- Dollar. Im Parkett nahe an der Bühne kosteten die Plätze 75 Cents und im Parquet Circle 1,50 Dollar. Die Logenplätze schließlich waren für 10 Dollar zu haben.

Die Bühne

Wie die meisten Theater des 19. Jahrhunderts war auch das Brooklyn Theater eine Präsentationsplattform, eine Kulissenwerkstatt und ein Warenhaus. An der Rückseite der Bühnenwand befand sich die "Painter's Bridge", ein Laufsteg, der oberhalb der Bühne über die gesamte Breite verlief und von dem aus die gemalten Bühnenbilder herabgelassen oder heraufgezogen wurden. Die einzelnen Bühnenbilder, gemalt auf Leinwand und auf Holzrahmen gespannt, wurden in einem offenen Raum oberhalb der Bühne aufbewahrt, zusammen mit dem Equipment und den Vorrichtungen zum Heben und Senken dieser Kulissenelemente. Dieser Teil oberhalb der Bühne, der sich "Rigging Loft" und im deutschsprachigen Bereich "Schnürboden" nennt, konnte vom Zuschauerraum aus niemals eingesehen werden. Für große Produktionen mit vielen Szenenwechseln wurden dort dementsprechend zahlreiche bemalte Leinwände bereitgehalten. Am Abend des Feuers warteten die zahlreichen Kulissen für "The Two Orphans" und die Szenerie von "Julius Cäsar" dort auf ihren "Auftritt". Dieses mag Einfluß auf den Beginn des Feuers gehabt haben, als Bühnenmanager Thorpe versuchte, den Wasserschlauch zu erreichen, aber von den Kulissen daran gehindert wurde.

(Beispiel für Proscenium Arch, anderes Theater)

Der sichtbare Bühnenbereich, umrahmt vom Proscenium Arch, wurde von einem 35 mal 50 Fuß großen Vorhang verschlossen. Der Proscenium Arch selbst war nicht Teil des Theatermauerwerks, sondern bestand aus leichtgewichtigem Holz verkleidet mit einer Vorhangwand. Die Handlung auf der Bühne wurde komplett mit Gaslicht ausgeleuchtet, kontrolliert durch einen Mann am Gas-Tisch, der eine Lampe durch einen elektrischen Funken entzünden und die Intensität des Lichts durch Regeln des Gaszuflusses variieren konnte. Jenseits des Proscenium Archs waren ebenfalls Gaslampen angebracht, die mit ihren Blechreflektoren den Backstage (Hinterbühnenbereich) ausleuchteten. Jede Lampe befand sich in einem Drahtkäfig, um die Enden der Leinwände für die Bühnenbilder mindestens einen Fuß entfernt von den Gaslampen zu halten. Dem Personal war es verboten, die Gaslichter mit Streichhölzern zu entzünden oder im Bühnenbereich zu rauchen.

Das Feuer

Am 5. Dezember 1876 befanden sich ungefähr 1.000 Besucher im Zuschauerraum. Samuel Hastings, der die Abrisse am Gallerie-Eingang aufgesammelt hatte, gab zu Protokoll, dass sich ungefähr 400 Personen auf dem Family Circle befanden. Col. Abner Keeny, einer der Theaterbesitzer, sprach davon, dass ungefähr 360 Personen Tickets für den Dress Circle erworben hatten und ungefähr 250 Personen für das Parkett und den Parquet Circle. Edward B. Dickinson, ein Besucher mit einem Sitz in der Mitte des Parketts ungefähr 5 Reihen von der Bühne entfernt, gab an, dass der Zuschauerbereich im Erdgeschoß nicht mehr als bis zur Hälfte gefüllt war. Charles Vine mit einem Platz hoch oben auf dem Family Circle dachte, dass es eine der vollsten Gallerien war, die er seit langer Zeit im Brooklyn Theater gesehen hatte. Das Schauspiel begann und lief ohne Zwischenfälle bis zur Pause zwischen dem vierten und dem fünften Akt, die kurz nach 11:00 Uhr am Abend erreicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Vorhang zugezogen und verdeckte die Bühne und das Orchester spielte während der Unterbrechung. Einige der Besucher im Parquet Circle hörten etwas, dass wie ein Krawall hinter dem Vorhang klang, Geschrei von Männern und laufende Maschinen, die leicht über das spielende Orchester hinweg wahrzunehmen waren.

Hinter dem Vorhang nahmen die Schauspieler ihre Positionen in der Kulisse ein, die ein altes Bootshaus am Ufer der Seine darstellte. Diese bestand aus einer Box zusammengezimmert aus bemalten Leinwand auf dünnen Holzrahmen und verhinderte hauptsächlich einen Blick aus dem Zuschauerraum in den Raum hinter der Bühne und darüber. Die Schauspielerin Kate Claxton spielte Louise, das blinde Waisenmädchen. Sie befand sich zusammen mit den Schauspielern J.B. Studley und H.S. Murdoch auf der Bühne und warteten darauf, das der Vorhang geöffnet wurde. Claxton lag auf einem Strohballen und blickte zur Decke. Die Schauspieler Mary Ann Farren und Claude Burroughs standen in den Seitenflügeln und warteten dort auf ihren Auftritt.

