Heute steigen wir ein weiteres Mal hinab in die legendäre U-Bahnstation im Süden von Manhattan. Zum Teil, weil ich ein paar schöne neuere Bilder entdeckt habe, zum Teil auch, weil es da noch eine Frage zu klären gibt.
Seit 1945 ist sie nicht mehr in Betrieb, zum Zeitpunkt der letzten Jahrtausendwende sollte sie Teil des New Yorker U-Bahn-Museums werden und dank des 11. Septembers ist sie gar nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich.
Ich hatte der Station seinerzeit zu Beginn der Bloggerei hier bereits einen der ersten Beiträge gewidmet:
http://nygeschichte.blogspot.de/2006/10/city-hall-subway-station.html
Wer die New Yorker U-Bahn kennt, weiss, dass die Stationen in der Regel nicht so üppig ausgestattet sind, wie die City Hall Station. Der Grund ist einfach. Als damals zu Beginn des 20. Jahrhunderts die U-Bahn in New York gebaut wurde, benötigte man eine besonders repräsentative Station, um potentielle Geldgeber von dem Projekt zu überzeugen. Und diese repräsentative Station setzte man an das Südende der ersten Strecke, versteckt direkt im Untergrund vor dem New Yorker Rathaus, so dass der Bürgermeister nur zwei Schritte aus seinem Amtssitz treten musste und dann direkt mit seinem Besuch hinunter in die City Hall Station hinabsteigen und Überzeugungsarbeit leisten konnte.
Wie man sieht, wird die Station inzwischen gelegentlich wieder für historisch interessierte Besucher geöffnet, weshalb wir das eine oder andere schöne Bild neueren Datums von dort unten bestaunen können.
Auch erst vor wenigen Wochen habe ich bei Shorpy eine hochauflösende Aufnahme aus der Anfangszeit der City Hall Station entdeckt und die vermutlich 1904 gegen Ende der Bauzeit entstanden ist:
http://www.shorpy.com/node/7609?size=_original
Schon hier hatte ich mich über das helle Licht aus den Lichtschächten in der Decke gewundert, denn bisher war ich davon ausgegangen, dass es sich um von hinten beleuchtetes Glas handelt, wie man es zum Beispiel in einer der zahlreichen sehr sehenswerten Moskauer U-Bahnstationen findet. Wenn man das Bild oben sieht, dann könnte man auch annehmen, dass es sich um Tageslicht handelt.
Auch diese beiden folgenden Aufnahmen erwecken den Eindruck, dass dort Tageslicht bis hinunter in die Station leuchtet, wenn auch etwas trüber als vor 109 Jahren:
Hier ist der Tageslicht-Eindruck ganz besonders ausgeprägt, ähnlich wie bei der Schwarz-Weiß-Aufnahme oben.
Glücklicherweise sind die "Fenster" dieser Station auch aus der Nähe fotografiert worden, so dass man einen Eindruck davon erhält, wie es hinter dem Glas aussieht. Und man muss feststellen, dass die Fenster nicht mehr heil sind, sondern der eine oder andere Schaden zu beklagen ist. Außerdem scheint teilweise auch Dreck von oben herabgefallen und auf dem Glas liegengeblieben zu sein.
Das folgende runde Ornament befindet sich nicht wie die anderen Deckenfenster auf der Ebene der Station unten, sondern eine Etage höher auf dem Weg nach oben.
In diesem höher liegenden Raum fand früher der Ticketverkauf statt:
Eine besonders aufschlussreiche Fotografie ist die folgende, die am meisten darüber verrät, was sich hinter den Fenstern in den Gewölben über dem Bahnsteig verbirgt:
Diesen Lichtschacht im wahrsten Sinne des Wortes findet man auch auf der schematischen Zeichnung der City Hall Station (Vault Light in Plaza):
Weitere Eindrücke von den Gewölbefenstern und dem Dahinter vermitteln die nachfolgenden Bilder aus dem Flickr-Photostream von ToyTrains.
Die Photographin Karen Johnson hat bei ihrem Besuch in der City Hall Station ebenfalls ein paar aufschlussreiche Details festgehalten:
Ich frage mich, wo sich die Lichtschächte, die das Tageslicht hinunter bis in die U-Bahn-Station leiten, draußen im Umfeld der City Hall befinden mögen. Zur Orientierung dient diese Karte:
Das Rathaus von New York (City Hall) habe ich mit dem virtuellen Textmarker gelb gefärbt und ebenso den Loop, auf dem einst die Züge am Südende der ersten U-Bahnstrecke von New York wendeten.
