Sonntag, Mai 13, 2018

Comparing Old and New



Im Kampf gegen die seit Wochen andauernde Schreibblockade versuche ich, mit leichter Kost wieder den Weg in den Blog zu finden. Vielleicht klappts ja. 

Quelle für die Ausgangsfotos ist wie immer die Facebook-Gruppe "Dirty Old 1970s NYC":

Die bisherigen Folgen kannst Du hier im Rucksack nachschlagen: 

Ich mag die Aufnahme oben, denn sie zeigt mal wieder schön, dass Manhattan keinesfalls eine ebene Insel ist, sondern dass es dort mitunter ganz gut auf und ab gehen kann, wenn vielleicht auch nicht so offensichtlich wie beispielsweise in San Francisco.

Steven Zabel hat sie ca. 1976 aufgenommen und zwar an der Ecke Lexington Avenue und 102nd Street mit Blickrichtung nach Norden.

google maps

Wie man hier sieht, befindet sich der Standort im Norden von Manhattan, östlich von Central Park und wenige Blocks von seiner Nordostecke entfernt:



Ich habe den Google Street View-Mann ein kleines Stück südlich von der 102nd Street abgeworfen, hier kann man schön den Höhenunterschied zwischen diesem Teil der Lexington Avenue und dem nördlicher gelegenen Straßenabschnitt erkennen: 




Und ungefähr aus diesem Blickwinkel wurde 1976 die Aufnahme geschossen, ich vermute allerdings, dass der Photograph etwas weiter nördlich auf dem Bürgersteig stand, nur das kriege ich eins zu eines über den Street View nicht nachgeahmt. 



Trotzdem kommt das Ergebnis schon ziemlich nahe an das Originalbild ran:




Im Gegensatz zu anderen Vergleichen kann man hier mit 42 Jahren Abstand noch eine ganze Menge wiedererkennen. Der Marquee über der Tür im Vordergrund links ist verschwunden und genauso das Dach über dem Gotteshaus (?) in der Bildmitte, das Gebäude dahinter ist jetzt dunkelrot gestrichen und nicht mehr gelb, aber selbst die markanten Blickfänge im Bildhintergrund rechts kann man auch in der Gegenwart ausmachen. 



Der Blick reicht dabei bis mindestens zur 108th Street hinauf, wo an der Westseite der Kreuzung mit der Lexington Avenue ein markantes Hochhaus steht.

Der Blick die Lexington Avenue hinunter wurde schon 1931 einmal aufgenommen, wie man hier sieht, damals fuhren noch Straßenbahnen die Lexington hinauf und hinunter.



Die Anhöhe, die diesen Ort prägt, trägt übrigens den Namen "Duffy's Hill", benannt nach Michael Duffy, der Ende des 19. Jahrhunderts in diesem Viertel eine Reihe von Häusern errichten ließ. 1897 gab es am Übergang zum Hügel einige Unfälle mit den damals dort verkehrenden Cable Cars. 




An der Westseite der Lexington und oberhalb der 103rd Street steht auch heute noch das bereits oben erwähnte Gotteshaus, das auf dem Ausgangsfoto noch ein Spitzdach auf dem an der Gebäudeecke befindlichen Turm trug. 



Heute trägt diese Kirche den Namen "Hellenic Orthodox Church of Sts. George and Dimitrios", 1891 wurde sie als "Blinn Memorial Methodist Episcopal Church" errichtet. Hier die Kirche mit Turmhelm auf einer Aufnahme von 1930: 



1913 entstand die folgende Aufnahme, die die Lexington gen Norden hinaufblickt. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete man an einer Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, der über die Lexington nord- und südwärts geführt wurde. 

Lexington Avenue and 1203rd Street, 1913, from the collection of the museum of the city of New York


An sich sieht diese Umgebung ja recht ziemlich friedlich und unauffällig aus. 



Tatsächlich war der Ort in der Bildmitte in der Vergangenheit aber mal Schauplatz einer Bombenexplosion.



Am 04. Juli 1914 wurde durch die Wirkung von Sprengstoff das Mietshaus direkt neben der Kirche schwer beschädigt. 



Terroristische Anschläge gab es auch schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wir haben ja in der Schule einst gelernt, dass ein ganz bestimmter, der sich ebenfalls 1914 in Sarajewo ereignete, wenig später den Ersten Weltkrieg auslöste. 

In New York knallte es zu jener Zeit auch gelegentlich, bekannt sind zum Beispiel die Black Tom Explosion in New Jersey 1916 oder das Wall Street Bombing 1920. Im vorliegenden Fall hatten Anhänger der radikalen "Industrial Workers of the World" eine Bombenwerkstatt im obersten Stock des Mietshauses 1622 Lexington Avenue eingerichtet. Ziel des geplanten Bombenanschlags sollte der New Yorker Wohnsitz von Herrn John D. Rockefeller sein. Aber wie die Fotos belegen, ging die Bombe früher als geplant los, mit Getöse schrecklich groß. Der Bombenbauer kam wohl verletzt, aber mit dem Leben davon, fand sich aber durch die Wucht der Explosion zwei Stockwerke tiefer wieder. Andere hatten nicht soviel Glück, vier Personen kamen ums Leben und weitere sechs wurden verletzt. Von einem der Agitatoren der Gruppierung fand man Teile des Körpers auf dem Kirchendach nebenan wieder. 