(Claude Burroughs)

Die Entdeckung des Feuers

Gegen 11:20 Uhr abends, als die Vorbereitung für den letzten Akt noch im Gange waren, sah Bühnenmanager J.W. Thorpe eine kleine Flamme auf der linken Seite der Bühne. Das Feuer entwickelte sich am unteren Teil einer herabhängenden Kulisse unterhalb des Schnürbodens in der Nähe der Begrenzungsbeleuchtung für die Hauptbühne (Ziffer 1 der Grafik). Die Leinwand hing hinab, hatte sich teilweise von ihrem Rahmen losgelöst und Thorpe dachte, irgendwie musste der herabhängende Teil durch das Drahtgeflecht der Gas-Lampe, die dort hing, geschlüpft sein und sich an der Gasflamme im Inneren entzündet haben. Er gab zu Protokoll, dass die Flamme zu diesem Zeitpunkt nicht größer als seine Hand war. Wasser in Farbeimern sollte auf die Bühne und in den Schnürboden bereitstehen und eine zweieinhalb Zoll große Wasserspritze befand sich an einem Feuerwehrschlauch im Backstage, doch keine dieser Sicherheitsvorkehrungen stand tatsächlich zur Verfügung. Die Wassereimer waren vor der Vorstellung nicht mit Wasser befüllt worden, somit konnte mit ihnen auch nicht kurzerhand das Feuer ausgelöscht werden. Thorpe erinnerte sich an den Feuerwehrschlauch, aber auf dem Weg zum Backstage waren zu viele Kulissen im Weg, um ihn rechtzeitig zu erreichen. Er entschied, das Feuer auf anderem Weg unter Kontrolle zu bringen, solange bis der Schlauch bereit sein würde. Deshalb sollten die Flammen mit allem erstickt werden, was gerade zur Verfügung stand. Er beauftragte die Zimmerleute Hamilton Weaver und William Van Sicken mit dem Auslöschen der Flammen. Diese Leute hatten lange Bühnenstangen, mit denen sie versuchten, die Flammen des noch kleinen Feuers auszuschlagen. Der Vorhang erhob sich, während hinter der Bühne das Personal sich bemühte, das Feuer unter Kontrolle zu bringen und die Schauspieler begannen mit dem Spiel. Nach wenigen Zeilen Text wurde Claxton von Lillian Cleaves auf das Feuer aufmerksam gemacht, die jenseits der Kulisse im Backstage wartete. Sie flüsterte durch die Leinwand des Bootshauses, das ein Feuer auf der Bühne ausgebrochen sei und drängte sie, diese zu verlassen. Kate Claxton erinnerte sich, durch die dünnen Leinwände der Kulisse geblickt zu haben und dort Funken gesehen zu haben, die herabfielen sowie kleine Feuerzungen, die an den im Bühnenhimmel aufgehängten Leinwänden hochleckten.

(Kate Claxton)

Die Schauspieler setzen die Aufführung jedoch fort, weil sie davon ausgingen, dass jedes ungewöhnliche Verhalten von ihnen eine Panik im Zuschauerbereich auslösen könnte. Mrs. Mary Ann Farren absolvierte ihren Auftritt und flüsterte nach ihren ersten Textzeilen leise, dass das Feuer ständig größer wird. Die Schauspieler verweilten nur noch eine kurze weitere Zeit in ihren Bühnenrollen und die Zuschauer wurden zunehmend unruhiger. Trotz ihrer Bemühungen konnten die Bühnenarbeiter das Feuer nicht auslöschen, stattdessen hatten sie versehentlich brennendes Material durch die Schläge noch so verteilt, dass sich das Feuer weiter bis zum Schnürboden ausbreiten konnte. Teile von brennenden Trümmern fielen nun von oben herab auf die Kulisse des Bootshauses und auf weitere Kulissen hinter der Bühne. Dickinson, der im Mittelparkett saß, sah eine dünne Säule Rauch, die sich an der Decke der Kulisse entlangkräuselte. "Im Hintergrund war eine Ecke der Leinwanddecke offen und durch das offene Loch sah ich die Flammen und sah Männer, die versuchten, das Feuer mit langen Stangen auszuschlagen." Als die rauchenden Trümmer auf die Bühne hinunterfielen, hielt es auch die Schauspieler nicht länger in ihrer Rolle. Viele im Zuschauerraum, zuvor schon unruhig, sprangen nun von ihren Sitzen auf und begannen, die Gänge zu füllen.

