Samstag, Dezember 20, 2008

New York Cancer Hospital - Part 1

Kapitel 136a

In den letzten Kapiteln habe ich mich schwerpunktmäßig mit verschwundenen Gebäuden beschäftigt, die nicht mehr das Antlitz von New York City prägen. In diesem Doppel-Kapitel möchte ich erneut ein altes Gebäude in den Mittelpunkt stellen, dieses Mal aber mal eins, das immer noch existiert. Aufmerksam geworden bin ich auf diese Geschichte wieder einmal durch Kevin Walsh's wunderbare Webseite Forgotten-NY. Leider ist es aber (fast) nicht gelungen, zeitgenössische Bilder des Gebäudes im Netz aufzutreiben, weshalb ein Großteil des Bildmaterials aus der jüngeren Vergangenheit der letzten 10 Jahre stammt. Vermutlich steht das Fehlen zeitgenössischen Bildmaterials im Zusammenhang mit dem permanent schlechten Ruf des Gebäudes. Doch dazu später.

Das "New York Cancer Hospital" (NYCH, New York Krebs Hospital) war eine Krebsbehandlungs- und -forschungseinrichtung, die 1884 gegründet wurde. Das Hospital befand sich an der Adresse 455 Central Park West zwischen der 105th und 106th Street. Errichtet zwischen 1884 und 1890, war es das erste Krankenhaus in den USA, das sich auf die Behandlung von Krebserkrankungen spezialisierte.

Im Sommer 1884 erkrankte der ehemalige Präsident Ulysses S. Grant an Kehlkopfkrebs. Er lebte damals in New York City und sein Fall erregte die Aufmerksamkeit der Nation. Grant war nämlich im Amerikanischen Bürgerkrieg zwanzig Jahre zuvor Oberbefehlshaber der siegreichen Unionstruppen gewesen und galt daher als Kriegsheld. Als Kandidat der Republikaner war er 1868 in den Präsidentschaftswahlkampf gegangen und befand sich zwei Perioden lang von 1869 bis 1877 im Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er hatte aber auch die Angewohnheit gehabt, bis zu 20 Zigarren am Tag zu rauchen und so sein Schicksal selbst besiegelt. Grants Tod im darauffolgenden Jahr brachte die Krankheit erneut ins Bewusstsein. Obwohl sein Krebs inoperabel war, hatten andere mehr Glück, seitdem die Entwicklung der Anästhesie in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Ärzten die chirurgische Behandlung von Krebserkrankungen ermöglichte.

(Beerdigung Präsident Grant 1885 in New York City)

Im Jahr 1884, als Präsident Grant seine niederschlagende Diagnose erhielt, legten andere Prominente New Yorker wie John Jacob Astor III, Thomas A. Emmet, Joseph W. Drexel und andere den Grundstein für das New York Cancer Hospital, das erste Krankenhaus im Land, das sein Wirken exklusiv der Betreuung von Krebspatienten widmete. Es wurde von Charles C. Haight entworfen und 1887 fertiggestellt, der erste Flügel stand aber zunächst nur für Frauen zur Verfügung. Präsident Grants behandelnder Arzt, Fordyce Barker, sagte dass Krebs nicht auf Elend, Armut oder schlechte sanitäre Verhältnisse oder schlechte Angewohnheiten zurückgeführt werden könne wie zahlreiche andere Krankheiten, sondern genauso auch die Kultivierten, die Reichen und die Bewohner eigentlich gesundheitsfördernder Orte betroffen sind.

