S. Marksville, Probably the store of Jacob Hans, 59 Cannon Street, ca 1886,
from the collections of the museum of the city of New York
Die Facebook-Seite https://www.facebook.com/TheOldNewYorkPage?fref=nf hat in den vergangenen Stunden dieses schöne alte Photo aus der Sammlung des Museums der Stadt New York veröffentlicht, das einen Süßigkeitenladen zeigt, der sich einst auf der Lower East Side von Manhattan befand.
Die Aufnahme soll ungefähr 1886 entstanden sein und wäre damit auch schon mehr als 130 Jahre alt.
Das es sich bei dem Besitzer des Süßwarenladens vermutlich um Jacob Hans handelt, konnte ich nicht vollständig nachvollziehen. Der einzige Hinweis, den ich in dieser Richtung finden konnte, ist das Schild in der Mitte am oberen Bildrand, auf dem der Name "HANS" stehen könnte.
Die allwissende Suchmaschine hat aber zu "Jacob Hans" leider nichts weiter ausgespuckt. Was aber noch dafür sprechen könnte, ist der Umstand, dass sich die Adresse auf der Lower East Side befindet und dort war ja die Dichte mit Einwanderern aus deutschsprachigen Ländern ziemlich hoch. Und auf eine solche Herkunft deutet der Name Jacob Hans dann schon hin.
Leider funktioniert bei mir seit einiger Zeit nicht mehr der Zoom in die Bilder aus der Sammlung des MCNY. Ich habe noch nicht herausgefunden, was der Hintergrund ist, ob das z.B. inzwischen eine Option ist, für die man bezahlen muss. Sich beim MCNY zu registrieren, reicht jedenfalls nicht. Wer die Lösung kennt, wird gebeten, einen Kommentar zu hinterlassen.
Deshalb konnte ich auch leider nicht sagen, was auf den Tafeln im Schaufenster steht. Die wenigen lesbaren Schilder verraten jedenfalls, dass im Candy Store nicht nur mit Süßigkeiten gehandelt wurde, sondern dass man dort auch Zigarren kaufen und (vermutlich abnehmbare) Hemdkragen und Manschetten zum Reinigen abgeben konnte (LAUNDRY COLLARS AND CUFFS). Das Schild "FLATS" rechts über die Dame im Eingangsbereich könnte auf Wohnungen hindeuten, ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass es hier um die Dienstleistung "Bügeln" geht, flat iron ist schließlich ein Bügeleisen, soviel haben wir dank des Hochhausklassikers am Madison Square schon gelernt.
Ich möchte noch einen Blick auf den Standort des Candy Stores werfen. Der soll sich an der Adresse 59 Cannon Street befunden haben.
google maps
Wir sehen, dass sich die Adresse auf der Lower East Side im Süden von Manhattan befindet, unmittelbar unterhalb der Auffahrt / Abfahrt der Williamsburg Bridge auf der Manhattan-Seite.
Bei der Cannon Street handelt es sich nur um ein ganz kurzes Sträßchen im Schatten der Williamsburg Bridge.
Ich setze den Google-Street-View-Mann mal vor der Mündung der Cannon Street in die Delancey Street ab, wie gesagt im Schatten der Williamsburg Bridge:
Was aber eigentlich interessiert, ist der Blick von dieser Position aus in die Cannon Street hinein.
Auch wenn die Häuser links älter aussehen, als die rechts, so fällt es mir dennoch schwer zu glauben, dass sie schon 130 Jahre auf dem Buckel haben. Leider kommt man mit dem Street View nicht in das Sträßchen hinein.
Die Immobilien-Informationen bei NYCityMaps bestätigen diese Vermutung, auch wenn sich die Informationen dort nicht unbedingt immer als belastbar erwiesen haben. Danach sind die Häuser auf der rechten Seite 1952 gebaut worden und die auf der linken Seite 1910.
