Zeit, die angefangene Serie über Kleindeutschland fortzusetzen. Egal welchen Artikel man im Zusammenhang mit Kleindeutschland oder Little Germany öffnet, man fällt auch immer wieder über den Namen der "General Slocum", die mit diesem verschwundenen Stadtviertel durch die tragischen Ereignisse vor 107 Jahren auf ewig fest verbunden ist.
Grund genug, nochmal zwei Links zu diesem Thema zu schalten, ein sehr präziser deutschsprachiger Beitrag und ein englischsprachiger, den ich auf der Seite von Maggie Blanck entdeckt habe.
Ich kann machen, was ich will, irgendwie lande ich im Moment bei der Suche nach Material immer wieder auf der Seite von Maggie Blanck. Dann soll es eben so sein. Ich greife direkt mal ein Thema von dort auf, das mir ganz interessant aussieht.
Diese Postkarte mit dem Titel "The Ghetto" zeigt die Rivington Street zu einem unbekannten, aber schon länger vergangenen Zeitpunkt. "Dieses Viertel, auf der Ostseite gelegen, ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete in der Stadt. Die engen Gassen sind mit Straßenhändlern gefüllt, die mit allen Arten von Lebensmitteln handeln. Elektrische Straßenbahnen durchqueren nur selten die Straßen, die altmodischen Pferdeomnibussse sind dagegen noch häufiger anzutreffen, wenn sie sich langsam durch die engen Straßen bewegen."
Auf dieser mit Google Maps generierten Karte habe ich die Rivington Street mit rot eingezeichnet, damit man eine Vorstellung hat, wo wir uns befinden. Die Straße verläuft quer durch Manhattan und erstreckte sich im östlichen Teil vermutlich noch weiter hinunter bis zum East River hin, ist dort allerdings durch neuere Bauprojekte verschwunden.
Wie man hier auf dem sieht, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Dort wo die Häuser einst standen (A), um die es in Kürze gehen wird, sind in der jüngeren Vergangenheit größere Veränderungen über das Viertel einhergegangen.
Die folgenden Bilder stammen aus der Privatsammlung einer Mary Canzler und wurden ebenfalls bei Maggie Blanck veröffentlicht. Dort sieht man die oben angekündigten beiden Häuser mit den Hausnummern 246 und 248 Rivington Street.
Mary Canzler schrieb dazu: "Mein Ur-Ur-Großvater Philipp Meckel wanderte irgendwann um die Jahre 1865-1870 von Deutschland her ein, arbeitete hart und machte genug Geld, um es seiner Verlobten, Katharina Knapp zu schicken, damit sie nachkommen und seine Frau werden konnte. Er leistete außerdem eine Anzahlung auf zwei nagelneue Häuser, 246 und 248 Rivington Street. Jedes war vier Stockwerke hoch und verfügte über zwei Geschäftslokale im Erdgeschoss.
Mein Großvater, Michael Koch, eröffnete einen Friseurladen in einem der zwei Läden im Haus Nummer 248 irgendwann um die Jahre 1890 bis 1892. Danach gewann er Hand und Herz von Phillipp's Tochter Elizabeth und sie heirateten. Zu jener Zeit war Philipp der Inhaber von "Meckel's Orange County Dairy" (dairy = Molkerei) und war einer der Gründerväter von New Yorks Molkereigenossenschaft. Er holte die Milch an einer Eisenbahnstation an der 11th Avenue ab. Ein Cousin (oder möglicherweise auch Neffe) von Philipp kam herüber nach Amerika, als seine Mutter gestorben war. John Meckel war zuvor Koch im Offizierskasino in der deutschen Armee gewesen und er arbeitete in der Molkerei, wo er "creamed pickled herring" (Sahneheringe) und Pot Cheese (Hüttenkäse) herstellte. Philipp starb 1904 und Michael übernahm die Leitung des Molkereigeschäfts, wobei er den Namen von "Meckel Dairy" in "Koch Dairy" umänderte und einen Lebensmittelhandel hinzufügte. Nachdem auch Michael verstorben war, kaufte ein Mann namens "Joe Rempe" das Geschäft. Ich glaube, dass es eine Verbindung zu Joe über die Heirat von Philipp Meckels Sohn Philip P. mit Mary M. Rempe gab. Es erscheint möglich, dass Joe Mary's Bruder war, denn ich kann mich an einen Onkel Joe aus meiner Kindheit erinnern, ich ein junges Mädchen und er schon mächtig alt.
