Samstag, Juli 11, 2009

Das Ende des Gillender Buildings und des Stevens Buildings (1910)

Kapitel 192


Genauso wie am vergangenen Sonntag unternehme ich auch heute eine Reise in das New York des Jahres 1910. Dieses Mal werfen wir einen Blick auf das Ende des Gillender Buildings und des Stevens Buildings, die in den Jahren zuvor an der Ecke Wall Street / Nassau Street standen. Wir sind den Gebäuden schon einmal im Kapitel 108 begegnet. Glücklicherweise hat damals jemand seine Kamera gegenüber vom Gebäude aufgestellt und die verschiedenen Phasen des Abrisses dokumentiert. Quelle des Bild- und Textmaterials ist letztendlich die Seite skyscraper.org, ich habe aber auf das Material aus dem Skycraper-Forum zurückgegriffen, das dort von STERNyc gepostet wurde.

"Möglicherweise war es der erste Wolkenkratzer der Welt, der aus freiwilligem Entschluss wieder abgerissen wurde: das 22stöckige Gillender Building. 1897 im Jahr seiner Errichtung war es das vierthöchste Gebäude in New York City. Der unglaubliche Wachstum von NYC war Grund dafür, dass der Abriss des Gillender Buildings bereits im Jahr 1910 stattfand. Eines der damals höchsten Gebäude in NYC hatte nur 12 Jahre gestanden! Es wurde ersetzt durch das 41stöckige Bankers Trust Building.

Blick auf das Gillender Guilding, errichtet 1897, Blick aus nordwestlicher Richtung von einem Ort jenseits der Kreuzung Wall Street und Nassau Street. Das Gillender wurde zusammen mit seinem Nachbarn im Norden und Westen, dem Stevens Building, recht schnell abgerissen, um Platz für das Bankers Trust Building zu schaffen. Ebenfalls auf diesem Bild zu sehen sind das Astor Building und das Gebäude der Hanover National Bank, das 1931 für einen Anbau an das Bankers Trust Building abgerissen wurde.

Die oberen Etagen des Gillender Buildings sind bereits eingerüstet, um den Abrißarbeitern zu ermöglichen, die steinernde Verkleidung und die Stahlbauelemente zu entfernen. Über den Bürgersteigen wird gerade eine Schutzvorrichtung für die Fußgänger aus schweren Holzbalken gezimmert.

Aufnahme vom 02. Mai 1910
Während die Holzbühne, die den Bürgersteig schützen soll, noch nicht fertiggestellt ist, hat der Abriß des Belvedere-Schlösschen-artigen Dachaufbaus bereits begonnen. Ein Drahtgeflecht wurde über der Wall Street angebracht, um einerseits die Fußgänger zu schützen, andererseits aber gleichzeitig noch zuzulassen, dass das Sonnenlicht die Straße erreichen kann.

Aufnahme vom 05. Mai 1910
Auch wenn der Bauplatz für das neue Bankers Trust Building ziemlich groß war, so erforderte der Abriß des Gillender Buildings und des angrenzenden L-förmigen Stevens Buildings in dem engen und von vielen Menschen frequentierten Financial District doch jede Menge Fingerspitzengefühl und eine verhältnismäßig langsame Abrißgeschwindigkeit. Hier ist nun die Schutzbühne über der Wall Street und der Nassau Street fertiggestellt, um herunterfallende Trümmer aufzufangen und die Vorbeikommenden zu schützen. An der Spitze des Gillender Buildings wurde eine auskragende Plattform errichtet, die es den Arbeitern ermöglicht, die Fassade von oben herab abzuschlagen. Am 05. Mai 1910, als dieses Foto aufgenommen wurde, ist das Belvedere auf dem Dach bereits so gut wie verschwunden.

Aufnahme vom 09. Mai 1910
Die Entfernung des Mauerwerks an der Spitze des Gillender Buildings hat das Stahlgerüst freigelegt. Die ökonomische Bebauung von Grundstücken, welche so eng wie dieses waren, wurde möglich gemacht durch die Verwendung von Vollstahl- oder schmiedeeisernen Gerüsten.
Frühere Bautechniken verwendeten Gußeisen-Konstruktionen in vielen Mietshäusern sowie gußeiserne Käfige umgeben von Mauerwerk in vielen frühen Bürogebäuden, erforderten dickes Mauerwerk in den unteren Etagen oder waren nicht imstande, dem Winddruck zu widerstehen.
Rutschen aus dem Inneren sind auf der Naussau Street Seite des Gillender und des Stevens Buildings zu erkennen. Sowohl Abrißschutt aus dem Gebäudeinneren als auch von außen wurden durch das Innere des Gebäudes hinabgeführt, um die Anzahl der Außengerüste auf ein Minimum zu begrenzen und Nebeneffekte der Abrißarbeit (wie Lärm und Staub) im Handelsdistrikt zu vermindern.