Langsam bricht Panik aus

Kate Claxton, H. S. Murdoch und J. B. Studley baten die Zuschauer zunächst, Ruhe zu bewahren und sitzen zu bleiben. Thomas Rochford, der Hauptplatzanweiser, ging in den Zuschauerraum, als er jemanden "Feuer" schreiben hörte. "Mr. Studley und Mr. Murdoch sprachen die Leute an, auf ihren Sitzen zu verbleiben. Ich hielt ebenfalls eine Reihe von Leuten an, die eine Gedränge erzeugten. Glücklicherweise beruhigten sich viele und nahmen wieder ihre Plätze ein. Auf seinem Sitzplatz hoch oben im Family Circle dachte Charles Vine, dass Claxton "die nervenstärkste Frau war, die ich jemals gesehen habe. Sie kam zusammen mit J.B. Studley heraus und sagte, dass das Feuer in wenigen Augenblicken wieder gelöscht wäre. Sie war weiß wie ein Bettlaken, aber sie behielt die Nerven." Der "Brooklyn Daily Eagle" berichtete, dass Clayton sagte: "Es gibt keine Gefahr, die Flammen sind ein Teil des Schauspiels.". Die Behauptung war unrichtig, das Feuer gehörte nicht zur Geschichte, was sich kurze Zeit später herausstellte. "Während sie noch sprach", berichtet der Eagle am 6. Dezember, "fiel ein brennendes Stück Holz von oben herab direkt vor ihre Füße und ein ungewollter Angstschrei brach aus ihr heraus. Dieser brach den Bann, der bisher die Zuschauer noch zurückgehalten hatte."

(Kate Claxton)

Panik stieg empor und die Aufmerksamkeit der Schauspieler wechselte nun dahin, diese wieder zu unterdrücken. J.B. Studley begründete dieses gegenüber den Zuschauern so: "Wenn ich die Geistesgegenwart habe, zwischen Euch und dem Feuer zu stehen, welches sich direkt hinter mir befindet, dann solltet Ihr auch so geistesgegenwärtig sein, ruhig hinauszugehen." Kate Claxton wiederholte J.B. Studley's Worte und Bühnenmanager J.W. Thorpe kam hinaus, ebenfalls um einen kontrolliertes Verlassen des Gebäudes bemüht.

Die Zuschauer selbst aber waren von der ausgebrochenen Panik erfasst und die Personen auf der Bühne wurden ignoriert und blieben ungehört. Claxton erinnerte sich später: "Wir waren nun schon fast von den Flammen eingeschlossen, es war verrückt, noch länger dort zu verbleiben. Ich zog Mr. Murdoch am Arm und sagte "Kommen Sie, lassen Sie uns gehen". Er zog benommen davon und eilte in seine Garderobe, wo das Feuer auch schon wütete. (...) Ein Sprung von der Bühne in den Orchestergraben in der Hoffnung, das Gebäude durch die Frontseite zu verlassen, hätte nur bedeutet, dass man ein Teil der wilden kämpfenden Menschenmasse geworden wäre, die sich gegenseitig wie wilde Tiere zu Tode trampelte."
Claxton erinnerte sich, dass eine nichtöffentliche Passage von der Garderobe der Hauptdarstellerin durch den Keller zur Theaterkasse verlief. Sie und Maude Harrison, die Schauspielerin, die Henriette, die andere Waise, überbrückten so das Durcheinander in der Lobby. Murdoch und Claude Borroughs dachten, das noch genügend Zeit vorhanden wäre, um die Straßenkleidung aus den Garderoben zu holen, es war Dezember und die Bühnenkostüme waren dünn. Der Wunsch nach Komfort führte jedoch dazu, dass sie eingeschlossen wurden und nicht mehr entkommen konnten. Ein Teil der Theaterleute verließ den Bühnenbereich durch die Türen, die auf die Johnson Street hinausführten, aber das Feuer auf der Bühne breitete sich immer weiter aus, so dass diese Ausgänge bald nicht mehr zu erreichen waren. Alle verbleibenden Ausgänge waren danach nur noch im Frontflügel des Hauses, der Haupteingang auf die Washington Street hinaus oder die Spezialausgänge zur Flood Alley.

Die Flucht aus dem Theater

Während die Schauspieler noch versuchten, die aufkommende Panik zu unterdrücken, begab sich Hauptplatzanweiser Thomas Rochford zum hinteren Bereich des Zuschauerraums, um dort den Spezialausgang zur Flood's Alley am Ostende der Eingangshalle gegenüber von den Washington Street - Eingängen zu öffnen, einer von den drei Spezialausgängen, die Architekt Jackson entworfen hatte. Weil die Türen aber nur selten benutzt worden waren, fand er den Verschlussmechanismus in völlig verrostetem Zustand vor, was dazu führte, dass er nicht in der Lage war, diese Türen zu öffnen. Erst mit einem kleinen Metallteil, das er in seinen Taschen fand, konnte er die Tür doch noch öffnen. Diese Aktion ermöglichte es den Menschen aus dem Zuschauerraum im Erdgeschoß, das Gebäude recht schnell zu verlassen. Allerdings hatte Rochfords Handlung auch unerfreuliche Folgen. Die offenen Türen erzeugten einen Luftzug durch das Gebäude, der das Feuer auf der Bühne sofort an Intensität zunehmen ließ.

Obwohl Verzweifelung und Panik genau in diesem Sektor des Theaters ausgebrochen waren, konnten die Besucher aus dem unteren Parkett und aus dem Parquet Circle in weniger als 3 Minuten flüchten, hatten Zugang zu den Ausgängen zur Flood's Alley und zur Washington Street und mussten keine Treppenfluchten überwinden. Die kleinste Zuschauermenge im Theater hatte die besten Evakuierungswege.

