Mittwoch, Mai 23, 2012

Inside the Woolworth Building - Part 3




Einer der schönsten klassischen Wolkenkratzer in New York City ist zweifellos das Woolworth Building, von 1913 bis 1930 das höchste Gebäude in New York und auf der Welt. Der bald 100 Jahre alte Veteran am Südwestende des City Hall Parks ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil in der Skyline von Lower Manhattan. Blogleser Alex hatte vor wenigen Jahren die seltene Gelegenheit, dieses beeindruckende Gebäude von innen zu erleben und war so freundlich, sein Material für diesen Blog zur Verfügung zu stellen.

http://nygeschichte.blogspot.de/2012/05/inside-woolworth-building-part-1.html

Schaedel: Hallo Alex – weiter geht es auf unserer Reise durch das Woolworth Building. In den ersten beiden Teilen haben wir uns von der Lobby im Erdgeschoss über das Dach des südlichen Gebäudeanbaus auf Höhe des 29. Stocks durch den Turm hinauf bis zur Aussichtsplattform im 58. Stock hochgearbeitet. Am Ende des zweiten Teils standen wir quasi in der Spitze innen vor der Tür zur Aussichtplattform.


Alex: Richtig! Dann war es soweit: Aus dem schattigen Vorräumchen des Aufzugs traten wir durch die Metalltür auf die Aussichtsplattform hinaus, die uns mit ihrem charakteristischen Patina-Grün fast unwirklich vorkam. Jahrelang kannte man diesen Ort nur von Bildern, und jetzt stand man tatsächlich dort oben. Es war schon erhebend, irgendwie.




Schaedel: Auf dem Foto, das Du mir von der Spitze geschickt hast, ist die Aussichtsplattform durch die Gestalt einer Frau im weißen Gewand gut markiert. Eine Frage, die nicht nur mich, sondern auch die Leser beschäftigt: Wer ist die Person? Und – kann das sein, dass die ziemlich lange Beine hat. Oder steht die auf einer Kiste?

Alex: Dieses Bild ist (laut Mr. S.) aus einem Hubschrauber aufgenommen worden (sonst bekommt man die Spitze gar nicht so gut und nah drauf), und zwar angeblich für eine Parfüm-Werbekampagne vor einigen Jahren! Das ist also irgendein Model, das hier Werbung macht. Frag mich aber nicht, für welche Marke oder so, ich bekam das Bild so, wie es ist. Und es hängt eingerahmt über meinem Schreibtisch... ;-) Aber um das aufzuklären: Entweder sie wäre wirklich SEHR groß oder sie steht in der Tat auf einer Kiste, denn so niedrig ist die Brüstung nun wirklich nicht. Aber wenn man von ihr nur den Oberkörper sehen würde, würde sie wohl nicht mehr so sexy und werbewirksam rüberkommen, nehm ich an. Call it künstlerische Freiheit!


Schaedel: Wenn ich mir dieses Foto ansehe, habe ich das Gefühl, dass ich da zwei Plattformen übereinander erkenne. Ist das tatsächlich so oder ist die obere Plattform nur eine Attrappe?

Alex: Das dachte ich auch immer. Auf Bildern meint man leicht, über der eigentlichen Plattform wäre noch mal eine kleinere, aber das sieht – hoffentlich enttäusche ich keinen! – leider nur so aus. Das sind schwarze Platten ringsherum. Die Treppe endet an der Aussichtsplattform, höher gehts nur noch über eine senkrecht nach oben durch eine Öffnung führende Metallleiter. Ich nehme sehr stark an, dass dies das Aufzugsräumchen ist, denn irgendwo muss das Ding ja auch seinen Motor haben. Sieht man sich das Bild sehr genau an, ist man in der Tat versucht zu meinen, über den schwarzen Platten (auf Höhe der Dreiecke über den Platten um das runde Schlußtürmchen herum) nochmal einen möglichen winzigen Umgang zu entdecken. Bestätigen kann ich das aber nicht, Mr. S erwähnte nichts dergleichen, und wenn überhaupt (was ich aber nicht glaube), wäre dies nur eine Art Serviceumgang für den allerobersten Teil der Spitze, bei dem man aber sicher arg den Kopf einziehen müsste, so niedrig und eng sehen die Bögen aus. Aber als wahrscheinlich nie zu ergründendes Mysterium darf man sich’s ja ausmalen bzw. davon träumen...



