Nun ist es mal an der Zeit, den feinen Link aufzugreifen, den Mike von NYC Total mir vor einigen Wochen geschickt hat und der mich auf die Spur der Bildersammlung im Museum der Stadt New York gebracht hat. Der letzte von Mike angeregte Beitrag über Andreas Feininger hat sich ja inzwischen schon bis in die Top Ten der beliebtesten Beiträgen hochgearbeitet. Mal schauen, wie weit dieser hier kommt :-)
Angesichts der vielen spektakulären Verkehrsmittel in New York (Hochbahnen, Untergrundbahnen, Pferdeomnibusse, Kabelbahnen, Straßenbahnen, Yellow Cabs, Eisenbahnen, Seilbahnen und und und) übersieht man leicht, das auch das praktischste Einpersonenverkehrsmittel in der Stadt eine Rolle spielt, nämlich das Fahrrad. Und das nicht nur im New York der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit der Stadt. Die nun folgende kleine Fotosammlung nimmt uns mit in die Geschichte des Fahrradfahrerei in New York City.
http://www.huffingtonpost.com/lacy-schutz/bicycling-in-new-york-city_b_860531.html#s270504Die erste Aufnahme stammt ungefähr aus dem Jahr 1890 und zeigt einen Night Messenger, also einen Nachtboten. Nachtboten waren minderjährige Jungen, die Telegramme für die Telegraphenämter auslieferten und nebenbei noch kleine Aufträge erfüllten wie das Holen von Zigaretten oder das Überbringen von Nachrichten. Aktivisten gegen die Kinderarbeit waren besorgt, dass die Jungen häufig unmoralischen Teilen der Gesellschaft ausgesetzt waren. So führten sie ihre Aufträge auch in Bordelle und Nachtclubs und sie wurden dort oft gebeten, illegale Substanzen zu überbringen oder abzuholen. New York war einer der ersten Staaten, in denen Gesetze initiiert wurden, um zu verhindern, das Personen in einem Alter unter 21 Jahren als Nachtboten nach 10:00 Uhr abends eingesetzt wurden.
Auf diesem Foto von 1893 sehen wir einen Mann mit seinem Fahrrad auf dem Riverside Drive. Der Riverside Drive ist eine Straße, die an der Westseite von Manhattan über zahlreiche Kilometer am Hudson River entlangführt.
Obwohl es schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert diverse zwei-, drei- und vierrädrige von Menschen angetriebene Fahrzeuge gegeben hatte, gewann das Zweirad oder Fahrrad erst in den 1860ern an Beliebtheit. Die Anfänge liegen ziemlich im Dunkeln, aber es ist sicher, dass die ersten Patente in Frankreich vergeben wurde. "Michaux et Cie" war die erste Fabrik, in der Fahrräder als Massenware produziert wurden.
Diese Aufnahme zeigt erneut den Riverside Drive, dieses Mal im Jahr 1896 am (Hotel) Clermont. Zu jener Zeit hatte das Fahrrad durchaus an Popularität in den Vereinigten Staaten gewonnen. 1897 waren bereits mehr als zwei Millionen Fahrräder verkauft worden, bereits jeder dreißigste Einwohner besaß eines. Hier noch eine weitere Aufnahme vom Clermont:
Einen ganz besonderen "Leckerbissen" sehen wir auf dem nächsten Foto.
Auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 1896 wird der Sieger eines Wettbewerbs präsentiert, bei dem die schönste Fahrradfahrer-Bekleidung ermittelt wurde. YES! Neben "Best Bicycling Costume Contests" für Herren und Damen gab es damals aber natürlich auch schon die beliebten Fahrradrennen.
Wir bleiben im Jahr 1896 und landen in einem alten Bekannten: dem Madison Square Garden II, der hier - wie man sieht - Schauplatz einer Fahrradausstellung war: "The Great Bicycle Exhibition", die jeden Tag mehr als 15.000 Besucher anzog.
Die New York Times bescheinigte dem Stand der Firma Fowler "fromschönes Design" mit weißem Satin, violettem Samt und Spiegeln. Das Poster auf der linken Seite, auf dem man "Sandow rides a Fowler" (Sandow fährt ein Fowler) lesen kann, zeigt, dass auch schon im vorletzten Jahrhundert gerne Werbung mit bekannten Personen gemacht wurde, hier dem starken Mann und Vater der Bodybuilding-Bewegung Eugen Sandow.
