Dienstag, Oktober 05, 2010

The Tenderloin

Kapitel 266


Die Bestimmung von New Yorker Stadtteilen (neighboorhoods) erinnert mich irgendwie an die Mengenlehre in der Grundschule. Vor allem die vielen Schnittmengen. So ergeht es einem auch, wenn man versucht, herauszufinden, zu welchem Stadtteil eigentlich die Ecke 33rd Street / 7th Avenue gehört, an der das Hotel Pennsylvania liegt. Manche Quellen ordnen das dem Bezirk "Chelsea" zu, andere dem Bezirk "Garment District" und einige wiederum auch beiden.

Bei der Suche nach Material zum neuen Serienthema "Herald Square" bin ich auf einen Stadtteil gestoßen, der schon lange in Vergessenheit geraten zu sein scheint: "The Tenderloin", benannt nach dem englischen Wort für Lendenstück oder Filet. Genauer gesagt, der Name wurde bewußt vergessen wegen seines "schlechten" Beigeschmacks.

"The Tenderloin" war ein heruntergekommenes Viertel im Herzen von Manhattan. Der damalige Polizei Cpt. Alexander S. Williams soll den Namen in den späten 1870ern geprägt haben. Tenderloin wurde der Bezirk genannt, der von der 23rd Street im Süden bis zur 42nd Street im Norden erstreckte und von der 5th Avenue im Osten bis zur 7th Avenue im Westen. Das Nordwest-Ende des Viertels war der Longacre Square, der Schnittpunkt von Broadway und 7th Avenue, später zu Anfang des 20. Jahrhunderts in Times Square umbenannt. Sein Mittelpunkt lag dort, wo sich am Schnittpunkt von Broadway und 6th Avenue eine Fläche mit dem Namen "Dodge Place" befand, die später in den 1890ern in Herald Square umbenannt wurde. Die Hauptstraße des Tenderloin-Bezirks war der Abschnitt des  Broadways zwischen 23rd und 42nd Street, der bis ins frühe 20. Jahrhundert schlicht "The Line" genannt wurde.

Der schlechte Ruf des Viertels rührte daher, dass es sich um einen berüchtigten Rotlichtbezirk von Manhattan handelte. Neben Bordellen gab es dort noch Spielhöllen, Kneipen und Tanzlokale, die die ganze Nacht über geöffnet waren. Diese geballte Ansammlung von zwielichtigen Gewerben war sicherlich mit der Grund dafür, dass Tenderloin noch den schönen Beinamen "Satan's Circus" erhielt.

Neben dem Rotlichtbezirk befand sich in Tenderloin auch das Wohnviertel der schwarzen Bevölkerung, die der damaligen Mittelklasse angehörten. Dieser Bevölkerungsanteil wanderte in den Jahren ab Beginn des 1. Weltkriegs in den nördlicher gelegenen Stadtteil Harlem ab.

Das anrüchige Viertel wurde gerne als Thema in zeitgenössischen Musicals der vorletzten Jahrhundertwende herangezogen, wie diese zwei Beispiele beweisen:


1898 erschien das Musical (oder war es noch eine Operette?) mit dem Titel "Her name is Mandy or, Dar'll be trouble in the tenderloin to-night". Die Texte stammten von Edgar Smith, die Musik von John Stromberg. Und der Titelsong lautete:  "Her name is Mandy! An' she's a dandy!".


Ein Jahr zuvor war diese Produktion aus dem Jahr 1897 mit dem Titel "The Czar of the Tenderloin" von Bob Cole and Billy Johnson erschienen. Wer das mal zuhause auf dem Klavier nachspielen möchte, für den habe ich noch die ersten beiden Notenblätter. Der vollständige Satz ist in der NYPL Digital Gallery eingestellt.



Zum Abschluss möchte ich die Aufmerksamkeit nochmal auf die Zeichnung lenken, welches zu Beginn des Kapitels bereits als Titelbild präsentiert wurde. Das genaue Entstehungsdatum ist mir leider nicht bekannt.


Zunächst sieht man dort nur eine Ansammlung von Menschen, die nach Anbruch der Nacht vermutlich genau den Beschäftigungen nachgehen, denen man in einem Rotlichtviertel eben so nachgeht. Zwei Merkmale deuten für mich darauf hin, dass hier vermutlich der Dogde Place als Vorläufer des Herald Square abgebildet ist. Zum einen fällt einem bei genauerem Hinsehen in der linken oberen Bildhälfte eine Hochbahntrasse auf, auf der sich gerade eine dampfbetriebene Bahn fortbewegt. Dabei wird es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die 6th Avenue Elevated Railway handeln. Die 6th Ave El wurde in den 1870ern gebaut und 1878 in Betrieb genommen, unter anderem mit einer Station an der 33rd Street auf dem Dogde Place / Herald Square. Die Zeichnung dürfte daher irgendwann nach 1878 entstanden sein, vielleicht in den 1880ern oder 1890ern.  Zum anderen sieht man eine große Uhr mit einem Vogel, die aus der Menge herausragt und die ebenfalls auf diesen Ort hindeutet. Ob es sich bei dem Vogel allerdings bereits um eine Eule handelt, die auf dem Herald Square eine besondere Rolle spielt, vermag ich nicht zu sagen.

Tenderloin at Night 1899

In diesem Kurzfilm, der 1899 in den Edison Studios in Orange, New Jersey, entstand, wurde ebenfalls das Leben in Tenderloin thematisiert.



Filmed ca. June to September 1899, probably in West Orange, New Jersey.
Edison Manufacturing Co.
Production: James H. White

Let us take a trip from the 'Lights' to the 'Shadows,' and go 'slumming.' This bawdy crime vignette has all of the seedy charm of the 'Tenderloin' at night as a stranger enters a drinking house, let's call him ''Mark.'' He's heartily greeted by the other patrons, so he pulls out a gloating wad of cash and buys the house an impressive round. He quickly finds himself and his presidential pals the center of flirtatious attention. By way of diversion the flirty gal's man / beau / pimp, slips the guy a 'Mickey.' He drinks himself into a convenient stupor with each woman cleaning his pockets. One woman gives the audience a blue moment when she slips the cash in her shapely silk safe. The mark wakes up to find his gains gotten. Out numbered by the crooked locals, he finds himself ejected by the knowing proprietor and a conveniently available cop, leaving the house full of 'low lives' to celebrate their ill gotten gains. The babes burst into a brief can-can. More leg show! The victim returns with the law but the film ends as abruptly as the marks good time.

The 'Tenderloin' is a district of Manhattan stretching from 23rd Street to 42nd Street between Fifth and Seventh Avenues. The area was a red light district, home to many of the city's Bordello's, gambling dens and drinking houses during the Gilded Age. Along with the rough and tumble Bowery, this is where one went if they were brave enough to experience '''how the other half lives.'' The area, now known as Chelsea and the ''garment District,'' was given the nickname ''Tenderloin'' by police inspector Alexander S. Williams (July 9, 1839-March 25, 1917). After years of working in districts with little action he received a transfer to the West 13th Street Station on September 30, 1876. When he was asked how he liked it he reportedly responded ''I like it fine. I have had chuck for a long time, and now I'm going to eat tenderloin.'' A tough no-nonsense cop with a liking for a good beat down and a little graft, he was known as ''Clubber Williams.'' An investigation in 1894 by the Lexow Committee found that Williams was on the take, accepting money from many of the local dens of crime in exchange for looking the other way. He retired early with pension.


Recommended reading:
Low Life / Lures and Snares of Old New York - Luc Sante
All Around the Town / Murder, Scandal, Riot and Mayhem in Old New York - Herbert Asbury

Einige zusätzliche Informationen zu "The Tenderloin" enthält dieser Bericht zum denkmalgeschützten Polizeirevier in der 30th Street, das früher für den Tenderloin-Bezirk zuständig war.
http://www.nyc.gov/html/lpc/downloads/pdf/reports/23precinct.pdf

Sonstige Quellen: Google, NYPL Digital Gallery und
http://en.wikipedia.org/wiki/Tenderloin,_Manhattan

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