Die Station befindet sich also im Untergrund links, wenn man vom Süden her auf das Rathaus blickt. Es gibt drei Fenstergruppen, die sich gleichmäßig über die Decke der Station verteilen, die mittlere Fenstergruppe an der Treppe, die vom Ticketraum hinunter zum Bahnsteig führt.
Na gut, dann schauen wir mal, ob man oben auf Bürgersteigniveau etwas passendes erkennen kann. Eine Aufnahme vom New Yorker Rathaus aus dem Jahr 1903, wieder Shorpy:
Also, mein Tipp sieht wie folgt aus. Zunächst einmal die beiden Eingänge zur U-Bahn markieren, die verraten ja den ungefähren Standort der im Untergrund verborgenenen Station.
Und jetzt müssen wir östlich davon nach drei Lichtschächten suchen, die bogenförmig oberhalb des Bahnsteigs angeordnet sind:
Und schließlich noch ein Schacht für das kreisförmige Fenster in der Decke des Ticketraums.
Zum Vergleich nochmal die Karte, ich würde sagen, das könnte passen.
Schauen wir nochmal auf ein anderes Bild, dieses Mal ca. 1912, vielleicht auch schon 1913:
Der City Hall Loop, also der komplette Wendekreis der U-Bahn am einstigen Südende, befand sich unter der Fläche zwischen dem Rathaus im Vordergrund links und dem City Hall Post Office in der Mitte links.
In dem Bildausschnitt werden zuerst wieder die Eingänge zur U-Bahn markiert.
Hier sieht man jetzt nur den südlichsten, in der Wiese eingebetteten Lichtschacht sowie den runden über dem Ticketraum.
Ich frage mich, ob man diese Installationen auch aus der Höhe wiedererkennen kann. Schauen wir uns mal das Luftbild von 1924 an.
Rechts oben haben wir das Rathaus, links unten mit dreieckigem Grundriss das City Hall Post Office. Unterhalb der Fläche zwischen diesen beiden Gebäuden liegt der City Hall Loop mit der U-Bahn-Station im Westen. Wegen des etwas ungünstigen Schattenwurfs kann ich die Position der Eingänge zur U-Bahn nur mutmaßen, ich vermute sie hier:
Dieses Mal bietet der Lichtschacht in der Wiese die beste Orientierung. Und davon ausgehend kann man auch die anderen zwei in der Straße und im Fußweg wiederfinden.
Ich glaube, man kann sogar das kleine Runde wiedererkennen:
Mal schauen, ob man diese Konstellation auch in der Gegenwart ergoogeln kann.
Puh, da ist aber ne Menge Wald und Schatten über der interessanten Stelle. Wie man sieht, ist das Unternehmen aber nicht total hoffnungslos. Ein bisschen was gibt es dann doch noch wiederzuentdecken.
Die Eingänge sind natürlich verschwunden, klar, wenn man die Station 1945 dichtmacht, dann braucht man keine Eingänge mehr für dort hinunter. Aber der nördliche Lichtschacht ist zu sehen und der kreisrunde über dem Ticketraum. Und ich bilde mir ein, unter dem weißen Wagen die Kante des mittleren Lichtschachts wiederzuerkennen.
Nachtrag:
Blogleser O'Boyle hat noch ein paar weitere Gegenwartsfotos der Lichtschächte entdeckt, die ich an dieser Stelle nachreichen möchte. Vielen Dank O'Boyle.
Die anderen zwei wollen sich nicht hochladen lassen, die sind wohl etwas zu groß. Naja, dann eben die Links:
http://imageshack.us/a/img442/5214/jy0.png
Nachtrag Ende.
Zum Abschluss noch drei faszinierende Fotos aus der Geschichte der New Yorker U-Bahn. Zuerst eine Aufnahme vom 24. März 1900, als am New Yorker Rathaus die Grundsteinlegung für den Bau der U-Bahn erfolgte:
Die letzten zwei Fotos entstanden vor der Eröffnung der U-Bahn im Oktober 1904. Wir sehen Geldgeber, Prominente und Stadträte, die sich das Verkehrsprojekt schon einmal aus der Nähe ansehen.
Man hat eher den Eindruck, dass die dort in ein Fahrgeschäft in einem Freizeitpark einsteigen. Aber vielleicht haben die sich damals auch so ähnlich gefühlt wie heutzutage diejenigen, die einen "Ride" ausprobieren.