1890 wurde das Krankenhaus nach Süden hin ausgedehnt und in beiden Abschnitten entwarf Haight runde Stationen mit ungefähr 40 Fuß Durchmesser, einerseits um die Überwachung der Betten durch eine Krankenschwester von einem zentralen Tisch aus zu möglichen, andererseits schaffte dieses Design mehr Platz zwischen den Kopfenden der Betten. Ein anderer Grund für die runde Raumgestaltung war die in den 1880ern verbreitete Meinung, dass sich in den Ecken von Krankenhausräumen regelmäßig Schmutz und Bakterien sammelten, die den Nährboden für Krankheiten schufen. Von runden Räumen erwartete man dagegen, dass die fehlenden Raumecken der Ansiedlung von Bakterien vorbeugen würden. Eine ordentliche Lüftung war ebenfalls von Bedeutung, deshalb wurden von den Mittelpunkten der Stationen aus Ventilations- und Luftschächte angelegt, um die starken Gerüche, die durch die Krankheit verursacht wurden, davonzutragen. Haight arbeitete die runden Stationen in die äußere Gebäudefront mit ein, welche er in tiefrotem Backstein und sanftbraunem Sandstein ausstattete und plazierte sie in Form von herrlichen konischen Türmen unregelmäßig verteilt auf die drei Gebäudefronten. Dieses gab dem Krankenhaus den Charakter einen französischen Chateauxs.

Seit seiner Einweihung stand die Krebsbehandlung zwar im Mittelpunkt, war aber vor allem lindernder Natur. Das Hospital wandte das Beste an Behandlungsmethoden gegen die Krankheit an, die in der damaligen Zeit bekannt waren. Krebsbehandlung bedeutete aber im besten Fall, die Schmerzen und die Leiden der Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten. Viele Patienten kamen nur aus dem Grund zum New York Cancer Hospital, um zu sterben, das Leiden erleichtert durch Morphin. Aber auch Kutschfahrten in den Central Park oder Transfers zur Kapelle der Heiligen Elisabeth von Ungarn, der Patronin der Leidenden, an Sonntagen verschafften Linderung.

Von seinen Anfängen an schien das NYCH vom Unglück verfolgt zu sein. Nur wenige Monate nach der Grundsteinlegung für das neue Hospital starb eine der wichtigsten Fördererinnen, Elizabeth Hamilton Cullum an Gebärmutterkrebs. Es mutet wie eine Ironie des Schicksals an, dass auch John Jacob Astors Ehefrau, Charlotte Augusta Astor an Gebärmutterkrebs starb und das lediglich eine Woche, nachdem die Klinik feierlich im Dezember 1887 eröffnet worden war, so dass sie die Möglichkeit verpasste, vielleicht noch geheilt zu werden. Der erste Abschnitt des Hospitals erhielt deshalb, aber auch wegen der großzügigen finanziellen Unterstützung des Ehemanns den Namen "Astor Pavillon".

Das 20. Jahrhundert brachte neue Techniken in der Krebsbehandlung, einschließlich der Bestrahlungstherapie. 1921 besuchte Marie Curie das NYCH, das 1916 in "General Memorial Hospital for the Treatment of Cancer and Allied Diseases" umbenannt worden war, um das Gewölbe aus Backstein und Stahl zu besichtigen, in dem das Hospital die 4 Gramm Radium aufbewahrte, zu jener Zeit die größte Menge Radium auf der Welt. Dr. Edward H. Rogers, der sie begleitete, versicherte der New York Times, dass kein Fall bekannt wäre, bei dem die Gesundheit von jemandem durch Radium beeinträchtigt worden wäre. Er verneinte auch, dass Curie Schäden von dem Umgang mit radioaktivem Material davongetragen habe, sie sei nur seit kurzem an einer Anämie erkrankt. Zu dieser Zeit wurden die gesundheitlichen Gefährdungen durch Radium langsam bekannt und führten zu Schadensersatzforderungen gegen ihre Befürworter. Marie Curie starb 1934, ironischerweise an einer Radium-Vergiftung.