Aufnahme vom 14. Mai 1910
In den fünf Tagen, die seit dem vorherigen Photo vergangen sind, wurden das Dach und das Mauerwerk des Giebels beim Stevens Building entlang der Wall Street entfernt. Die Steinfassade von einem weiteren Stockwerk des Gillender Buildings ist ebenfalls verschwunden. Rechts steht eine Gruppe von Männern auf dem Gerüst neben einem der Löcher in der Schutzbühne, die genutzt wurden, um Schutt und Trümmer in Transportfahrzeuge zu werfen, die auf der Nassau Street warten.

Aufnahme vom 16. Mai 1910
Der Abriß des Stevens Buildings schreitet rapide fort. Seine geringe Steigung und seine Konstruktion machen die Geschwindigkeit möglich, mit der die Abrißarbeiter hier ans Werk gehen können. Durch die relativ geringe Höhe muss der Abrißschutt auch nicht umständlich durch das Gebäude hinab zur Verlade transportiert werden. Sowohl das Stevens Building als auch das Gillender Building ist mit Mauerwerk verkleidet: beim Stevens Building ist die Verkleidung zugleich auch Teil des tragendes Systems. Mit der Entfernung des Mauerwerks wird hier gleichzeitig auch das die tragende Struktur entfernt; beim Gillender Building dagegen bleibt nach der Entfernung des Mauerwerks das Tragwerk weiterhin stehen und wartet auf den Abriß. Hier haben die Abrißarbeiter mittlerweile begonnen, jene Stahlgerüste zu demontieren, die einmal die Grundlage des Belvedere auf dem Dach bildeten. Eine neue Arbeitsbühne wurde knapp oberhalb der Arkaden auf der Nassau Street-Seite angebracht, welche nun das Abschlagen des Mauerwerks von oben nach unten ermöglichen wird.

Aufnahme vom 19. Mai 1910
Der Abrißunternehmer hat seine Tätigkeit zuletzt auf das Entfernen des Mauerwerks am Gillender Building konzentriert. Dieses Foto wurde am Donnerstag aufgenommen, drei Tage nach vorherigen und der Abriß des Stevens Building ist nicht sichtbar fortgeschritten. Ein bedeutender Teil der Mauerwerkverkleidung am Gillender Building wurde inzwischen entfernt und der Abrißunternehmer hat in den letzten Tagen einige Mühne darauf verwendet, um die Geschwindigkeit beim Demontieren des Stahlgerüstes zu erhöhen. Am 11. Stock wurde schon früher in der Woche ein großer Ladekran auf der Höhe des mittleren Fensterbogens an der Nassau Street - Seite angebracht. Darüber hinaus sind noch weitere Ladekräne am Gebäude zu erkennen. Der Abtransport des Mauerschutts wird weiterhin auf Rutschen durch das Gebäudeinnere fortgesetzt, aber die langen Stahlträger und -rahmen werden mit Hilfe der langarmigen Ladebäume hinunter auf die Straße gelassen.

Aufnahme vom 23. Mai 1910
Der Abriß des Stevens Building wird nunmehr fortgesetzt; der Abriß der oberen 3 Stockwerke und des Dachs ist bereits abgeschlossen. In den oberen Etagen des Gillender Buildings ist die Demontage der Stahlgerüste weiter fortgeschritten. Die Fußböden und die Träger, auf denen sie gelagert waren sind an der Wall Street Fassade bereits komplett abgebaut, so dass dort die bloßen Stahlgerüste sichtbar sind. Die Last auf den Trägern in den oberen Stockwerken war im Verhältnis erheblich geringer als auf jenen in den tieferen Etagen. Dieser Unterschied wird auch deutlich, wenn man die vergleichbar "schwach" aussehenden Trägern im oberen Gebäudeteil sieht. Diese Träger wurden aus einmal gewalztem Stahl hergestellt, während die Träger im unteren Gebäudeteil mehrfach gewalzt waren. Ein weiteres interessantes Detail auf dem Bild sind die Erker auf der Nassau Street-Seite, die vermutlich nicht aus Mauerwerk, sondern aus Gußeisen oder Metallblech gefertigt waren. Sie sind zunächst noch nicht mit dem Mauerwerk abgerissen worden, sondern warten wohl darauf, mit den Lagebäumen hinabgelassen zu werden.