Von den Menschen auf den beiden Fotos kommt mir keiner bekannt vor, vielleicht sind hier nur zufällig Vorbeigekommene für einen Moment der Ewigkeit festgehalten worden. Die Gebäude an der Rivington Street bleiben in Besitz der Koch-Familie bis ungefähr 1956, so wie sie meine Großtante Marie und mein Großonkel Philip (Bruder und Schwester) geerbt hatten. Ein Gebäude könnte bereits verkauft gewesen sein, aber es befand sich immer noch in den Händen der Familie, wenn auch nicht mehr für lange. (...) Ich habe den traurigen Verdacht, dass ich diese Gebäude abgerissen vorfinde, wenn ich im Frühjahr meine Reise unternehme, und irgendetwas neues hässliches an ihrer Stelle. " (2006).
Mit der Befürchtung hat Mary Canzler nicht ganz unrecht gehabt, der Google Street View auf die aktuelle Situation an der Adresse 248 Rivington Street bestätigt die Vermutungen. Die ersten zwei Bilder zeigen die Nordseite der Rivington Street und den mutmaßlichen Standort der Häuser.
Auf dem dritten, gen Süden gerichteten Bild sieht man die Auffahrt zur Williamsburg Bridge im Hintergrund.
Von derselben Quelle namens Mary Canzler stammt noch eine weitere wunderbare alte Aufnahme, die uns von der Eastside weg- und stattdessen in die Bronx hinaufführt.
Mary Canzler hat hierzu folgendes geschrieben: "Die Bäckerei von Großvaters Bruder, Paul Canzler. Paul ist auf dem Foto sitzend (vor dem Eingang) abgebildet und seine Frau Anna Klamt steht hinter ihm. Seine beiden Töchter Martha und Elsie (die Jüngere) sitzen auf dem Bordstein. Die übrigen sind nicht identifiziert. Das Photo könnte etwa 1899 - 1900 aufgenommen worden sein. Das Foto stammt von Judy Craghead, die Paul's Großenkelin aus Oregon ist. (...) In den 1920ern waren Paul und seine Familie nach Portland, Oregon, umgezogen, wo er die Cottage Bakery eröffnete." (2006)
Paul Canzler's Vienna Bakery, 146 E 43nd Street, Bronx, NY
Judy Craghead ergänzte: "Ich denke, dass die beiden jungen Männer Annas Brüder Richard und August Klamt sind, denn sie wurden in der New Yorker Volkszählung von 1900 ebenfalls als Bäcker aufgelistet."
Ein Jahr später in 2007 schickte Judy Craghead noch ein zweites Foto:
"Eine weitere New Yorker Bäckerei im Besitz von Paul Canzler und seinem Bruder Julius. Sie befand sich entweder in Manhattan oder in der Bronx. Paul ist der zweite von rechts mit seiner Ehefrau Anna und Annas Mutter Annie Klamt. Sein Bruder Julius ist links außen zu sehen."
Zum Ende komme ich nochmal auf die Ecke Allen Street / Delancey Street zurück, die ich im ersten Teil von Kleindeutschland schon mal kurz erwähnt hatte und die im zweiten Teil über die Drehorte des Films "Leon der Profi" sehr ausführlich beleuchtet wurde.
Von dieser Kreuzung, über die einst die 2nd Avenue Elevated Railway verlief, habe ich noch zwei alte Fotografien aus dem Jahr 1907 bei Maggie Blanck entdeckt. Offenbar hat man seit den Aufnahmen nicht nur die Hochbahn abgerissen, sondern auch die Delancey Street um einiges breiter gemacht, als sie einst gewesen ist.
Fortsetzung Kleindeutschland folgt.
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