Im Rückblick muss man erkennen, dass frühe Radium-Behandlungen oft schlimmer für die Gesundheit der Patienten waren als die Krankheit, die damit geheilt werden sollten. Die Strahlung verursachte schwere Verbrennungen und in manchen Fällen auch zusätzliche Krebserkrankungen. Das NYCH mag zwar Erfolg mit seinen guten Absichten gehabt haben, aber ein Ende der Leiden seiner Insassen vermochte es nicht zu schaffen. Wegen der hohen Sterblichkeitsrate erhielt das NYCH sein eigenes Krematorium, welches sich im Keller der Einrichtung befand. Dessen Existenz war schreckliche Realität durch den Anblick des hohen Schornstein im Westen des Gebäudes, den man durch die gothischen Fenster hindurch vor Augen hatte. Vor allem weil Krebserkrankungen häufig tödlich endeten, geriet das Hospital schnell in finanzielle Schwierigkeiten. Es wurde berüchtigt als "The Bastille", ein gefürchteter Ort, gemieden von Patienten gleichermaßen wie von Gönnern. Zweimal wurde der Name geändert, einmal zu Beginn des 20. Jahrhunderts und noch einmal vor Beginn der 20er Jahre. Durch all die Jahre hindurch stützte sich das Krankenhaus auf den beschwerlichen Auftrag, nach einem Heilmittel gegen den Krebs zu suchen.

1955 schließlich zog das "General Memorial Hospital for the Treatment of Cancer and Allied Diseases" aus der veralteten Anlage am Central Park West in ein neues Gebäude an der East Side um. Dort erfuhr es einen Aufwuchs bis hin zu einer Einrichtung, die heute als "Memorial Sloan-Kettering Cancer Center" bekannt ist.

Zu dieser Zeit begann auch der Niedergang des alten NYCH-Gebäudes. Unter dem neuen Eigentümer Bernard Bergman wurde es in eine Altenpflege-Einrichtung mit dem Namen "Towers Nursing Home" umgewandelt. Dieses Pflegeheim war später berühmt-berüchtigt für Vernachlässigung und das Mißachtung jeglicher Regeln. Infolge dessen sahen sich die älteren Patienten konfrontiert mit grausamen Wohnbedingungen wie Kälte, Schädlingsbefall, körperliche Mißhandlung und Vernachlässigung.

Die Patienten waren aber nicht die Einzigen, die vernachlässigt wurden. Die alten Einrichtung wurde nicht mehr gepflegt, war schmutzig und ein stechender Geruch erfüllte die Luft. Das einst makellose Gebäude wandelte sich zu einem traurigen verlassenen Ort. Das Heim schloss seine Türen schließlich 1974, nachdem eine Staats- und eine Bundesuntersuchung wegen Krankenversicherungs- und Steuerbetrug stattgefunden hatten. Das ehemalige New York Cancer Hospital war nach der Schließung des Pflegeheims in einem so katastrophalen Zustand hinterlassen worden, dass es ernsthafte Gespräche über einen Abriss gab, bevor die "New York City Landmarks Preservation Commission" (eine Art Denkmalschutz-Kommission) das Gebäude 1976 als ein historisches Wahrzeichen bezeichnete.

1982 hatte das Gebäude einen kurzen Filmauftritt in dem B-Movie "Q - The Winged Serpent" (bei uns "American Monster" statt "Q - Die geflügelte Schlange"). Die titelgebende Schlange hinterlässt im Film ein Ei zwischen den alten Mauern der Klinik.

Quellen:
http://www.forgotten-ny.com/SLICES/455cpw/455cpw.html
http://www.forgotten-ny.com/STREET%20SCENES/hospitalruin/hospitalruin.html
http://en.wikipedia.org/wiki/New_York_Cancer_Hospital
http://www.nycago.org/Organs/NYC/html/NYCancerHosp.html
http://www.nytimes.com/imagepages/2005/01/21/nyregion/23feat3.ready.html
http://wirednewyork.com/forum/showthread.php?t=3223 http://www.vahistorical.org/lg/intro_funeral.htm

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