Foto: Alex
So, ich konnte mich tatsächlich während der laufenden Woche noch aufraffen wie gestern mal vorsichtig angekündigt und das dank der tatkräftigen Unterstützung von Blogleser Alex. Genau heute vor drei Monaten hatte ich Euch angekündigt, dass in Kürze eine erneute Miniserie hier auf Sendung geht, die sich mit dem Inneren des Woolworth Buildings beschäftigt, so wie die erste Miniserie, die Alex und ich vor zweieinhalb Jahren produziert haben, auch.
Es hat dann noch etwas gedauert, bis wir tatsächlich mit der Umsetzung des Materials begonnen haben, aber jetzt ist endlich der erste Teil der Serie fertiggestellt. Wie schon in der ersten Miniserie wird Alex auch dieses Mal wieder von mir zu den Fotos interviewt, die er im Woolworth Building geschossen hat. Hinter dem Namen Roy, der gelegentlich im Text auftaucht, steckt der Gebäudemanager des Woolworth Buildings. Genug erzählt - los gehts.
Schaedel: Hallo Alex, vor zweieinhalb Jahren haben wir hier im Blog zusammen eine Miniserie über das Innere des Woolworth Buildings in New York veröffentlicht, jetzt kehren wir wieder zu diesem Klassiker unter den Wolkenkratzern zurück. Kannst Du Dich nochmal kurz vorstellen, wo kommst Du her, wie alt bist Du?
Alex: Ich komme aus Nürnberg, bin 48 und seit ich denken kann, von den oberen, meist ja recht unzugänglichen Regionen von Bauwerken fasziniert, seien es Kirchen, Denkmäler (die zu ihrer Entstehungszeit ja meist immer begehbar waren und nur jetzt in unserer Zeit "zu" sind) oder eben Hochhäuser. Und Manhattan hat ja in der Hinsicht einiges zu bieten.
Schaedel: Wie oft hast Du die Stadt New York in der Zwischenzeit besucht?
Alex: Wir waren einmal noch da, 2013. Es ist einfach ein guter Startpunkt jeder USA-Tour und wir waren auch noch nicht überall. Ellis Island hatte ja bis vor kurzem wegen der Hurrikanschäden zu und auch Coney Island hat sich bis jetzt noch nicht ergeben. Naja, das sind ja schon mal zwei Gründe, wieder hinzufahren... :-)
Schaedel: Du hast mir vor einigen Monaten mitgeteilt, dass Du erneut das Woolworth Building in New York besucht hast. Wie kam es dazu? Gab es nach Deinem ersten Besuch noch offene Fragen? Hattest Du dieses Mal einen anderen Schwerpunkt?
Alex: Die Lobby besteht ja nicht nur aus den grandiosen Bögen und Mosaiken. Rings um die orangegelb beleuchtete Glasdecke über der großen Treppe sind etliche kleine Figuren zu finden, skurrile Gnome, zwergenhafte Männchen, die größtenteils irgendwas lesen oder sich mit Büchern zu beschäftigen scheinen, aber auch z.T. mit Kleidungsstücken! Die sieht man von unten praktisch gar nicht, auch wenn man seinen Kopf um 90 Grad in den Nacken legt. Ohne Fernglas oder Zoomobjektiv bleiben diese Schätze dem Auge so gut wie verborgen. Die wollte ich mal genauer untersuchen. Außerdem hatte ich mir vorgenommen, jede einzelne der karikaturhaften Figuren zu finden und abzulichten, die in den Deckenwinkeln der Lobby überall verteilt sind und alle wesentlich an der Entstehung des WB beteiligten Männer darstellen.
Schaedel: Ist Dir aufgefallen, dass es gegenüber dem ersten Besuch Veränderungen im Gebäude gegeben hat oder im Umgang mit Besuchern?
Alex: Nein, eigentlich nicht. Wenn man im WB arbeitet oder geschäftlich zu tun hat, ist das ein Hochhaus wie jedes andere auch. Leute gehen durch die Drehtür hinein, entweder direkt zu den Aufzügen oder erstmal zur runden Rezeption in der Lobbymitte. Diesesmal konnten wir einfach zur Rezeption gehen, ohne dass uns ein Schrank entgegengekommen wäre, um uns gleich wieder hinauszukomplimentieren. Aber irgendwie müssen die schon einen Blick für Touristen haben, wer einfach nicht wie ein (amerikanischer) Angestellter oder Geschäftsbesucher aussieht.
