Sonntag, Dezember 13, 2015

Little Syria



Auch auf die Gefahr hin, dass vielleicht der eine oder andere von Euch das Wort "Syrier" nicht mehr hören und/oder lesen kann, möchte ich trotzdem kurz ein ziemlich unbekanntes Kapitel aus der Geschichte von Südmanhattan anschneiden, auf das mich Andrea B. aufmerksam gemacht hat, die bereits für den einen oder anderen Beitrag hier im Blog die Inspiration geliefert hat. Sie hat mir den folgenden Link geschickt, auf den dieser Beitrag aufbaut. 


Das historische Bildmaterial, sofern nicht anders zugeordnet, stammt aus den Sammlungen der Kongressbibliothek (Library of Congress) und der Öffentlichen Bibliothek von New York (New York Public Library).

In Manhattan gibt und gab es ja das eine oder andere "Little XXX", mit dem ein Viertel bezeichnet wird, in dem eine bestimmte Gruppe von Einwanderern besonders häufig auftritt. 

Am bekanntesten dürfte Little Italy in der Nähe von Greenwich Village und SoHo sein oder Little Korea in der Nähe des Herald Squares. Auch ein Little Germany hat es einst in der Lower Eastside gegeben, bis die General-Slocum-Katastrophe 1904 diese Gemeinschaft bis in die Grundfesten erschütterte und zur Folge hatte, dass sie sich in den folgenden Jahren weitestgehend auflöste. 

Bisher war mir nicht bekannt, dass es auch ein Little Syria in Manhattan gab, in dem sich seit den 1880ern bis in die 1940er Einwanderer aus dem Libanon, aus Syrien, aus Israel bzw. Palästina und aus Jordanien sammelten, dazu kamen noch Armenier und Griechen.



Am meisten überrascht hat mich der Ort, an dem sich diese Einwanderergruppe in Manhattan niedergelassen hatte, der 1899 etwa 3.000 Personen zugeordnet wurden. Die wohnten nämlich in einem Gebiet, dass unmittelbar südlich vom heutigen Gebiet des World Trade Centers begann. 

google maps


Das World Trade Center erstreckt sich ungefähr bis zur Liberty Street, heute wohl noch etwas weiter südlich, aber darunter dürfte sich Little Syria befunden haben, ganz im Südwesten von Manhattan. 

Neben dem World Trade Center ist der Brooklyn-Battery-Tunnel, dessen Einfahrt wir hier über dem Battery Park sehen, eine weitere wichtige Größe. Sein Bau ab den 1940ern läutete zugleich wohl das Ende von Little Syria ein, das sich unter anderem dort befand, wo heute die Tunneleinfahrt zu sehen ist. 

Blicken wir auch mal in die Vergangenheit. Hier sehen wir den Südwesten von Manhattan auf eine Karte von 1885, der Norden ist dieses Mal rechts: 



Ohne Anspruch auf Vollständigkeit vermute ich, dass sich Little Syria in etwa in dem rot umrandeten Bereich befunden hat.




Mit Hilfe der Seite http://www.oldnyc.org/ habe ich mal ein wenig in dieses Gebiet hineingeschaut. Hier sehen wir Photographien vom Ende der 1920er und aus den 1940ern, die an der Kreuzung Washington Street / Carlisle Street entstanden sind: 










Hier weitere Bilder aus dem Umfeld der Kreuzung Rector Street / Washington Street: 










Insbesondere sind mir diese beiden Schaufenster aufgefallen, die die Präsenz von Little Syria in diesem Stadtteil stützen: 




Ich springe nochmal einen Straßenblock tiefer zur Kreuzung Morris Street / Washington Street und zu einem Teil des Viertels, der spätestens beim Tunnelbau verschwunden ist. Es sind faszinierende Bilder von diesem "Vorort" erhalten geblieben, mit den Wolkenkratzerschluchten des Südbroadways und seiner Umgebung im Hintergrund. 


















Die kleine Kirche, die wir auf den letzten Bildern sehen, erinnert mich an einen der frühesten Beiträge hier im Blog, der damals durch die nyc-architecture und die dort eingestellte Seite "Gone not forgotten" inspiriert war und von einer kleinen griechisch-orthodoxen Kirche namens "St. Nicholas" an der Cedar Street berichtete, die beim Einsturz des World Trade Centers am 11.09.2001 unter die Trümmer der Zwillingstürme geraten und zerstört worden war. 






Mit dem Wissen, dass sich in diesem Bereich von Manhattan neben Einwanderern aus dem Nahen Osten auch Griechen und Armenier niedergelassen hatten, macht das Vorhandensein einer griechisch-orthodoxen Kirche im Financial District dann doch durchaus Sinn. 

Unter den Trümmern des World Trade Centers tauchten noch die Überreste einer anderen christlichen Kirche mit Bezug zu Little Syria auf, nämlich von der St. Joseph's Manorite Church. 


Diese Kirche war von den Einwanderern in den 1890ern gegründet worden und in diversen wechselnden Gebäuden entlang der Washington Street (unter anderem # 127 und # 81) ansässig. Die Unterkunft in 57 Washington Street musste in den 1940ern wegen dem Bau des Brooklyn-Battery-Tunnels aufgegeben werden und die Gemeinde zog hinauf zum Haus Nummer 157 Cedar Street.

Wegen dem Bau des World Trade Centers musste die Kirche aber auch diese Lokalität verlassen und ein weiteres Mal umziehen. Nach dem Abriss blieb aber wohl der oben abgebildete Grundstein der Maronitenkirche in der Baugrube des World Trade Centers liegen und der kam offenbar wieder zum Vorschein, als die Grube nach dem Kollaps der Zwillingstürme ausgeräumt wurde. 

Zum Schluss kehre ich nochmal zum Ausgangsbeitrag zurück und präsentiere noch ein paar Bilder von jenen Menschen, die vor 100 und mehr Jahren im Gebiet von Little Syria bei ihren Alltagsverrichtungen photographiert wurden: 








Links:

Vielen Dank an Andrea für den Hinweis auf dieses interessante und erforschungswerte Thema.


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