Diesen Beitrag wollte ich eigentlich schon vor zwei oder drei Wochen schreiben, als es draußen richtig lausig kalt war. Hat leider nicht ganz geklappt, also schick ich den jetzt mal hinterher, an der Grenze zwischen Sommer und Herbst. Letztes Wochenende hatte es ja fast noch was von einer Hitzewelle. Das Foto oben entstand im Juli 1912 in New York.
Quellen:
http://ephemeralnewyork.wordpress.com/tag/heat-wave-1899/
http://ephemeralnewyork.wordpress.com/2010/07/07/when-heat-waves-killed-city-residents/
http://theboweryboys.blogspot.com/2011/07/hot-as-hell-surviving-deadly-heat-wave.html
http://ephemeralnewyork.wordpress.com/2009/07/23/how-new-yorkers-survived-summer-nights/
Der Umgang der Menschen mit Hitzewellen hat sich in den letzten hundert Jahren nicht groß geändert. Ok, große Eisblöcke zum kollektiven Ablecken zur Verfügung stellen wie oben, das würde heute vermutlich nicht mehr auf dieselbe Gegenliebe stoßen wie 1912.
Aber die Jacken ausziehen und sich wie hier im Battery Park in den Schatten der Bäume zurückziehen und erst mal eine Siesta einlegen, solche Bilder wird man auch in der Gegenwart finden. Und wer keinen Swimmingpool findet, der kühlt sich im Becken eines Springbrunnens ab, zum Beispiel dem im Madison Square Park:
Die zuvor gezeigten drei Bilder entstammen aller der Sammlung von "Bain News Service", auch die übrigen zwei sind wohl Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden.
Wir werfen jetzt mal einen Blick auf eine Hitzewelle, die New York vor 112 Jahren erwischt hat, also im Jahr 1899:
Schwere Hitzewellen sind für die Stadt New York nicht unbekannt. Aber dank der Erfindung von Klimaanlagen müssen die Zeitungen keine täglichen Listen von "Heat Prostations" mehr drucken, die dokumentierten, wieviele dutzend Bürger durch das heiße Wetter niedergestreckt worden waren. Im Archiv der New York Times habe ich einen Artikel entdeckt, der über einen heißen Tag im Juni 1899 und dessen Folgen berichtet:
Isaac Shapiro, ein 58jähriger Mann, wohnhaft im Haus Nummer 292 Division Street, wurde vor seinem Heim überwältigt und in das Gouverneur Hospital eingeliefert.
James O'Mara, zwanzig Jahre alt und wohnhaft in einem Mietshaus an der Ecke Broome Street und Bowery, fuhr einen Lastkraftwagen auf Höhe des Hauses 117 Spring Street, wals er von der Hitze überwältigt wurde. Er kam in das St. Vincent's Hospital.
Eine unbekannte Frau, ärmlich gekleidet und etwa sechzig Jahre alt, wurde gestern abend von dem Polizisten McGrath (138th Street Station) bewußtlos an der Ecke Locust Avenue und 133rd Street aufgefunden. Die Frau schien von der Hitze überwältigt worden zu sein und wurde in das Harlem Hospital verbracht.
Auch schon vorher machte die Hitze den Menschen selbstverständlich zu schaffen. Dieses kann man zum Beispiel auf der nachfolgenden Zeichnung aus der Sammlung der NYPL Digital Gallery erkennen, die 1868 veröffentlicht wurde und Menschen zeigt, die sich nach einem heißen Tag auf den Hafenanlagen erholen.
Wir springen jetzt wieder ein Stück in der Zeit voran und erreichen das Jahr 1911, als New York von einer äußerst schweren und vielfach auch tödlichen Hitzewelle getroffen wurde:
Auf dem nachfolgenden Bild sieht man eine Gruppe kleiner Mädchen, die Schutz im Schatten eines Gebäudes gesucht hat.
Die Schlagzeile der New York Tribune am 07. Juli 1911 sagt eigentlich alles: "Die Sense der Hitze mähte am fünften Tag 56 nieder".
Die Stadt befand sich damals in der Mitte einer verheerenden Hitzewelle, die den gesamten Nordosten der USA während der ersten zwei Wochen im Juli 1911 erwischt hatte. Es gab kaum Fluchtmöglichkeiten, um den sengenden Temperaturen in den beengten Mietskasernen zu entkommen. Die Strände von New York boten zwar ein wenig Erfrischung, aber um dorthin zu gelangen, musste man sich zunächst in ein schwüles Zugabteil zwängen. Klimaanlagen waren erst kurz zuvor erfunden worden und daher noch kaum verbreitet.
Zwar brach das Thermometer in New York nicht die Rekordmarken, wie sie in Washington oder Boston gemessen wurden (mehr als 100 Grad Fahrenheit, also oberhalb von 38 Grad Celsius). Aber die hohe Luftfeuchtigkeit erwies sich als tödlich und die Stadt war zu überfüllt und für solch schwierige Bedingungen nur sehr schlecht vorbereitet.