Schaedel: Ich habe mitbekommen, dass in der Turmspitze des Woolworth Buildings ein mehrstöckiges Multimillionendollarpenthouse gebaut wird. Ist die Turmspitze für Normalsterbliche noch zugänglich oder sind Besuche dort oben in der Zwischenzeit nicht mehr möglich?
Alex: So traurig das ist, aber diese Zeiten sind wohl endgültig vorbei! Selbst bei unserem Besuch waren die Arbeiten ja schon im Gange, und ich glaube nicht, dass uns Roy überhaupt nochmal hochgelassen hätte, rein schon aus Sicherheitsgründen. Und jetzt kann man sich die Grundrisse der ganzen Luxuswohnungen ja bereits detailliert im Internet ansehen!
Die oberste ist ja nicht die einzige. Die ganze grüne Spitze (und noch einige Stockwerke direkt darunter) wird zu mehreren Luxuspenthäusern umgebaut, und das oberste hat als absolute, einmalige Dreingabe die Außenplattform als singulären, privaten Aussichtspunkt. Das gibts so wohl nur einmal auf diesem Planeten. Gut, dafür kostet das ganze auch entsprechend...;-) Ich frage mich, ob der zukünftige Besitzer wohl gegen Geld Leute auf die Plattform lassen würde. Wer allerdings 100 Millionen Dollar für eine Wohnung zahlen kann, der machts sicher auch gegen einen netten Händedruck und ein Lächeln. Aber ganz im Ernst, ich glaube, das wars für alle Zeiten. Das Ding gehört jetzt schlicht und einfach zu einer Wohnung und Ende. Aber wer weiß schon... Never say never...
Foto: Alex
Schaedel: Wir steigen hier direkt mitten im Gebäude ein. Ich erkenne einen Flur und rechts die Aufschrift "Suite 2000" auf einer Tür. Was kannst Du uns hierüber erzählen. Wo bzw. wie hoch befinden wir uns im Gebäude. Wie bist Du dort hingekommen und wo geht der Weg hin.
Alex: Hier sind wir unterwegs zu Roys Büro, der uns ja zuerst mal wiedersehen wollte. Frag mich bitte nicht mehr, welcher Stock das war. Ich meine, sowas um den 20. herum, was ja auch die Nummer erklären würde. Ich wusste, so oft werde ich nicht mehr hier drinnen sein, also versuchte ich einfach noch ein paar Schnappschüsse zu machen. Wie gesagt, wenn man nicht gerade in der Lobby oder auf der Spitze unterwegs ist, ist das WB dazwischen wirklich sehr "normal" und unspektakulär.
Schaedel: Was hat das mit "Suite 2000" auf sich? Ich war davon ausgegangen, dass das Woolworth als Bürogebäude genutzt wird. Bedeutet Suite, dass dort inzwischen auch Wohneinheiten zu finden sind?
Alex: Ich habe nicht geklopft! ;-) Aber nein, das ist einfach der Name der Einheiten, die ja auch entsprechend Quadratmeter und einzelne Zimmer besitzen. Es sind ja durchaus wohlhabende und einflussreiche Leute, die hier ihre Büros haben, Anwälte, Werbeagenturen, Firmen etc., und "Suite" hört sich einfach gut an, oder nicht...?
Foto: Alex
Schaedel: Was sehen wir hier? Und was hat das mit dem W auf sich, das man links im Bild sehen kann?
Alex: Es gibt mehrere Aufzugsreihen in dem Gebäude. Auf dem Weg zu Roys Büro kamen wir an einer weiteren vorbei, und ich wollte nochmal die neugotischen Verzierungen der Türen und Rahmen festhalten, denn das ist ja praktisch das einzige Innenmerkmal des Designs, das wir so am WB lieben und das es so einmalig macht. Und das W steht einmal mehr für den Erbauer bzw. Auftraggeber, Frank Woolworth, dessen Nachnamens-Initiale an hunderten Stellen im Gebäude zu finden ist, bis hin zum Türbeschlag ganz oben an der Außenplattform. An Selbstbewusstsein in bezug auf den Reichtum, den er sich mit seinen Billigkaufhäusern geschaffen hatte, mangelte es ihm sicher nie!
Foto: Alex
Schaedel: Ich erkenne eine weitere Suite mit der Nummer 2040, den Schildern nach scheint die aber als Büroeinheit genutzt zu werden. Rechts gibt es noch mehr Aufzüge, wie es scheint.