Schaedel: Was man ja so ein wenig aus den Augen verliert, ist, dass der Ort, auf den wir gleich hinaustreten, für immerhin 17 Jahre die Aussichtsplattform des höchsten Gebäudes in New York und auf der ganzen Welt war. Allerdings war es zu jener Zeit nicht das höchste Bauwerk der Welt, dieses stand bis 1930 immer noch in Paris. Die Aussichtplattform des Eiffelturms liegt noch ungefähr 40 Meter höher als die des Woolworth Buildings. Wie ist das Gefühl, wenn man dort heute heraustritt?

Alex: Bis das ja wesentlich höhere Empire State Building Anfang der 30er Jahre allen bisherigen Aussichtsplattformen in New York (und der restlichen Welt gleich mit!) den Rang ablief, gab es ja in der Tat sehr viele Türme bzw. Hochhäuser, auf die man dort hochkonnte. Wie ich das sehe, wollten von den “normalen Leuten“, die ja auf so eine Plattform vor allem deshalb hochfahren, um die Aussicht zu genießen, immer weniger auf die mittlerweile sehr viel niedriger erscheinenden älteren Umgänge, und so wurde eben einer nach dem anderen wegen Besuchermangels geschlossen (das WB 1941). Außerdem war das ESB ja im damals schon angesagteren Midtown-Bezirk (Macy’s, Times Square), da konnte das altehrwürdige Downtown-Woolworth Building wohl irgendwann nicht mehr mithalten. Man muss sich immer vor Augen führen, dass, abgesehen vom WTC, das Empire State Building über die Jahrzehnte hinweg (und während des Baus des neuen World Trade Centers auch nochmal für gut 10 Jahre!) nach wie vor das höchste Gebäude in New York war. Und wie schon gesagt, normalerweise interessieren sich ja die „normalen“ Besuchermassen nicht für Architektur, kleine Wendeltreppen, enge Gänge, Verzierungen, Nebenräumchen, all die Geheimnisse eben, die, sag ich jetzt mal, uns Wolkenkratzerliebhaber ausmachen.

Ich wusste, dass ich an einem ganz besonderen Ort bin (Eine Freundin von mir würde, wenn ich ihr diese exklusive Tour anbieten würde, nur antworten: „Warum nicht aufs Empire State Building, das ist doch viel höher und man sieht mehr!“ ) Die Aussicht ist nach wie vor atemberaubend, die Brooklyn Bridge hat man samt Auffahrt voll im Blick, und wenn ein, zwei Gebäude nicht gewesen wären, hätte man direkt in die Baugrube des WTC hinabblicken können. Meine Gedanken waren wahrscheinlich ungefähr die selben wie die von Edmund Hillary, als er auf dem Mount Everest stand – ein Traum war für mich wahr geworden. Ich strich mit der Hand an den alten, grünen Wänden, der Brüstung und den Bögen entlang, um die Magie, die dieser Ort zweifellos besitzt, größtmöglich auszukosten, all die Verzierungen und Details, die man sonst nur als grüne kompakte Form von unten wahrnimmt, endlich aus der Nähe sehen zu dürfen. Es gibt nichts Schöneres und Abenteuerlicheres in der Architektur als die Gotik bzw. Neugotik, von daher mein ewiger Dank an die Herren Gilbert und Woolworth für dieses Kunstwerk.



Schaedel: Gibt es viele Gebäude in der Umgebung des Financial Districts, die das Woolworth Building heute übertreffen, oder hat man von dort immer noch einen recht ungestörten Blick in die Ferne?