Diejenigen, deren Platz im Bereich des auf dem ersten Balkon gelegenen Dress Circle lagen, mussten sich eine Treppe hinabkämpfen. Die Hauptflucht führte hinunter in die Eingangshalle und zum Washington Street-Ausgang; eine zweite führte zu den Flood's Alley-Ausgängen nahe der Johnson Street. Die meisten bevorzugten den Washington Street-Ausgang, weil es sich um den Weg handelte, über den sie den Circle betreten hatten und den sie bereits kannten. Die Teppe war mehr als sieben Fuß breit und sollte - laut den Angaben von Architekt Jackson - eine Evakuierung des Dress Circle in weniger als drei Minuten möglich machen. Brooklyns Feuerwehrchef Patrick Keady schrieb jedoch später in seinem Spezialbericht, dass die von Jackson beschreibene Evakuierung unter geordneten Verhältnissen stattfand, tatsächlich aber alle gleichzeitig versuchten, die Treppen zu erreichen. Alles andere als geordnet stauten sich die Menschen in den Durchgängen und stolperten unter dem permanenten Druck der Menschen hinter ihnen. Ihre Füße verklemmten sich in den Ballustraden und die Panik steigerte sich zur Raserei. Das Tempo auf den Stufen, nun voll mit um ihr Überleben kämpfenden Menschen, verlangsamte sich zusehens. Sergent John Cain, der als erster vom "First Precinct Station House" aus der Nachbarschaft des Theaters eintraf, berichtete, dass sich ungefähr 150 Menschen auf der Treppe stauten, als er eintraf. Er war von Van Sicken herbeigeholt worden, der über den Bühnenbereich entkommen war und von Mike Sweeny, dem Hausmeister des Theaters, zusammen mit weiteren Feuerwehrleuten. Die Männer begannen sofort damit, die Menschenknäuel zu entwirren, um wieder eine Vorwärtsbewegung zu ermöglichen.

Manche Menschen auf dem Dress Circle, die sich in dem Theater auskannten, versuchten ihre Rettung über die Treppe hinab zur Flood's Alley, in der Nähe der Ecke Johnson Street. Besucher liefen im ersten Aufruhr die Stufen hinab und mussten feststellen, dass die Tür verschlossen war und kein Platzanweiser in Sicht. In der kurzen Zeit, die es in Anspruch nahm, festzustellen, dass die Tür verschlossen war und sie zurück auf den Dress Circle mussten, war die Bühne komplett von den Flammen verschlungen worden und sie hatten keinen anderen Ausweg mehr, als auch den Weg hinab über die Treppe zur Washington Street zu versuchen. Fire Marshall Keady schrieb später, dass er keinen Hinweis finden konnte, dass der Ausgang noch geöffnet worden wäre.


Oben auf dem Family Circle

Besonders schlecht waren die Umstände für die Besucher mit Sitzplätzen im Family Circle hoch oben auf dem zweiten Balkon. Etwa 400 Menschen befanden sich dort und es führte nur eine einzige lange Treppe hinunter auf Straßenniveau. Die Treppenflucht, die von der Gallerie hinabführte, wies zwei mal einen Richtungswechsel nach rechts auf und führte über zwei lange Treppenpassagen. Mit einer Breite von 6 Fuß und 8 Zoll war sie breiter als die meisten Galleriepassagen zu jener Zeit, aber bedingt durch den Rauch, der sich schnell unter dem Dach sammelte und bedingt durch den Umstand, dass der Family Circle der höchstgelegene Bereich des Theaters war, ergab sich eine unbedingte Dringlichkeit für alle, die sich dort aufhielten, die Gallerie schnell zu verlassen. Um die Bedingungen noch zu erschweren, sank der Gas-Druck im Gebäude, so dass die Lampen auf den Treppen immer weniger Licht ausstrahlten.

Die Bedingungen im Theater

Als das Feuer das Dach erreichte, welches trocken und inzwischen schon sehr heiß war, breitete es sich mit extremer Geschwindigkeit weiter aus. Im Family Circle dachte Charles Vine, dass es weniger als vier Minuten dauerte von dem Zeitpunkt, als er das Feuer auf der Bühne saß bis zur Ankunft des Rauchs dort oben. Officer G.A. Wessman, der mithalf, das Durcheinander auf dem Dress Circle aufzulösen, beschrieb die Ankunft des Rauchs "als eine Art dunkles Blau mit einem höchst absonderlichen Geruch, kein menschliches Wesen konnte darin mehr als zwei Minuten überleben". Als der Rauch die oberen Ränge des Theaters auszufüllen begann, hörte Wessman Schreie und die typischen Geräusche von springenden oder fallenden Personen.