Alex: Ja, hier residieren zum Beispiel die Anwälte Waxman und Boaz als auch die Anwaltspartnerschaft Guerrero Lee. Die Unschärfe muss ich leider sowas von entschuldigen. Irgendwie sind einige Bilder nicht so scharf, wie ich die gerne gehabt hätte. Vielleicht bin ich da immer etwas aufgeregt, wenn ich in diesen leeren Gängen herumlaufe und irgendwelche fremden Türen fotografiere...
Foto: Alex
Schaedel: Das ist ein interessantes Foto. In wessen Büro befinden wir uns da?
Alex: Das war der Warteraum, in den wir hineingeführt wurden, als wir in Roys Büro angekommen waren. Letzten Endes war das auch schon ein Büro mit langem Konferenztisch, aber Roy war nicht da und wir warteten erstmal sicher zehn Minuten, ob er wohl kommen würde.
Schaedel: Wie gelangt man von der Lobby zu diesem Büro? Darf man sich dort alleine hinbegeben oder wird man begleitet?
Alex: Die haben uns anscheinend freundlicherweise nicht für Terroristen gehalten, und so durften wir ohne Begleitung einfach in den Aufzug und hochfahren. Sehr nett! Dann meldet man sich bei der Sekretärin im Eingangsbereich der Bürosuite an, die lächelt einen dann an und führt einen in diesen Konferenzraum zum Warten.
Schaedel: Was wird dort genau gemacht. Erhält man eine Einweisung oder Verhaltensregeln mit auf den Weg oder Sicherheitsinstruktionen?
Alex: Also entweder kannte sie uns schon oder auch nicht, aber sie sagte einfach, wir sollten hier warten, Roy käme dann schon, sobald er Zeit hätte. Sie ging dann einfach und ließ uns tatsächlich allein mit all dem Bürozeug, Unterlagen, Computer etc. Und da machte ich dann einfach noch ein paar Bilder aus dem Fenster heraus!
Foto: Alex
Schaedel: Sehr schönes Foto. Das dürfte der Blick nach Westen aus der Gebäudemitte heraus sein. Das Gebäude mit der Nummer 100 auf der anderen Straßenseite (Church Street?) kommt mir bekannt vor, ich hatte darüber - glaube ich - schon mal in dem Beitrag über das Gebäude hinter dem Woolworth Building geschrieben.
Alex: Genau, denn das ist exakt der Ausblick, den man von Roys Suite hat, nach hinten auf die Rückseite des WB mit den beiden offenen Seiten.
Foto: Alex
Schaedel: Ich vermute mal, gleicher Ausgangspunkt wie eben, nur jetzt nicht mehr der Blick nach unten, sondern geradeaus.
Alex: Richtig. Diese Streben halten das Gebäude wohl zusammen oder so... ;-))
Foto: Alex
Schaedel: Aha, Stadtrundfahrt fährt auch an der Rückseite des Woolworth Buildings vorbei.
Alex: War mir selbst noch gar nicht aufgefallen! Man sieht daran ja gut, wie sehr das WB noch immer im Bewusstsein der New Yorker verankert ist und wie stolz sie darauf sind, und selbst von hinten ist es anscheinend sehenswert! Man beachte übrigens auch den oberen Bildrand mit dem Gebäude im Hintergrund. Eine sehr nette Aussichts- bzw. Pausenterrasse, oder nicht? Mit Pflanzen und Sitzbänken! Sicher auch ne Top-Aussicht für die Leute in diesem Haus.
Schaedel: Ich vermute, die Stadtrundfahrt ist wegen der Großbaustelle etwas südwestlich dort unterwegs.
Alex: Nein, natürlich nur wegen der Rückansicht vom WB! ;-) Im Ernst, man darf, wie du richtig gesagt hast, nicht vergessen, dass zu dem Zeitpunkt das neue World Trade Center, in dessen unmittelbarer Umgebung das WB ja liegt, noch im Bau war. Als wir im Sommer 2013 da waren, hatte noch nicht mal das Museum offen. Das steht ja damit auch noch auf unserer To-See-Liste (siehe oben).
Foto: Alex
Schaedel: Und nun der Blick nach oben. Was sind das für Kräne rechts oben?
Alex: Rechts oben sieht man einmal irgendwelche Umlenkrollen für Seile oder was, richtig. Wofür die sind, weiß ich leider nicht. Wesentlich spannender sind aber die für mich eindeutig als Gargylen, also Monster-Wasserspeier erkennbaren, leicht gebogenen Objekte daneben, übrigens auch an der linken Seite zu sehen! Das scheint es nur auf der Rückseite zu geben, vorne hab ich die noch nicht bewusst ausgemacht, kann mich aber natürlich täuschen. Aber wir wissen ja auch, dass das WB in seiner 100-jährigen Geschichte mindestens einmal eines Großteils seiner neugotischen Verzierungen beraubt wurde! So wie 1913 sieht es ja heute bei weitem nicht mehr aus. Ich glaube, kurz nach der Fertigstellung hätte es uns noch mehr die Sprache verschlagen angesichts des überbordenden Schmucks der Fassaden. Es gibt auch mehrere Fotos der in irgendeinem Abstellraum meterhoch aufgehäuften Metallverzierungen. Warum man die dann nicht konsequenterweise weggeschmissen hat, frage ich mich wiederum. Plante man, die irgendwann wieder dranzumachen? Oder hat man sich bei allem Frevel, den so eine "Entschmückung" für mich darstellt, das irgendwie dann doch nicht getraut?
Foto: Alex
Schaedel: Interessant, dass die Fassade immer noch so hell erscheint. Ist die in der Vergangenheit auch mal renoviert / gesandstrahlt worden?
Alex: Evtl. in den 60er / 70er Jahren bei der großen Entschmückung im Zuge der Generalsanierung nach 50 Jahren. Was mir jedoch viel mehr auffällt, ist immer wieder, wie unsauber gearbeitet bzw. verfugt und fast schon bröslig einem viele Wände und Fassadenabschnitte vorkommen, wenn man mal die Gelegenheit hat, sie von nahem zu sehen. Meistens ist man ja zig Meter davon weg, nämlich auf dem Gehsteig, oder höchstens im Nachbargebäude, aber grade auf der hinteren Terrasse im 29. Stock z.B. (siehe mein älterer Bericht) sieht man, wie das ganze im Lauf der Jahre doch vom Zahn der Zeit angenagt worden ist.
Schaedel: Die Fenster scheinen mir auf jeden Fall noch recht neu zu sein, Original von vor 101 Jahren dürften die nicht mehr sein.
Alex: Nee, das wohl nicht! Ein bisschen Wärmedämmung und neue Rahmen gab's sicher mal. Wie gesagt, mit einer Zeitmaschine mal ins Jahr 1913 zurück und das WB brandneu erleben dürfen, das wär's...
Foto: Alex
Schaedel: Weißt Du, was das mit den Trägern auf sich hat, die zwischen den beiden Gebäudeflügeln gespannt sind? Haben die eine Bedeutung für die Statik oder sind die eher zur Zierde da?
Alex: Das habe ich mich wie gesagt auch schon des öfteren gefragt. Irgendwie werden diese Dinger ja nicht ernsthaft das Gebäude stützen, oder doch?! Aber andererseits machen die als Zierde doch kaum Sinn. Was für eine Zierde sollte das sein? Müsste man mal Cass Gilbert fragen, den Architekten - wenn er noch leben würde... Auf jeden Fall wäre das doch auch mal was für eine dieser im Moment so angesagten Artistik-Nummern, wo einer von einer Seite eines Gebäudes ohne Netz zur anderen läuft, mit verbundenen Augen oder so. Ist zwar breiter als ein Drahtseil, aber trotzdem... ;-)
Foto: Alex
Schaedel: Letztes Bild für diese Folge. Wieder ein Flur. Wohin geht es nun und was erwartet uns in der kommenden Folge?
Alex: Hier sind wir unterwegs zurück zum Aufzug, da es jetzt schon wieder in die Lobby geht. Nach einem kurzen Gespräch mit Roy, der an diesem Tag aber irgendwie sehr kurz angebunden war und uns nicht sonderlich viel zu sagen hatte (vielleicht hatte er Stress oder einfach viel zu tun), verabschiedeten wir uns dennoch natürlich mit seiner Erlaubnis, jeden Winkel der Lobby nochmal unter die Lupe nehmen zu dürfen. Sein einziger Wunsch an uns: "Take some good photos for me!" Na, diesem Wunsch wollte ich aber mehr als nachkommen...
FORTSETZUNG FOLGT HIER:
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