Alex: Also, so eingekeilt zwischen höheren Gebäuden oder zur Zwergenhaftigkeit verdammt war das gar nicht da oben! Man hatte immer noch das Gefühl, dass das WB die Gegend wie ein Grandseigneur bestimmt und überschaut. Aber wie man dann auch bei dem Film sehen kann, den meine Freundin gemacht hat und bei dem sie eher die Brooklyn Bridge gefilmt hat als die Bögen des Umgangs! ;-)), ging es mir mehr um die Spitze an sich, weniger um die Aussicht. Ich war nie der große Aussichts-Fan, es waren bzw. sind immer die Spitzen an sich, die eine unwiderstehliche Faszination auf mich ausüben. Wie der Film zeigen wird, ist die Aussicht zum größten Teil immer noch ungetrübt.



Schaedel: Die Plattform im Woolworth Building gehört ja auch in die lange Reihe der New Yorker Aussichtsplattformen, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr öffentlich zugänglich sind. Nachdem Du das vor Ort selbst erlebt hast, meinst Du, dass moderne Touristenströme dort überhaupt zu bewältigen wären?

Alex: Das ist exakt die Frage, die ich mir bei einer solchen Gelegenheit auch immer stelle! Was wäre, wenn man nicht nur einigen Fans und Liebhabern wie uns den Zugang erlauben würde, sondern wieder jedem? Könnte man das heutzutage? Im Falle des Woolworth Buildings muss ich sagen: leider wohl nein! Wie du ja in einem Blogbeitrag auch mal so treffend geschrieben hast, waren die Plattformen in New York in den ersten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts gar nicht so der Touristenmagnet, der sie heute sind, von daher waren das ganz andere Dimensionen an Besucherzahlen. Sieh dir den Turmaufzug an, da passen, ich sag mal, 7, 8 Leute rein. Entweder man läuft die schmale Treppe um den Aufzug herum oder man wartet ewig auf den Aufzug. Was aber noch viel entscheidender ist: Auf dem Umgang selbst hätten vielleicht 20, 30 Leute Platz, ohne dass es eng wird. Die doch sehr kleine Spitze ist schlicht und einfach nicht für einen Massenansturm a la ESB oder Rockefeller Center gebaut, so leid mir das selbst tut, das sagen zu müssen. Wenn du dir das ESB ansiehst, das wurde bereits so geplant mit den großen Warteräumen für die Besucherschlangen und den geräumigeren Aufzügen nebst einer riesigen Aussichsterrasse. Im WB dagegen ist bei 6 oder 7 Leuten Schluß in einem der Aufzüge von unten. Das war ja trotzdem erst 1913 und noch kein Kaufhaus mit riesigen Aufzugskabinen oder so.

Oder nimm die Fackel der Freiheitsstatue, auch so ein „feuchter Traum“ von mir. ;-) Du erreichst sie nur über eine Leiter im rechten Arm, nicht mal mehr über eine Treppe! Wie sollte man das gestalten, es könnte ja immer genau eine Person hoch- oder runtersteigen (vom Wind, der Höhe und der unglaublichen Beengtheit ganz abgesehen), also keine Chance. Oder die Kuppel des Petersdoms in Rom. Von der großen Außengalerie am Fuß der Laterne, wo jeden Tag hunderte Touristen stehen, geht nochmal eine klitzekleine Wendeltreppe weiter nach oben. Was würde ich dafür geben, da hoch zu dürfen! Aber auch hier könnte nur jeweils eine Person hoch oder runter, also kann ich verstehen, dass sie das nicht zugänglich machen können (ist ja auch nicht direkt für die Touristen gedacht). Die Alternative wäre, wie beim Schiefen Turm von Pisa z.B., Zeitfenster-Karten zu verkaufen, da immer nur 30 Leute gleichzeitig im Turm sein dürfen. Aber ob sich das beim Woolworth Building rentieren würde, der Aufwand einer Wiedereröffnung der Plattform? Kosten-Nutzen-Rechnung? Würden die Massen wieder strömen, insbesondere die „normalen Aussichtstouristen“? Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob die alte Brüstung, die ja an sich hoch genug ist, heutigen (US)-Vorstellungen von Sicherheit entsprechen würde? Da hätte ich ebenfalls meine Zweifel. Aber ein Modell mit begrenzter Besucherzahl, Voranmeldung (wie in einem Canyon in Arizona, wo auch nur 20 Personen pro Tag (!) hineindürfen, oder der Totenstadt unter dem Vatikan), das würde sicher gehen. Nur wer würde das tatsächlich durchziehen? Solange man nicht mal richtig weiß, was man mit dem Gebäude überhaupt machen soll auf mittlere Sicht, wird die Außengalerie auch weiterhin die allermeiste Zeit still und menschenleer da oben existieren.