Die Informationstabelle aus der Tribune offenbart die schrecklichen Folgen der Hitze und die in der Schlagzeile erwähnte Zahl von 56 Hitzetoten an einem Tag wird hier bestätigt:
Die Informationstabelle aus der Tribune offenbart die schrecklichen Folgen der Hitze und die in der Schlagzeile erwähnte Zahl von 56 Hitzetoten an einem Tag wird hier bestätigt:
Bevor wir weiter dem Text folgen sollten alle, die bisher noch nicht in New York U-Bahn gefahren sind, wissen, dass der Aufenthalt auf den unterirdischen Bahnsteigen mitunter schweißtreibend sein kann. Dort trifft man häufiger auf hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, wenn draußen das Wetter noch völlig normal ist. Die U-Bahnzüge selber sind im Gegensatz dazu von innen meistens recht forsch klimatisiert. Dazu gibt es hier Informationen:
1911 waren die Züge der New Yorker Subway noch nicht klimatisiert. Mit diesem Wissen nun weiter im Text:
Natürlich war auch die neue U-Bahn kein Ort, an dem man sich aufhalten konnte. Passagiere, die von der Brooklyn Bridge zur Grand Central Station reisen wollten, mussten eine 45minütige Fahrt ertragen und einige Reisende wurden währenddessen ohnmächtig. Andere aber fanden Rückzugsorte im Untergrund, die geeigneter waren: die Arbeiter, die die Tunnel für die Pennsylvania Railroad unter dem Hudson River bohrten, berichteten von luxuriös kühlen Temperaturen.
Die brutzelnden Bedingungen trieben die Leute zum Wahnsinn. Ein Betrunkener, teilweise auch noch verwirrt durch die Hitze, attackierte einen Polizisten mit einem Fleischerbeil. Ein Kind an der Tenth Avenue, das zur Erholung auf das Dach flüchten wollte, stürzte hinunter in einen Luftschacht. Die Krankenhäuser waren bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet. Der Chef der Feuerwehr von Staten Island erlag der Hitze und starb in seinem Haus.
Nach dem siebten Juli senkten sich die Temperaturen wieder in normale Bereiche, aber die Luftfeuchtigkeit hielt die Stadt weiterhin in schwitzendem Unbehagen. Oder wie die Tribune dramatisch zu berichten wusste: "Der mönströse Teufel, der New York bereits seit fünf Tagen unter seinem brennenden Daumen erdrückt, konnte nicht ohne einen letzten Fluch gehen, und als die Temperaturen zu sinken begannen, rief er die Schwüle zur Hilfe".
Zu dem Zeitpunkt, als der Regen kam, um die Stadt zu erlösen, waren bereits 211 Menschen dem Hitzetod zum Opfer gefallen. Aber die größte Zahl an Opfern war unter den New Yorker Pferden zu beklagen, die zu tausenden durch die vollen und verstopften Straßen der Stadt stapften. Die New York Times schätzte, dass mehr als 600 Tiere während der Hitzewelle starben, so viele, dass die Stadt zunächst nicht in der Lage war, alle Kadaver von den Straßen aufsammeln zu lassen. Häufig waren deshalb tote Tiere zu sehen, die man zunächst an die Ränder der Straßen geschoben hatte. Wenn man jetzt noch die drückende Schwüle hinzufügt, kann man sich vielleicht, aber auch nur vielleicht vorstellen, wie unangenehm es war, diese Bedingungen damals vor Ort mitzuerleben.
Bessere Bedingungen erlebten die Rehe im Central Park (ja, es gab einst Rehe, die im Central Park herumliefen). Als zwei der Rehe wegen eines Sonnenstichs zusammenbrachen, wurden die Tiere in den Schatten getragen und erhielten Brandy zum wiederaufpäppeln.
Die letzten drei Bilder stammten aus der Sammlung der NYPL Digital Gallery. Wir machen jetzt nochmal einen letzten Sprung in der Zeit voran von 1911 in die 1930er, als die Stadt weitere Male von schweren Hitzewellen heimgesucht wurde.
Man sagt, dass die Stadt im Juli und August wahnsinnig heiß und stickig sein soll. Und wenn eine drückende Hitzewelle zuschlägt, dann müssen die New Yorker leiden, schwitzen und sich alle die gleiche Frage stellen: Wie haben es die Bewohner der Stadt eigentlich früher ohne Klimaanlagen oder auch Ventilatoren ausgehalten?
Nunja, da gab es zum Beispiel schon immer die Feuertreppen. Wenn man das auf dem Foto oben von Weegee (Arthur Fellig) aus dem Jahr 1938 sieht, kann scheint das ein lächerlich gefährlicher Platz zum Schlafen zu sein, aber es muss besser gewesen sein, als in einem Schlafzimmer in einer Mietwohnung geröstet zu werden.
Man kann der Hitze auch entkommen, indem die Nacht in einem Park verbringt oder auf der Straße oder am Strand liegend, wie es Tausende taten. "Im Central Park waren die Wiesen überfüllt mit Familien, schon bevor die Dunkelheit kam," berichtete die New York Times am 10. Juli 1936, die Temperaturen erreichten am Tag zuvor eine Rekordmarke von über 41 Grad Celsius (106 Grad Fahrenheit). "Auf der Lower East Side wurde der Verkehr durch kleine Armeen von Personen behindert, die bewaffnet mit Stühlen, Kisten und sogar Betten aus den Mietshäusern geflohen waren und die sich nun auf den Straßen aufhielten.
Und aus der New York Times vom 4. August 1938, als das Quecksilber 34 Grad Celsius zeigte: "Mehr als 3.000 Menschen schliefen im Sand von Coney Island und Brighton Beach, um in der letzten Nacht der Hitze zu entkommen, schätzte die Polizei. Zehn zusätzliche Streifenbeamten wurden für die Gegend eingeteilt, um die Schläfer vor Belästigungen zu schützen, von denen viele ihre Decken und Laken mitgebracht hatten.
Ich beende den Beitrag mit 2 Aufnahmen, die ebenfalls von Weegee stammen und die in den Jahren 1936 und 1945 aufgenommen wurden.
Umrechnung Grad Fahrenheit in Grad Celsius:
Hier noch die Ausgabe der New York Tribune vom 07.07.1911:
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