Wir kehren zurück auf den Riverside Drive, offenbar einst eine beliebte Strecke für Radfahrer in New York, immer noch im Jahr 1896. Der markante Kuppelbau im Hintergrund ist Grant's Tomb. Wer sich noch an den zweiteiligen Artikel über die ehemalige Krebsklinik am Central Park erinnern kann, weiss, dass hier Ulysses S. Grant begraben liegt, der berühmte General und Veteran aus dem nordamerikanischen Bürgerkrieg und später 18. Präsident der Vereinigten Staaten.
1895 berichtete die New York Times darüber, dass ein Herbert Luey aus Brooklyn ein bescheidenes Radfahrerkostüm geschaffen hatte, das es Frauen erlaubte, dem beliebtem Zeitvertreib ebenfalls zu frönen, ohne das Beschwerden wegen eines zu maskulinen Outfits drohten. Der geschickt geschnittene Hosenrock, der von einem normalen Rock nicht zu unterscheiden war, wurde unter dem Spitznamen "Natty" der letzte Schrei in der damaligen Mode.
Fahrräder spielten eine große Rolle bei der Entwicklung der "Neuen Frau", einem Begriff, der Frauen beschrieb, die die traditionelle Rolle in der Gesellschaft ablehnten, sich Arbeit außerhalb ihres Zuhauses suchten und / oder politisch aktiv wurden. Das Fahrrad ermöglichte einen bezahlbaren Weg für diese Frauen, um sich fortzubewegen und sich zugleich von den restriktiven Bekleidungsnormen der damaligen Gesellschaft zu lösen.
Hier sehen wir eine Straßenszene auf Long Island im Jahr 1898. Fahrradfahrende Frauen löste in der damaligen Gesellschaft die Angst aus, dass ihre Körper und ihre Konstitution nicht für solche anstrengenden Aktivitäten geschaffen waren. Diese Sorge bezog sich natürlich nur auf die Aktivität, die den Frauen erlaubte, ihre persönliche Freiheit zu vergrößern, nicht aber darauf, dass sie an langen Arbeitstagen in den Fabriken der Stadt schufteten. Aktivistinnen wie Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton setzten das Fahrrad als eine Waffe im Kampf für die Frauenrechte ein.
Hier sehen wir Radfahrer bei einer Versammlung der Heilsarmee auf Coney Island im Jahr 1897. Der "Ocean Parkway Bicycle Path" (Ocean Parkway Fahrradweg) verläuft immer noch zwischen Prospect Park in Brooklyn und Coney Island. Es handelt sich um den ältesten Fahrradweg der amerikanischen Nation und er wurde am 15. Juni 1895 mit einer Parade von 10.000 Fahrradfahrern eröffnet.
1898 sehen wir hier Fahradfahrer auf dem Broadway. Fahrrad-Clubs waren im späten 19. Jahrhundert sehr beliebt und standen sowohl für etablierte Gruppen als auch für neue Einwanderer zur Verfügung. Die Zugänglichkeit der Fortbewegungsmaschinie demokratisierte eine bestimmte Form von Freizeitvergnügen und die Clubs organisierten häufig Aktivitäten über gemeinsame Fahrten hinaus wie Tees und Spiele.
Das Fahrrad erfuhr aber auch noch Popularität auf einem anderen Weg, nämlich als Requisit in der Zirkuswelt. Hier sehen wir 1900 den Artist Professor Fourcher auf dem Exemplar, mit dem er damals durch die Vaudevilles tourte.
Stunt Cycling wurde zu einer beliebten Attraktion der Unterhaltungsshows. Auf der Aufnahme oben, die etwas um das Jahr 1901 entstand, sehen wir die Fahrradshow von Benjamin Franklin Keith "live on stage".
1905 entstand die Aufnahme von A. Max Schreyer, genannt "Dare Devil" Schreyer, einem weiteren beliebten Fahrradartist des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, der in den 1910s bis zu 1.000 Dollars pro Auftritt erhielt. Allerdings ging 1919 ein Stunt, den er im Van Cortlandt Park in der Bronx aufführte, böse daneben, so dass er infolge der dabei erlittenen schweren Verletzungen wenige Tage später starb.
Zum Abschluss noch einmal Prof. Fourcher im Jahr 1900 mit einem tollkühnen Handstand auf Lenker und Sattel. Respekt, ich würde mir wohl alle Knochen brechen, wenn ich das nachahmen wollte.
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