Schaedel: Vielen Dank für die sehr ausführlichen Antworten, dem ist erst mal nichts weiter hinzuzufügen. Dann starten wir jetzt wieder mit der Ansicht weiterer Fotos, die Du uns mitgebracht hast.




Schaedel: Ich vermute, hier blicken wir von der Aussichtsplattform nochmal ins Gebäude hinein und sehen dort einen alten Bekannten, dem wir am Ende des letzten Teils mehrfach begegnet sind.

Alex: Ja! Hier stehe ich bereits außen und wir sehen nochmal die Aufzugtür, die ursprünglich sicher verglast war und jetzt mit Karton überklebt ist.




Schaedel: Hier hast Du in den Bereich hineinfotografiert, der oberhalb der Aussichtsplattform liegt, oder?

Alex: Tja, hier ginge es rein theoretisch noch höher, in das Aufzugsräumchen über der Plattform, und ich habe auch sehr interessiert nach oben geschaut und fotografiert. Aber nachdem Mr. S. nicht auf den Kopf gefallen ist, antwortete er mir, auf die Plattform deutend, ohne dass ich ihn überhaupt direkt fragen hätte müssen: „That’s as high as you will get.“ Also schade, höher gings nicht. Na gut...





Schaedel: Ganz schön hoch hier – der erste Blick geht direkt hinunter in die Tiefe. Die Straße da unten ist nicht der Broadway, sondern die Park Row. Ich würde sagen, City Hall Park, links oben das alte Gebäude der New York Times, heute Pace University, daneben das rote Potter Building und rechts noch ein einst höchstes Gebäude der Welt.

Alex: Was könnte ich dem Blick des Experten noch hinzufügen...? Die Stahlkabel, die die Spitze anscheinend etwas besser zusammenhalten? Sehr vertrauenserweckend! Und nicht zu vergessen, die vier kleinen Türmchen, von denen man eins hier sieht. Architekt Gilbert hat das ähnlich wie sein Ingenieurskollege auf der Titanic gelöst: Drei Türmchen sind leere „Attrappen“, wenn man so möchte, nur zur Zierde da, das vierte allerdings enthält – den ursprünglichen Schornstein!





Schaedel: Das Gebäude im Zentrum des Bildes ist ein neuerrichtetes Apartmenthouse, hast Du uns letztes Mal wissen lassen. Der kleine Park links gehört zum vermutlich ältesten erhaltenen Gebäude in Manhattan. Und im Hintergrund schimmert an mehreren Stellen ein Ort durch, der im ganz frühen 21. Jahrhundert äußerst geschichtsträchtig war.

Alex: Allerdings - das Gelände des World Trade Centers. Wie schon erwähnt, liegt das arme kleine Woolworth Building ja mehr oder weniger direkt neben der tragischen Stätte des 11. September 2001, und ich habe Mr. S. oben darauf angesprochen, wie er diesen Tag hier erlebt hat, und dass es doch ein Riesenglück war, dass es nicht auch beschädigt bzw. gar zerstört worden ist. Aber – ich bekam hierauf keinerlei Antwort. Er hat einfach nichts darauf gesagt. Das ist einer der Momente, an die ich mich noch wie heute erinnere. Dieses Schweigen von ihm, auf jenen Vormittag knapp 7 Jahre zuvor angesprochen. Das muss ihn als New Yorker bis ins innerste Mark erschüttert haben, der noch dazu quasi vom Bürofenster aus diesen Schreckenstag miterleben musste, als die Riesentürme, von hineinrasenden Passagierflugzeugen tödlich getroffen, in sich zusammenstürzten, mit einem unbeschreiblichen, infernalischen Beben und Krachen, wie man es in seinem Leben wohl nur bei einem Vulkanausbruch erleben könnte... von all den tausenden sterbenden Menschen darin ganz abgesehen. Was mag er da mitangesehen haben? Wie sich etliche in schierer Verzweiflung aus dem Fenster in den Tod stürzten, vor seinen Augen, hunderte Meter fallend und schreiend, bis sie als nicht in Worte zu fassende Obszönitat menschlichen Leids auf dem Boden aufklatschten? Ich sagte dann in dem Moment auch nichts, und mir war das richtig unangenehm, um nicht zu sagen peinlich. Er hat sich aber nichts weiter anmerken lassen und normal freundlich weitergemacht mit unserer Führung. Um aber wieder auf andere, positive Gedanken zu kommen: Man beachte den Hausmeister auf der Terrasse gegenüber! Auch ein netter Arbeitsplatz...