Wie man hier sieht, wurde das beschädigte Haus nicht abgerissen, sondern wird bis heute als Wohnhaus genutzt. An den großen Knall, der sich am 4. Juli 1914 hier ereignete, erinnert heute nichts mehr. 

Links: 


Zeit für das nächste Photo. Knapp an den 1970ern vorbei, aber aufgrund des nyc-typischen Schauplatzes und der Farben einfach unwiderstehlich. Oder etwa nicht? 



Robert Hermann hat dieses Photo 1981 aufgenommen an der Kreuzung Prince Street und Broadway mit Blickrichtung nach Westen. Wie man sieht, befindet sich der Aufnahmeort ziemlich im Süden von Manhattan, in jenem Viertel, das den Namen SoHo trägt, weil es südlich der Houston Street liegt.





Dank des nicht zu übersehenden Zugangs zur U-Bahnstation ist es nicht schwer, den Standort zu rekonstruieren, den der Photograph seinerzeit bei der Aufnahme des Ausgangsbildes eingenommen hat. 



Hier stehen wir auf der Prince Street, unweit östlich der Kreuzung mit dem Broadway und blicken nach Westen. Der U-Bahn-Zugang auf der rechten Seite ist derjenige, der auch auf dem Ausgangsfoto erscheint. 

Die genaue Perspektive lässt sich mit dem Street View leider nicht simulieren, da in dieser Konstellation Photograph - U-Bahn-Zugang keine Momentaufnahme festgehalten wurde. Die wesentlichen Elemente des Ausgangsfotos (mit Ausnahme der beiden Damen im Vordergrund) kann man aber auch in der Gegenwart wiederfinden:




Auch hier ist in den Jahren zwischen Photo und Gegenwart soviel erhalten geblieben, dass man den Aufnahmeort problemlos wieder erkennen kann und doch hat sich auch einiges verändert. 

Die öffentlichen Fernsprecher an der Rückseite des U-Bahn-Eingangs sind verschwunden, dort befindet sich jetzt eine Reklametafel. Der Hinweis auf die U-Bahnstrecken wurde auch deutlich entrümpelt und vereinfacht. Die Fassade an dem Gebäude hinter dem U-Bahn-Zugang ist wieder graffitifrei und auch sonst ist das Erscheinungsbild des Ortes sanierter und weniger dirty als anno 1981. Die Geschäftslokale auf der gegenüberliegenden Seite des Broadways im Bildhintergrund sehen auch aufgeräumter, irgendwie aber auch langweiliger aus als vor 37 Jahren.

Die Songlines verraten uns, dass die Gebäude auf dem Photo schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel haben: 



Das Gebäude mit dem Graffiti hinter dem U-Bahn-Zugang stammt aus den 1890ern und wurde von George B. Post entworfen, der hinter zahlreichen Hochhausklassikern aus jener Epoche steckt. Das rote Ziegelhaus im Hintergrund wurde schon 1882 gebaut und beherbergte nach 1981 unter anderem das Guggenheim Museum Soho und gegenwärtig ein Prada Outlet. 

Dementsprechend kann man das Ziegelhaus mit der Prada-Herberge auch bereits auf dem nachfolgenden Photo vom August 1885 wiedererkennen, das während der Parade anlässlich der Beisetzung von Ulysses S. Grant, dem ehemaligen Bürgerkriegsgeneral und späteren US-Präsidenten, aufgenommen wurde. Wir blicken von einer südlich gelegenen Position den Broadway hinauf mit der Kreuzung Broadway / Prince Street ziemlich weit im Vordergrund. 



1934 entstand die folgende Aufnahme, die den Schauplatz auch vom Osten aus die Prince Street hinunter zeigt. Leider ist die Auflösung des Photos ziemlich gering, aber man kann die Rückseite des U-Bahn-Eingangs rechts neben dem Automobil durchaus erkennen.



An der Nordostecke der Kreuzung, also da, wo sich besagter U-Bahn-Zugang befindet, stand von 1852 bis zur Errichtung des heutigen Gebäudes nach 1895 das Metropolitan Hotel. Hier der Blick vom Süden her den Broadway hinauf mit dem Metropolitan Hotel ab der Bildmitte:

Metropolitan Hotel, from the collection of the museum of the city of New York


Und in dieses Gebäude eingebettet war ein legendäres New Yorker Theater, das schon Jahre zuvor an dieser Straßenecke seine Pforten geöffnet hatte und wiederholt einer Feuersbrunst zum Opfer fiel: Niblo's Garden. Etwa 1887 entstand die folgende Aufnahme, die den Eingang zu Niblo's Garden und links daneben den Eingang zum Metropolitan Hotel abbildet. 



In den 1820ern, also zu jener Zeit, als Niblo's Garden seinen Betrieb aufnahm, hatte das Theater noch so ausgesehen wie auf dieser Zeichnung:



Links: 


Photo Nummer 3 führt uns in das Jahr 1977, es wurde von Helen Levitt an der Kreuzung Rivington Street / Orchard Street aufgenommen mit Blickrichtung nach Osten:



Wie man sieht, bleiben wir im Süden Manhattans unterhalb der Houston Street, verlagern unseren Standort nur ein Stück in östliche Richtung: 





Hier habe ich das Bild um 90 Grad gedreht, nach oben hin ist jetzt Osten und wir sehen in etwa die Blickrichtung, die auch das Ausgangsfoto hat. 



Wenn wir mit der Kamera mal wieder hinunter auf Straßenniveau gehen, bietet sich das folgende Bild auf der Rivington Street mit der Kreuzung Orchard Street in greifbarer Nähe, Blickrichtung Osten: 



Die Kulisse für das Ausgangsfoto dürfte somit im Hintergrund rechts liegen:




Der Lebensmittelladen Corner Grocers im Vordergrund in der Gegenwart könnte den Geschäften mit den Gittern vor den Scheiben in der Vergangenheit entsprechen. 

Schwierig ist die Zuordnung, weil zwischen 1977 und heute eine ganze Reihe von Gebäuden auf diesem Block plattgemacht wurden und deshalb keine Orientierungspunkte mehr bieten: 



Jener bogenartige Eingang unter dem Bar / Restaurant-Schild dürfte auch in dieser verschwundenen Zone gelegen haben. 



Vielleicht bieten aber die links von diesem Eingang fotografierten Gebäude einen Anhalt. Wir sehen da zum einen ein Gebäude mit einer roten Ziegel (?)-Wand und dann ein Eckgebäude mit auffälligen Streifenornamenten: 



Das könnten diese zwei Gebäude sein, die vor bzw.  hinter der nächsten Kreuzung (Rivington Street / Ludlow Street) in östliche Richtung stehen: 



Der Eingang in das Ziegelhaus trägt Ornamente und hebräische Schrift, die auf jüdische Bewohner oder Mieter hinweisen, auf der Lower Eastside von Manhattan nicht ganz ungewöhnlich. 




Das Fassadenmuster des Eckgebäudes jenseits der Ludlow Street passt meiner Meinung nach zu der entsprechenden Fassade auf dem Ausgangsfoto:




Dank dieses Gebäudes und dem vorausgegangenen roten Ziegelgebäude lässt sich einigermaßen verifizieren, dass wir hier tatsächlich an jenem Ort sind, der 1977 auf dem Ausgangsfoto festgehalten wurde. Noch einmal das Original und die Kulisse heute:




Auf dieser historischen Aufnahme unbekannten Datums wurde die Mündung der Rivington Street in die Allen Street fotografiert:



Links oben sieht man das Gebäude, in dessen Erdgeschoss heute Corner Grocery zu finden ist:





In der Sammlung des Museums der Stadt New York habe ich den Lückenbüßer mit dem bogenartigen Eingang gefunden, der von Edmund V. Gillon etwa ein Jahr nach dem Ausgangsfoto aufgenommen wurde: 

Edmund Vincent Gillon, First Roumanian-American Congregation, 89-93 Rivington Street, ca 1978, 
from the collection of the museum of the city of New York


Die Songlines wissen noch einiges mehr über dieses Kirchengebäude zu berichten, das ursprünglich mal als "German Evangelical Church" im Jahr 1857 errichtet wurde. 



Hier haben wir eine Aufnahme in Farbe vom Gebäude und vom Eingang:




Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts steuerte das jüdisch-orthodoxe Gotteshaus langsam auf sein Ende zu:





Der Abriss fand dann im Jahr 2006 statt: 

By Tom Fletcher (http://www.nyc-architecture.com) - http://www.nyc-architecture.com/LES/LES036.htm, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5185859





Links: 


Auch über das Haus mit den hebräischen Schriftzeichen über der Tür findet man einen kleinen Beitrag in den Songlines, dort erfährt man, dass jenes Haus bereits auf eine fast 180jährige Geschichte zurückblickt: 



Das Eckgebäude mit dem markanten Fassadenmuster beherbergte einst 50 Jahre lang "Spitzer's Dress Store", ein Name, der in die jüdisch geprägte Umgebung passt. 












Und mit diesen Bilddokumenten eines in der Zwischenzeit nicht mehr vorhandenen New Yorker Bekleidungsgeschäft lasse ich den Beitrag dann auch mal ausklingen. 


Mehr Folgen von Comparing Old and New findest Du hier:
http://nygeschichterucksack.blogspot.de/2018/02/comparing-old-and-new.html


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