Da wir jetzt gerade mal bei NYCityMaps sind, habe ich auf das Luftbild von 1924 umgeschaltet, um noch einer Vermutung nachzugehen. Nämlich die, dass die Cannon Street nicht immer ein Sträßchen gewesen ist, sondern durch städtebauliche Maßnahmen drastisch verkürzt wurde. Und siehe da - auch wenn das Luftbild an genau dieser Stelle mit einem Text überklebt und etwas unsauber zusammengetüdelt ist - anno 1924 war auf jeden Fall noch mehr Cannon Street vorhanden als 2017:
Dank des Brückenbaus über den East River hinweg und starker städtebaulicher Eingriffe im Verlauf des 20. Jahrhunderts gibt es in Süd-Ost-Manhattan nicht nur viele "Lost Buildings", sondern auch einiges an Material zum Thema "Lost Streets"
Ich ziehe mal den Bromley-Stadtatlas von 1891, der dieses Viertel zu einem Zeitpunkt zeigt, als die ab 1896 errichtete Williamsburg Bridge noch nicht existierte.
Glücklicherweise ist der Bildausschnitt dieser Karte so gewählt, dass er den gesamten Verlauf abbildet, den die Cannon Street einst hatte. Nämlich an der Houston Street im Norden beginnend
Sie begann im Norden mit der Mündung in die "Houston Street", kreuzte dann während des Verlauf in südlicher Richtung die "Stanton Street", ...
... gefolgt von der Rivington Street (grün), der Delancey Street (wo heute die Ausläufer der Brücke entlangführen) und der Broome Street, ...
.... um am südlichen Ende schließlich in die Grand Street zu münden.
Bis in die Gegenwart ist nur der kurze, einen Straßenblock lange Abschnitt zwischen Broome Street im Süden und Delancey Street im Norden erhalten geblieben.
Ein Abgleich der Hausnummern mit der Karte verrät außerdem, dass der Teil der Straße, in dem sich der Candy Store einst befand, heute nicht mehr erhalten ist. Die Hausnummern ab 50 aufwärts befanden sich nämlich in erst in dem Abschnitt der Straße, der zwischen der Rivinton Street im Norden und der Delancey Street im Süden lag.
Das Haus mit der Nummer 59 Cannon Street muss man sich ungefähr dort vorstellen, wo heute die Brückentrasse verläuft.
Da aber in den 116 Jahren seit Erstellung der Karte einiges vor Ort verändert wurde, was den Verlauf und die Anordnung der Straßen in diesem Gebiet angeht, lässt sich nicht mehr präzise sagen, wo 59 Cannon Street damals gestanden hat. Heute heißen zum Beispiel beide parallelen Straßen oberhalb und unterhalb der Williamsburg Bridge Delancey Street.
Von dem verlorenen Abschnitt, in dem sich 59 Cannon Street befunden hat, konnte ich keine Bilder finden, aber es existiert Bildmaterial von dem Abschnitt zwischen Broome Street und Delancey Street, der bis heute erhalten geblieben ist, sich in Teilen aber heftig verändert hat.
Die Bilder vermitteln einen Eindruck davon, wie es in den 1920ern und 1930ern in der Lower East Side an der Cannon Street ausgesehen hat und der wahrscheinlich auch auf den verschwundenen Abschnitt angewendet werden könnte.
Cannon Street - Broome Street 1920
Broome and Cannon Street 1933
Cannon Street from under the bridge viewing north 1939
Cannon Street from Broom Street
South from Cannon Street / Broome Street
Looking north from below Cannon Street / Broome Street
Und mit den nachfolgenden Photographien, die sich auf die römisch-katholische Kirche "St. Rose of Lima" konzentrieren, die einst südöstlich der Delancey Street am Abschnitt der Cannon Street nördlich der Broome Street gestanden hat und deren Position noch einmal verdeutlicht, wie schwer die Eingriffe und Veränderungen in diesem Gebiet waren, möchte ich den Beitrag abschließen.