Schaedel: Ich denke, da hast Du einen wichtigen Punkt angesprochen, das Erleben der Menschen, die bei diesem Ereignis tatsächlich live vor Ort waren. Deren Wahrnehmung war sicherlich noch eine deutlich andere als die, die wir - gefiltert durch die Massenmedien - hatten. Das manche nicht (mehr) darüber sprechen möchten, ist nachvollziehbar. Den Hausmeister gegenüber hatte ich noch gar nicht entdeckt.





Schaedel: Das älteste Gebäude von Manhattan ist auch hier verdeckt (oder schimmert da ein ganz klein wenig Dach links vom Verdecker?). Und da, wo heute links oben dieser grobe Klotz steht (Ecke Ann Street / Broadway), standen zuvor zumindest zwei geschichtsträchtige Häuser: Barnums American Museum und das St. Paul’s Building.


Alex: Derlei grobe Klötze gibt es heutzutage leider ja viel zu viele in New York. Umso schöner, dass so etwas wie das Woolworth Building auch nach 100 Jahren immer noch Akzente setzt! Und man sieht, etliche Gebäude drumherum sind durchaus weit weniger hoch, also auch hier kann unser vitaler Oldtimer noch immer locker mithalten...





Schaedel: Wohl wahr. Bei den letzten drei Bildern bin ich bei der Bildbeschreibung ein wenig vorgeprescht. Jetzt halte ich mich mal zurück und überlasse Dir bei den nächsten drei Fotos den Vortritt. 

Alex: Das größte Foto-Problem war für mich ehrlich gesagt, den Umgang irgendwie ganz draufzubekommen! Er ziert natürlich als Desktophintergrund meinen PC, aber Querformat habe ich nur eines gemacht, denn entweder bekommt man (als Hochformat) den Bogen oben und eine Seite der Umgangs-Krümmung drauf, wie hier, oder das Bild ist breiter, aber dafür ist kein Bogen zu sehen. Ja, ist echt nicht sonderlich groß da oben, und weiter zurückzugehen, wäre eher ungünstig...! Aber fantastisch natürlich die neugotischen Verzierungen und noch dieses gewisse Alte, irgendwie noch ein bisschen Ursprüngliche, Handgemachte, nicht überall 100% auf den Millimeter Perfekte, wenn man sich Kanten und Ecken der Brüstung mittlerweile so ansieht. Aber warten wir mal, wie WIR mit 100 aussehen...!





Schaedel: Was mir aber doch auffällt, ist die menschenleere Plattform. Wart Ihr da alleine oben oder hast Du die anderen aus der Besuchergruppe wegretuschiert? 

Alex: Ich fotografiere solche Sachen grundsätzlich menschenleer, sofern dies halt geht. Das soll überhaupt nicht böse klingen, aber ich hätte einen Ort, gerade auf einem Foto für die Ewigkeit, schon gern für mich allein – oder soll ich sagen, für den Ort allein. Er soll wirken durch seine bloße und stille Existenz. Aber das war da oben sehr einfach – es gab niemand anderen, das war für eine Stunde unser Woolworth Building, unsere Zweierführung. Ich weiß nicht, wieviele Leute es bis zu ihm schaffen und um eine Führung nachsuchen pro Jahr, dass er quasi regelmäßig so etwas machen würde, mit mehr Leuten. Kann ich mir aber nicht vorstellen, er ist ja trotzdem kein Touristenführer, sondern Gebäudemanager. Aber einer mit einem großen Herz, gottseidank!