Aufnahme vom 26. Mai 1910
Was ist noch vom Stevens Building übrig geblieben? Der Abriß der Wall Street Fassade reicht inzwischen bis ins Erdgeschoß hinunter, nur ein kleiner Teil vom 2. Stock und ein noch kleinerer Teil vom 3. Stock stehen noch. Auf einer langen Leiter bereitet ein Mechaniker gerade die Demontage der Bleche des Rauchabzugs an dem Teil des Stevens Buildings vor, der an der Nassau Street liegt und dort an das Hanover National Bank Building grenzt. Am Gillender Building wurde der Abriß des Mauerwerks und des Stahlrahmens weiter fortgesetzt. An der freiliegenden Struktur kann man jetzt sehr schön die Bestandteile der Stahlrahmenkonstruktion erkennen, die den Stützapparat des Gebäudes bildete, ebenso die Teile der Konstruktion, in der die Fußböden eingehängt waren. Schmale hohe Gebäude waren stets eine Herausforderung an die Konstrukteure. Bestandteil des architektonischen Konzepts zum Erreichen einer möglichst optimalen nutzbaren Fläche beinhaltete, dass die Büroräume innerhalb des Gebäudes offen waren und weder die Fenster an den Fassaden noch die Türen im Inneren durch Teile der tragenden Konstruktion überlagert oder beeinträchtigt wurden. Im Gillender Building waren der Aufzugschacht und der Treppenschacht bereits über Kreuz mit der übrigen Struktur verklammert, aber um den Widerstand gegen äußere Einflüsse wie den Winddruck zu erhöhen, wurde eine zusätzliche Verklammerung vom Aufzugsschacht aus für notwendig erachtet.

Aufnahme vom 31. Mai 1910
Nur eine einzige Ausbuchtung von der Fassade des Stevens Buildings an der Wall Street ist übrig geblieben; an der Nassau Street-Seite wurde das Dach entfernt und eine Gruppe von Arbeitern ist dort sichtbar, wo sich zuvor einmal das 6. Stockwerk befand. Maurer sind ebenso im siebenten Stockwerk des Gillender Buildings sichtbar, wo die Ballustraden der gemauerten Balkone abgebaut werden und die steinerne Verkleidung an der Fassade weiter abgeschlagen wird. Große Haufen mit Trümmern, sowohl Mauerwerk als auch Stahl, liegen auf der Schutzbühne oberhalb der Wall Street.

Aufnahme vom 02. Juni 1910
Der Abriß geht weiter voran und die Trümmerhaufen haben enorm an Größe zugenommen. Der Schutt wurde nach Beschaffenheit sortiert. Vermutlich wurde der Stahl von einem Fuhrmann abtransportiert und zu einem Stahlwerk gebracht, um dort erneut verwendet zu werden. Der Mauerschutt dagegen wurde üblicherweise auf einer Deponie abgeladen.

Aufnahme vom 06. Juni 1910
Der Abrißunternehmer hat drei Ladebäume auf der Schutzbühne montiert, um die großen Stahlteile durch die Löcher auf Fuhrwerke zu verladen, die unterhalb der Bühne warten.

Das einzige Mauerwerk, das noch erhalten geblieben ist, befindet sich auf den unteren 2 Etagen des Stevens Buildings an der Nassau Street Fassade oder liegt gestapelt auf der Schutzbühne.

Aufnahme vom 13. Juni 1910
Ungefähr sechs Wochen nach Beginn der Abrißarbeiten ist oberhalb des Erdbodens keine Spur mehr übrig geblieben von den zwei Gebäuden, die einstmals an der Nordwestecke der Kreuzung von Wall Street und Nassau Street standen. Der Abrißunternimmer hat inzwischen bereits begonnen, auch die Schutzbühne oberhalb der Wall Street wieder abzubauen."

Damit endet die kleine, aber dennoch sehr informative Dokumentation über die Demontage zweier Gebäude in New York City vor über 99 Jahren.

Quellenlinks:
http://forum.skyscraperpage.com/showthread.php?t=116846&page=4
http://www.skyscraper.org/WEB_PROJECTS/BANKERS_TRUST/v_bt/bt_photos/bt_full/btD494.htm
http://nygeschichte.blogspot.com/2008/07/gillender-building.html

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