Der lange Weg hinunter über die Treppe

Charles Straub hatte einen Sitzplatz auf dem Family Circle in der Nähe der Treppen. Er war in Begleitung seines Freundes Joseph Kreamer dort. Er erinnerte sich, dass "wir nur schwer die Treppen hinunter rennen konnten; sie waren total überfüllt." Anfangs sah er noch keinen Rauch, aber während der Zeit der er bis zur ersten Flucht benötigte, hatte sich schon dicker Rauch angesammelt. Dann stolperte er und andere Menschen fielen über ihn hinweg. Da war die letzte Treppenflucht bereits dunkel und voller Rauch. Straub kämpfte sich wieder noch oben und taumelte weiter voran. Er berichtete, dass etwa 25 Personen vor ihm das Theater verlassen konnten. Zu seinem Glück konnte er das Theater noch verlassen, nachdem er 2 Treppenfluchten hinuntergedrückt worden war und das Gefühl gehabt hatte, dass Hunderte über ihn gefallen waren. Nach ihm kamen nur noch weitere 10 oder 12 Menschen auf die Straße hinunter. Er wartete neben dem Washington Street Eingang eine dreiviertel Stunde lang, aber er konnte nicht feststellen, dass es seinem Freund Kreamer ebenfalls gelungen war, dem Treppenhaus zu entkommen. Er sah ihn niemals wieder.

Flucht vom Family Circle:

Charles Vine, der von der Nervenstärke Kate Claxton's betört gewesen war, befand sich dagegen weit entfernt von diesen Treppen. Claxton's Versicherungen hatten ihn dazu veranlasst, einige Minuten auf seinem Sitzplatz zu warten, aber die wachsende Menge an Menschen auf den Treppen ließ ihn unsicher werden. Der Anblick von Männern, die Frauen niedertrampelten, entsetzte ihn; das Gepolter war zum Verrücktwerden. Er dachte, das offenbar jeder hier den Verstand verloren hatte. Die Hitze und dichter Rauch waren oben bei ihm angekommen. Er sah, dass der Weg die Treppen hinab mit Leuten versperrt war, die sich bereits übereinander stapelten. Er dachte darüber nach, aus einem der Fenster zu springen, welche auf die Flood's Alley hinausblickten, aber das wäre ein Sprung aus einer Höhe von 60 Fuß (ca. 20 m) hinab gewesen. Er ging bis zum vorderen Rand der Gallery hinunter und entschied sich, von dort aus hinab zu springen. Er fiel auf den Dress Circle unter ihm, verletzte sich dabei schwer an einem Stuhl, blieb aber bei Bewusstsein und war in der Lage, zur Tür zu laufen. Dort traf er auf eine andere Szenerie wie aus einem Tollhaus, dieses Mal auf der Treppe vom Dress Circle hinab, wo Menschen sich über andere hinwegkämpften, die hingefallen waren. Glücklicherweise war Vine nun näher am Washington Street Eingang, als Cain und seine Polizeibeamten langsam ein gewisses Maß an Ordnung wiederherstellen konnten. Es gelang ihm, die Lobby zu erreichen und er half noch mit, die Unordnung in der Umgebung der Treppen zu beseitigen. Danach verließ er das Theater, wobei er eine Frau trug, die niedergetrapmpelt worden war und die "so tot zu sein schien wie ein Türnagel". Fire Marshall Keady vermerkte später, dass Vine vermutlich die letzte Person war, der es gelungen war, den Family Circle noch lebend zu verlassen. Während er gesprungen war, kämpften an anderer Stelle auf dem Balkon noch viele Menschen weiter verzweifelt um ihr Leben.

Verlassen des Gebäudes


In der Lobby räumten Sweeny, District Engineer Farley und seine Feuerwehrleute sowie Cain und die anderen Polizeibeamten endlich die Treppen, um hoch zu den Türen am Dress Circle zu gelangen, wo der Verbindungsflur zu den Treppen auf der Gallery lag. Sie versuchten, dorthin zu gelangen, wurden aber durch dichten Rauch aufgehalten. Sie konnten keine Regungen und auch keine menschlichen Laute mehr wahrnehmen. Sie riefen hinauf, erhielten aber keine Antwort. Farley befahl, den Dress Circle ein letztes Mal zu überprüfen, aber es konnte keine Aktivität festgestellt werden. Auch im Auditorium, das mittlerweile lichterloh in Flammen stand, waren keine Lebenszeichen zu erkennen. Farley ging davon aus, dass das Gebäude evakuiert zu sein, bis auf einige wenige Nachzügler. Er wollte weder sich selbst noch andere unnötigen Risiken aussetzen und befahl deshalb, das Gebäude zu räumen. Innerhalb von Minuten erschienen Risse an den Außenwänden des Theaters zur Johnson Street hin, wo auf der Innenseite das Zentrum des Feuersturms wütete. Gegen 11:45 Uhr, weniger als eine halbe Stunde, nachdem J.W. Thorpe eine Flamme entdeckt hatte, die nicht größer als seine Hand war, brach der Teil des Gebäudes an der Johnson Street in sich zusammen und eine Brise frischer Luft strömte hinein, die die Flammen erneut nährte. Jeder, der später noch über Erlebnisse aus dem Innern des Gebäudes berichten konnte, hatte dieses mittlerweile verlassen.