Schaedel: Jetzt sind wir quasi einmal herum, nehme ich an?

Alex: Richtig, und dem geschulten Auge werden zwei ebenfalls markante Orte in der New Yorker Bucht auffallen, die gerade noch so ins Bild spitzen: Zum einen direkt über der Brüstungskante Ellis Island und links davon, vom Pfeiler nach rechts hereinragend, Liberty Island!






Schaedel: Und hier nochmal die ganze gotische Pracht der Wolkenkratzer-Kathedrale in Großaufnahme. 

Alex: Dieses Bild spricht für sich; das könnte ich mir stundenlang anschauen. Kein weiterer Kommentar nötig. Einfach genießen!






Schaedel: Na, wenn das nicht dem einen oder anderen Leser irgendwie bekannt vorkommt.

Alex: Das ist meine Freundin, und da oben wehte ein ganz schön kräftiges Lüftchen, trotz Sonnenscheins, also war die Jacke nicht übertrieben! ;-) Obwohl ich ehrlich gesagt hier eher noch einmal dieses nicht ganz 100 % Perfekte der Bausubstanz festhalten wollte. Das hat etwas sehr Menschliches, Liebenswertes, in Würde Gealtertes. Das macht diese Plattform auch so besonders. Wahrscheinlich sah das 1913 ganz anders aus, es roch noch nach frischer Farbe, alles war neu und gerade erst fertig, und die Leute kamen, um dieses perfekte Wunderwerk moderner Technik und märchenhafter Architektur aus der Nähe zu sehen. Aber, mein liebes WB, ich nehm dich auch mit 100, altes Mädchen!





Schaedel: Toll, wie Du wirklich versucht hast, so viele Details wie möglich mitzunehmen. Sogar das obligatorische W sieht man hier wieder. 

Alex: Das ist es, was ich erwarte bei so einem Bauwerk – Perfektion bis in den letzten Zentimeter, Detailtreue bis zum Knauf der Tür zur Aussichtsplattform. Man beachte das „W“ oben im Wappen und die komplexe Verzierung der Knauf-Vorderseite. Übrigens war dies das letzte Bild, das ich machte, bevor wir für Zeit und Ewigkeit diesen Ort verließen. Aber irgendwann musste ja mal Schluß sein – und das Dach wartete ja auch noch auf uns... ;-)





Schaedel: Ein historischer Klappstuhl aus dem frühen 20. Jahrhundert? Oder eine Sitzgelegenheit, falls mal jemandem in der Höhe schummrig wird?

Alex: Gute Frage! So einen habe ich auch daheim. Man könnte sich vorstellen, dass auf ihm einst der Turmwärter gesessen hat, um den Aufzug zu bedienen und aufzupassen, dass da oben alles seinen geregelten Gang geht, als feine Damen mit wallenden Kleidern nebst ihren in einen zugeschnürten Sonntagsanzug gepackten Gatten und den aufgeregten Kinderchen am Arm dem Aufzug entstiegen, um einen bis dato noch nie gekannten Ausblick auf das für uns alte (bzw. für sie gerade zum Himmel der Moderne strebende) New York zu genießen - nach Brooklyn, zur Freiheitsstatue und Richtung Midtown, wo noch keiner sich vorstellen hätte können, jemals einen solchen Koloss wie das Empire State Building in den Blick zu nehmen... Links des Sitzes sieht man, ganz nebenbei, die Leiter nach oben, rechts die Aufzugtür.






Schaedel: Ich hab da so meine Vermutung, aber erzähl Du uns mal, was Du hier fotografiert hast.