Warten auf das Ende der Flammen

Thomas Nevins, der Leiter des Brooklyn Fire Department, erreichte das Theater gegen 11:26 Uhr, er erklärte das Gebäude sofort als verloren und dass es nun sein Job sei, eine Ausweitung des Feuers zu verhindern. Das "Dieter Hotel", welches an der Ecke Washington / Johnson Streets lag, war niedriger als das Theater, sein breites Flachdach bot sich als Ziel für die brennenden Trümmer förmlich an. Die Erste Polizeiwache südlich vom Theater war ein altes Backsteinhaus mit trockenen, hölzernen Stützbalken. Baufällige Holzhäuser befanden sich auch den Block hinunter entlang der Flood's Alley gegenüber vom brennenden Theater. Zu diesem Zeitpunkt kam der Wind aus westlicher Richtung und trug Rauch und Asche nach Osten und ließ Glut auf diese alten Häuser herunterregnen. Das Postamt, südlich der Polizeiwache, war gefüllt mit Papier-Post. Nevins rief bereits einen zweiten und einen dritten Alarm aus, während er noch auf dem Weg zum Feuer war. Als die Feuerspritzen eintragen, ließ er sie um den Häuserblock herum aufstellen, um die angrenzenden Gebäude von Funken und brennenden Trümmern freizuhalten. Gegen Mitternacht hatte das Feuer seinen Höhepunkt erreicht und etwa 5.000 Schaulustige angezogen. Es brannte bis 1:00 Uhr in der Nacht nahezu unkontrolliert und in den frühen Morgenstunden stürzten auch die Wände entlang der Flood's Alley ein und begruben die Allee unter Trümmern. Um drei Uhr schließlich begann sich das Feuer schließlich aufzuzehren. Nevin vermutete, dass die Feuersbrunst nunmehr zumindest teilweise unter Kontrolle war.

Viele der Überlebenden waren vorübergehend in der Polizeiwache untergekommen. Kate Claxton wurde dorthin gebracht, nachdem ein Reporter des "Brooklyn Eagle" sie benommen am Ausgang zur Washington Street entdeckt hatte. Nur gehüllt in ihr dünnes Theaterkostüm, mit dem sie eine mittellose Waise dargestellt hatte, betrat sie die Wache. Sie konnte sich an Einzelheiten des gewaltigen Desaster zunächst nur in kleinen unzusammenhängenden Stücken erinnern. Nachdem sie zunächst still im Büro von Captain Smith gesessen hatte, beklagte sie plötzlich den Verlust einiger verlorener Kleidungs- und Schmuckstücke sowie einer Jacke aus Seehundsleder. Später stellte sie den Verlust ihrer Geldbörse fest und befürchtete, nun selber von der Armut heimgesucht zu werden. Von Zeit zu Zeit betraten Personen das Büro und sie fragte sie nach dem Verbleib von H.S. Murdoch, dem Schauspieler, der in den letzten Minuten zusammen mit ihr auf der Bühne war und der danach noch in seiner Garderobe geeilt war, um seine Straßenkleidung zu holen. Keiner hatte ihn jedoch gesehen und sie flehte den Anwesenden an, nach ihm Ausschau zu halten. Endlich wurde ein wasserdichter Mantel für sie gefunden und sie wurde zu ihrer Unterkunft im Pierrepoint House gebracht. Es gibt spätere Berichte, wonach sie im City Hall Park aufgefunden worden sein soll, sich aber nicht daran erinnern konnte, wie sie dort hin gelangt war.

Trotz der großen Anzahl an Menschen, die nach dem Verbleib anderer Menschen fragten, schien die wichtigste Information in diesen frühen Morgenstunden zu sein, dass die Besucher lebend der Katastrophe entkommen waren. Unter den Polizeibeamten und Feuerwehrmännern verbreitete sich diese Meinung, die von District Engineer Farley stammte: keiner war bei den Inspektionen im Parkett oder auf dem Parquet Circle gesehen worden. Keiner war auf dem Dress Circle gesehen worden. Es stimmte natürlich, dass keiner persönlich die Gallery überprüft hatte, aber Leute hatten nach oben gerufen und von dort keine Antwort erhalten und auch keine Geräusche von Bewegungen wahrgenommen. Deshalb neigte man dazu, das Beste anzunehmen. Als Charles Vine sich über die Gallery des Family Circle fallen ließ, kämpften immer noch hunderte von Menschen auf der Treppe, aber Vine hatte medizinische Hilfe wegen seiner tiefen Schnittwunden in Anspruch genommen, so dass das, was er wusste, nicht allgemein bekannt war. Als die Morgenzeitungen gedruckt wurden, war noch keine Rede von Todesopfern. Kurz nach 03:00 Uhr früh unternahm Chief Neviens seinen ersten Versuch, in die Eingangshalle vorzudringen, wo keiner mehr gewesen war, seitdem District Chef Farley diese über drei Stunden zuvor verlassen hatte. Vor den Türen, die in die Lobby führten, fand er die Leiche einer Frau, deren Beine teilweise weggebrannt und deren Gesicht und Arme entstellt waren. Sie saß aufrecht mit dem Rücken an die südliche Wand gelehnt. Nevins erwartete danach, dass er noch mehr Leichen finden würde. Er informierte zunächst nur seine Senior District Engineers, um zu vermeiden, dass jene Menschen, die ihre Angehörigen suchten, unkontrolliert in das einsturzgefährdete Theater stürmten.

Nachwirkungen

Die nächste Inspektion wurde nicht vor Sonnenaufgang unternommen. Chief Nevins hatte seine District Engineers damit beauftragt, die Mannschaften sich zunächst ausruhen zu lassen. Mit Ausnahme eines kleinen Abschnittes der Eingangshalle war ein Großteil des Gebäudes bis in den Keller hinein eingestürzt und hatte solange gebrannt, bis alles hölzerne Baumaterial erschöpft war. Auf den ersten Blick schien eine große Menge an Schutt und Müll in dem Keller zu liegen, auf den die Eingangshalle gestürzt war. Bei näherem Hinsehen entdeckte man aber zahlreiche menschliche Überreste, eine große Menge an Menschen, die hinabgefallen und in unnatürlichen Positionen liegengeblieben und dann verbrannt waren. Diese stammten hauptsächlich von der Gallery und von den Treppen, die im einstigen Gebäude oberhalb der Eingangshalle an der Südwand entlang hinab geführt hatten.

Die Bergung dieser Überreste sollte einen Großteil der nächsten drei Tage in Anspruch nehmen. Es war eine langsame Arbeit; der Zustand der Leichen war so, dass sie bereits bei geringsten Bewegungen auseinanderbrachen, viele waren außerdem zerquetscht oder zerstückelt. Der damalige Stand der forensischen Wissenschaft ließ es bei diesen Bedingungen noch nicht zu, die exakte Anzahl an Leichen zu ermitteln. An vielen Leichen fehlten Teile, die vermutlich bei dem Einsturz der Gallery abgerissen und verstreut worden waren und ihre Gesichter waren häufig bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, es war schwierig zu ermitteln, wie viele Menschen sich hinter der Ansammlung von Gliedern, Köpfen und Rümpfen tatsächlich verbargen. Die Leichen konnten nur langsam geborgen werden. Die vorhandenen Kapazitäten in der städtischen Leichenhalle waren bald erreicht, so dass außerdem eine ungenutzte Markthalle an der Adams Street umfunktioniert wurde. Am Freitag, dem 8. Dezember berichtete Coroner Simms, dass 293 Leichen aus den Überresten des Theaters geborgen worden waren. Diese Zahl war aber nicht abschließend und verbindlich. Später gab er in seinem eigenen Coroner's Report 283 Todesfälle an. Der Gedenkstein auf dem Green-Wood Friedhof schließlich bezifferte viel später die Zahl der Toten mit 278.

Der Bericht des Untersuchungsrichters (Coroner's Report)

Der Untersuchungsrichter im King's County, Henry C. Simms, berief einen Ermittlungsausschuss ein, der zwischen Dezember 1876 und Januar 1877 Zeugen des Unglücks befragte. Als er Ende Januar 1877 veröffentlicht wurde, wurden vor allem Vorwürfe gegenüber den Theatermanagern Sheridan Shook und A. M. Palmer erhoben. Die Jury machte Shook und Palmer dafür verantwortlich, dass es keine geeigneten Vorkehrungen gegen Feuer gab, dass die Bühnenarbeiter nicht in der Feuervermeidung und -bekämpfung ausgebildet waren, dass es keine klare Kette von Anweisungen von der Theaterleitung gab, die es stattdessen zugelassen hatte dass die Bühne mit Kulissen überladen war und dass das Feuerbekämpfungs-Equipment und die vorhandenen Notausgänge nicht in einem funktionsfähigen Zustand erhalten wurden. Dagegen konnte man bei der Planung des Gebäudes weniger Fehler ausmachen, sicherlich in dem Bewusstsein, dass der fünf Jahre alte Bau besser mit Ausgängen bestückt war als die meisten anderen öffentlichen Gebäude der Stadt in der damaligen Zeit. Kritikwürdig aber waren die Treppen, die zum Family Circle führten und der Zuschauerraum, in dem eine Feuerschutzwand (z.B. ein Eiserner Vorhang) zwischen den Zuschauern und der Bühne fehlte. Bei der Bekanntgabe des Urteils teilte die Jury mit, dass der Tod der meisten Zuschauer durch Ersticken in dem dichten Rauch verursacht wurde, der die Gallerie eingehüllt hatte, wahrscheinlich wenige Minuten nachdem Charles Vine sich vom Family Circle auf den Balkon darunter hatte fallen lassen.

Der Bericht des Feuermarschalls

Police Fire Marshall Patrick Keady befragte 62 Personen, die direkt mit dem Feuer in Verbindung standen, in der Woche die auf die Feuersbrunst folgte und lieferte seinen Bericht am 18. Dezember 1876 ab. Darin wurden schwere Vorwürfe wegen der fehlenden Verwendung von Wasser zur Brandbekämpfung erhoben, zum Beispiel durch Herbeiholen eine zweieinhalb Zoll-Spritze angeschlossen an einen Hydranten in der Nähe der Bühne. Weitere Vorwürfe richteten sich gegen die Leitung des Theaters durch Shook und Palmer, die im Vergleich mit dem Management bis hin zu Sara Conway's Tod eine gewisse Laxheit aufwies. Mehrere Zeugen gaben an, dass Conway darauf bestanden hatte, dass mit Wasser gefüllte Eimer an zahlreichen Plätzen hinter der Bühne und im Bereich des Schnürbodens aufgestellt waren und dass der Feuerwehrschlauch regelmäßig gewartet wurde. Mike Sweeny konnte sich im Gegensatz dazu nur einmal erinnern, dass der Schlauch benutzt worden war und er war sich nicht sicher über seinen Zustand am Tag des Feuers; viele seiner Kollegen meinten, dass er Löcher hatte und oben auf der Painters Gallery oberhalb der Bühne aufbewahrt wurde.

Spätere Reaktionen

Als unmittelbare Ursache für die Feuersbrunst wurde durch die Brooklyner Polizei und Feuerwehr die Fahrlässigkeit der beiden Theaterleiter, namentlich Shook und Palmer, verantwortlich gemacht. Später, als das 20. Jahrhundert sich näherte, wurden Praktiken bei Theater-Produktionen, die in den 1870ern noch als akzeptable Risiken eingestuft waren, kritischer geprüft. Bereits kurze Zeit nach dem Feuer begann der "New York Mirror" mit einer Kampagne, um viele übliche Theaterpraktiken entweder verbieten oder regeln zu lassen. Diese Agitation führte schlußendlich zu den 1880er Feuerschutzvorschriften, die die Verwendung der Bühne als Werkstatt für Kulissen und Szenenelemente ebenso verboten wie die Lagerung von Gemälden, Holz und Baumaterial auf der Bühne und eine Verbreiterung der Theaterausgänge vorschrieben. Zu Beginn des 20. Jahrhunders forderten die zusammengefassten Bauvorschriften von New York City Veränderungen und Ergänzungen wie zum Beispiel eine solide Ziegelwand als Bühnenumrahmung, die sich vom Keller bis zum Dach erstreckte, um die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass ein Bühnenfeuer auf den Zuschauerraum übergriff. Jegliche Öffnungen in der Wand, solche wie die große Öffnung für den Bühnenbogen selbst erforderten besondere Feuerschutzmaßnahmen. Die Bühnenbögen wurden mit nichtentflammbaren Feuerschutzvorhängen versehen, andere Öffnungen in der Bühnenwand waren mit selbstschließenden Feuerschutztüren auszustatten. Sprinkler-Systeme, die auf Hitze reagierten, wurden für den offenen Raum oberhalb der Bühne, in dem die Kulissen hingen vorgeschrieben. Zum Zeitpunkt des Jahrhundertwechsels wurde die Anwesenheit uniformierter Feuerwehrmänner zur Pflicht für jede Theaterproduktion in der Stadt. Der sogenannte "Theatre Detail Officer" hatte eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung die Feueralarme auf Funktionsfähigkeit zu überprüfen, die Feuerschutztüren und den Feuerschutzvorhang zu inspizieren und während der laufenden Vorstellung sicherzustellen, dass Gänge, Durchgangswege und Ausgänge offen und zugänglich blieben.

Postscriptum


In Erinnerung an das Feuer schrieb Kate Claxton etwa neun Jahre später folgendes: "Wir dachten, dass es das Beste wäre, wenn wir unser Spiel fortsetzten, in der Hoffnung, dass das Feuer wieder ohne weitere Schwierigkeiten gelöscht würde oder dass das Publikum dadurch das Theater allmächlich und in Ruhe verlassen würde. Die Ereignisse haben aber gezeigt, dass dieser Weg nicht der richtige gewesen ist. Der Vorhang wäre besser geschlossen worden, bis die Flammen gelöscht waren. Oder als sich herausstellte, dass es unmöglich war, mit ihnen fertigzuwerden, hätte man dem Publikum mitteilen sollen , dass einige Schauspieler unter Unwohlsein leiden würden oder dass unglückliche Umstände hinter der Bühne eine Unterbrechung des Schauspiels erfordern würden und das sie den Zuschauerraum so ruhig wie möglich verlassen sollten. Das Öffnen des Vorhangs dagegen hatte einen Luftzug entstehen lassen, durch den die Flammen erheblich geschürt wurden. " (Kate Claxton in der New York Times vom 30. November 1885).

1879 wurde auf dem Grundstück "Haverly's Theatre" errichtet, aber schon 11 Jahre später wieder abgerissen, um Platz für die neuen Büros des "Brooklyn Daily Eagle" zu schaffen. Nachdem der Eagle in der Mitte des 20. Jahrhunderts seine Produktion eingestellt hatte, wurde die gesamte Umgebung im Rahmen eines Stadterneuerungsprojekts umgestaltet und den Namen Cadman Plaza erhielt. Der ungefähre Standort des Brooklyn Theaters befand sich nördlich vom "New York Supreme Court Building" auf eine Fläche, wo heute Bäume stehen.



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Quellen:

http://en.wikipedia.org/wiki/Brooklyn_Theater_Fire

http://en.wikipedia.org/wiki/Kate_Claxton
http://www.picturehistory.com/product/id/24958

Ein Unglück, welches viele Parallelen zu den Geschehnissen in Brooklyn aufweist, ereignete sich ziemlich genau 5 Jahre später am 08.12.1881 in Wien beim sogenannten Ringtheaterbrand. Wer vergleichen möchte, kann hier mehr finden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ringtheaterbrand

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