Alex: Was soll ich sagen? Wir blicken noch einmal weiter nach oben, dahin, wo mich Mr. S. leider nicht hochgelassen hat. Was mag da über der Plattform wohl sein, außer dem Aufzugsmotor? Noch ein allerletztes Leiterchen nach oben, zu jenem verwunschenen Umgängchen, ehe sich die Spitze endgültig verjüngen muss, alle Bögen und Streben sich finalerweise einer Kronenform nähern, bis dieses um Jahrhunderte aus der Zeit gefallen scheinende Gebäude ganz zuletzt in einer mittelalterlichen Lanze ausläuft?






Schaedel: Das letzte Bild ist nochmal ein Aussichtsfoto. Brooklyn oder Jersey?

Alex: Die schräg zulaufende Fläche (gleich rechts neben meiner Freundin) mit dem kleinen Grün dahinter und dem Boot davor gehört zum Brooklyn Bridge Park; die große Straße, die nach rechts am Ufer entlang verläuft, ist der Brooklyn Queens Expressway. Wie schon erwähnt: Wettertechnisch hatten wir perfekte Bedingungen. Im Internet gibt es auch Bilder von anderen WB-Außenführungen, die während eines Wolkenbruchs stattfinden mussten, da ziehe ich diesen Ausblick schon vor!


Schaedel: So schnell vergeht die Zeit. Schon haben wir das Ende des dritten Teils erreicht.

Alex: Das absolut Seltsamste war: Als wir am Ende wieder vor dem Gebäude standen, erschien mir die letzte vergangene Stunde wie ein Traum – obwohl es doch gerade erst geschehen war, aber ich sehe mich immer noch davorstehen, zur nun wieder unerreichbaren Spitze hochsehend, und ich spüre immer noch, wie unwirklich und so schnell vorbei sich das alles in dem Moment anfühlte, diese Überfülle an Eindrücken, von den Schätzen der Lobby über die Gipfelstimmung auf der Plattform bis zum verwinkelten Weg durch die Eingeweide des Gebäudes auf das Dach. Ich hätte dasselbe gleich nochmal machen können, um, quasi neben mir stehend, jetzt erst beim zweiten Mal so richtig begreifen zu können, was ich alles gesehen hatte und wo ich gerade gewesen war.

Schaedel: Das Gefühl kenne ich. Das geht mir eigentlich bei jedem Besuch in New York so. Wenn ich vor Ort bin, fliegt das alles an einem vorbei. Erst wenn ich wieder zurück in der Heimat bin, begreife ich so langsam, wo ich mich in den letzten Tagen aufgehalten habe.

Mit den Fotos sind wir jetzt durch, aber wir wollen hier noch nicht mit der Serie aufhören. Du hast noch weiteres Material , das Du mit uns teilen möchtest. Was erwartet uns da?

Alex: Last but not least gibt es auch von allem Filmmaterial! Für den konstanten Wind auf der Plattform kann ich leider nichts, für eventuelle Unschärfen und Wackler bitte ich jetzt schon um Nachsicht, ansonsten an dieser Stelle schon mal viel Spaß beim Rundgang in der Lobby, dem Weg aufs Dach und dem Aufstieg zur Spitze.

Schaedel: Das klingt ja nochmal richtig vielversprechend, dann auf Wiedersehen bis zum Teil vier.

Alex: Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Danke fürs Interesse nochmal an alle, die dies jetzt lesen!



(Foto: Dirk Stichweh, April 2012, vom Dach des One Liberty Plaza (Nachfolger Singer Building))




An dieser Stelle endet der dritte Teil über die Reise in das Innere des Woolworth Buildings. Im letzten und vierten Teil gibt es dann quasi nochmal eine Zusammenfassung und Ergänzung der bisherigen Folgen. Und das mit bewegten Bildern. Allerdings wird es ein wenig dauern, bis der vierte Teil auf Sendung gehen kann.

Der gute Alex muss sich jetzt erstmal von dem anstrengenden Interview-Marathon erholen. In gut zwei Wochen steht er voraussichtlich wieder zur Verfügung und dann werden wir den letzten Teil der Serie formen.

Die ersten zwei Teile und mehr Material über das Woolworth Building findest Du hier:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen