Samstag, Dezember 31, 2011

Trans-Cross Hudson Ferry Service


In diesem Beitrag richten wir einen Blick auf ein einst bedeutendes Verkehrsmittel von New York City: den Fährservice über den Hudson River, der den Westen von Manhattan mit New Jersey und dem Festland verband. Schaut man auf eine Manhattan-Karte, wird man feststellen, dass es  gegenwärtig mit Ausnahme der George Washington-Bridge im Norden keine Brücken auf der westlichen Seite von Manhattan gibt. Stattdessen führen zwei Tunnel in der Mitte (Lincoln Tunnel) und im Süden (Holland Tunnel) unter dem Hudson River hindurch auf die andere Seite. Dazu kommen noch eine Reihe von Eisenbahntunneln, die zum Beispiel im Hudson Terminal unter dem World Trade Center enden oder in der Pennsylvania Station unter dem aktuellen Madison Square Garden. Früher wurde dieses Defizit noch bis in die zweite Hälfte der 1960er über einen Fährenservice ausgeglichen.
 
 
Von dieser Zeit und vom Ende der Trans-Hudson-Fährverbindungen vor 44 Jahren erzählt die nun folgende Serie von Farbaufnahmen, die ich auf der nachfolgenden Seite der World Ship Society Port of New York Branch (kurz: PONY Branch) entdeckt haben:

Thank to Arnie for sharing this link. Nearly all photographs with courtesy of Tim Dacey, Bill Ewen Jr., Conrad Milster and Theodore Scull.


Fährservice über den Hudson von Anlegern in New Jersey nach New York gibt es schon seit dem frühen 18. Jahrhundert, als der Antrieb noch mit Segeln und Rudern erfolgte. Ab dem frühen 19. Jahrhundert waren sie reguläre und und zuverlässige Verkehrsmittel geworden, die Boote durch die Kraft von Mannschaften oder von Pferden fortbewegt, später dann durch Dampfschiffe mit Radantrieb an der Seite. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die wichtigsten Fährrouten von Eisenbahngesellschaften mitbetrieben: die Central of New Jersey Railroad, die Pennsylvania Railroad, die Erie Railroad, die Delaware Railroad, die Lackawanna Railroad und die Western Railroad, außerdem die New York's Central's West Shore Line. Alle besaßen kombinierte Niederlassungen mit Bahnhöfen und Fähranlegern auf der Jerseyseite des Hudsons gegenüber von Manhattan.


Kurz vor Eröffnung des Holland Tunnels im Jahr 1927 wurde der Passagierverkehr südliche der 59th Street in Manhattan gleichmäßig verteilt auf die Eisenbahnfähren mit 50 Boote auf 13 Routen einerseits und auf die Hudson und Manhattan Railroad mit zwei Eisenbahnlinien unter dem Hudson River hindurch andererseits, zum Hudson Terminal in Lower Manhattan und zur Pennsylvania Station in Midtown an der 33rd Street und 7th Avenue gelegen.  An einem normalen Arbeitstag wurden die Fähren und Hudson Railroad von durchschnittlich 150.000 Passagieren in Anspruch genommen, hinzu kamen weitere 18.000 Passagiere, die die North River Line zur Pennsylvania Station nach ihrer Fertigstellung 1910 benutzten.  


Nachdem der Holland Tunnel am 12. November 1927 eröffnet worden war, sank der Fahrzeugverkehr auf den Lackawanna Fähren von Hoboken, New Jersey, zu den Manhattan-Anlegern an der 23rd Street, an der Christopher Street und an der Barclay Street um 30-40 Prozent. Aber schon drei Jahre später führte eine Zunahme des Verkehrs auf allen Ebenen zu den vorherigen Auslastungszahlen zurück. Die George Washington Bridge öffnete am 25. Oktober 1931 und der Lincoln Tunnel am 22. Dezember 1937 und ab da mussten die Fährunternehmen eine langsame aber stetige Abnahme der transportierten Passagiere und Fahrzeuge hinnehmen, auf Dauer mit ernsthaften Folgen.

G = George Washington Bridge; L = Lincoln Tunnel; H = Holland Tunnel

Die Lackawanna-Route zur 23rd Street hatte ihre letzte Fahrt auf Silvester 1946 und die Christopher Street-Route am 30. März 1955. Nach Schließung der New Yorker "Central West Shore Line" Straßenbahn wurde der Fährverkehr von Weehawken zur West 42nd Street im Jahr 1959 eingestellt.


Zwischen 1956 und 1960 legte die Erie Railroad - Gesellschaft ihre Fähren- und Eisenbahnoperationen mit der Lackawanna Railroad zusammen, so dass nur noch zwei Fährverbindungen über den Hudson River verblieben, die noch einen Anteil von 5 Prozent am Gesamtverkehr bewältigten. Die Barcley Street-Route, von Montag bis Freitag in Betrieb, transportierte am 01. Februar 1964 gerade etwas mehr als 10.000 Passagiere nach Manhattan hinein, 90 Prozent davon zwischen 6 und 10 Uhr am Morgen. Der Verkehr war so verzerrt, dass in die Gegenrichtung gerade einmal 260 Passagiere die Fähre von Manhattan nach New Jersey während der gleichen vier Stunden in Anspruch nahmen. Diejenigen, die weiterhin auf die Fähren zurückgriffen, anstatt die PATH-Züge zu nehmen (also die vorherige Hudson Railroad), arbeiteten schlicht und einfach näher am Barclay Street Terminal als am Hudson Terminal.

Auf der Route von der Stadtmitte New Jerseys zur Liberty Street gab es zunächst keinen alternierenden PATH-Zugverkehr für Passagiere der CNJ-, der B&O und der Reading Railroad. Dann jedoch verschob der "Aldene Plan" die Züge, die bisher am Central New Jersey Uferterminal (CNJ) angehalten hatten, zu Haltepunkten in Newark und an der Pennsylvania Station, mit der Folge, dass der Fährbetrieb zur Liberty Street in Manhattan mit Ablauf des 25. Aprils 1967 endete.


Die Fährboote der Erie-Lackwanna-Gesellschaft waren nun mehr als 60 Jahre alt, eines davon, die LACKWANNA, stammte aus dem Jahr 1891. Die Boote waren teuer in der Wartung geworden und die Platten, die die Rümpfe schützten, waren inzwischen gefährlich dünn geworden. In einer Zeit, in der es noch keine Subventionen für Bahngesellschaften gab, hatten die finanziell angeschlagenen Betreiber kein Geld, um sie zu ersetzen. In der letzten Woche ihres Betriebs blieben gerade einmal 3000 tägliche Passagiere den Booten treu, weniger als die Kapazität von zwei Booten.

Am 22. November 1967 legte die Fähre "LACKAWANNA" um 5:45 abends an der Barclay Street an und 15 Minuten später folgte die Fähre "ELMIRA". Um sechs Uhr abends endete damit die 300jährige Geschichte des Trans-Hudson-Fährverkehrs, davon 156 Jahren auf Dampfschiffen. Ab Thanksgiving wurden Passagiere, die mit den Zügen der Erie-Lackawanna-Gesellschaft eintrafen, zu den PATH - Zugängen geleitet oder zu einem Busbahnhof der Hafenbehörde. (PATH = Port Authority Trans Hudson).

Ab 1986 kehrte der Trans-Hudson-Fährverkehr mit einer Linie von Port Imperial, Weehawken, zur West 38th Street in Manhattan zurück und schon bald danach einer weiteren von Hoboken nach Battery Park City, wegen des Bedarfs nach Alternativen zu Bahn und Straße, aber auch wegen eines mutigen Unternehmergeistes. Wenn man heute auf den Hudson River blickt, sieht man den Fluss überzogen mit ähnlich vielen Routen wie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. In diesem Fall könnte man sagen, je mehr sich die Dinge ändern, um so mehr bleiben sie dieselben.

Jetzt noch mal ein paar Rückblicke in die Vergangenheit des Trans-Hudson-Fährverkehrs, der 1967 endete.


Hier sehen wir eine Fähre der Erie-Eisenbahngesellschaft, bevor die Verschmelzung mit der Lackawanna-Eisenbahngesellschaft stattfand, wie sie an einem Moore-McCormack-Dampfer aus der Vorkriegszeit vorbeifährt, der auf dem Weg zur Ostküste von Südamerika ist.


Hier sehen wir die Fähre "ELIZABETH" (1904 gebaut), die den Anleger an der Liberty Street in Manhattan in Richtung Jersey City verlässt, wo die Passagier Anschluss an die Züge der CNJ, B&O und Reading-Eisenbahngesellschaften hatten. Eine schöne nostalgische Aufnahme des seit Beginn des 20. Jahrhunderts klassischen Manhattans, dem ähnlich wie dem Fährverkehr schon bald die letzte Stunde schlagen würde. Im Vordergrund fast unsichtbar, weil zu klein jenes Stadtviertel namens Radio Row, das komplett abgerissen wurde, um Platz für das World Trade Center zu schaffen. Die beiden großen Klötze in der Bildmitte rechts, die Bürotürme des Hudson Terminals, standen 60 Jahre lang auf dem unterirdischen Bahnhof "Hudson Terminal", an dem die Züge der Hudson Railroad, später PATH, angekamen. Am rechten Bildrand das ungleiche Doppel aus City Investing Tower und Singer Building, ebenfalls kurz vor dem gemeinsamen Ende abgelichtet (Aufnahme vom 18. April 1967).


Das Terminal der vereinten Erie-Lackawanna-Fähre an der Ecke Barclay Street und West Streets in Südmanhattan stammte aus dem Jahr 1884. Fähren fuhren von hier aus zum E-L Terminal in Hoboken, New Jersey. Man beachte auch den Eisenbahn-Express-LKW ganz rechts im Bild (aufgenommen September 1964).

Auf dieser Karte habe ich ungefähr die Standorte des Liberty Street - Anlegers und des gerade eben erwähnten Barclay Street Terminals markiert. Für beide gilt. Wo damals Boote anlegten, ist heute neugewonnenes Festland.



Hier sehen wir die Fähre "LACKWANNA" aus dem Jahr 1891, die am 31. Juli 1964 das Terminal der Erie-Lackawanna an der Barclay Street verlässt. Sie wurde 1949 noch auf Dieselbetrieb umgestellt und war die einzige Fähre in der Flotte, die nicht mit Kohlen angetrieben wurde. Sie hatte ihre letzte Passagierfahrt am 22. November 1967 um halb sechs am Abend von Barclay Street hinüber nach Hoboken.



Auf dem nächsten Bild sehen wir die Fähre "POCONO" aus dem Jahr 1905, die Barclay Street am 31. Juli 1964 in Richtung Hoboken verlässt. Direkt über dem Fähranleger sieht man das "Telephone Building", links daneben das Woolworth Building und in der rechten Bildhälfte wieder die verschwundenen Drei (Hudson Terminal, City Investing Tower, Singer Building).


Nachdem wir jetzt soviele Fährschiffe in Manhattan haben ablegen sehen, möchten wir auch mal sehen, wo die hingefahren sind. Hier ist der Anleger der Erie-Lackawanna-Eisenbahngesellschaft in Hoboken, gebaut 1907, aufgenommen am 02. September 1964.



Bei den Fährbooten, die bis in die zweite Hälfte der 1960er in Betrieb waren, handelte es sich aufgrund ihres Alters fast ausschließlich um Schiffe mit Dampfbetrieb. Dementsprechend gab es auf den Booten im Inneren auch jemanden, der die Kohlen in den Ofen schaufeln musste, um den Kessel zu befeuern.


Diese Aufnahme eines sogenannten Kohlenheizers entstand auf dem Fährschiff "ELISABETH" während ihrer letzten Betriebstage im April 1967.

Die folgenden beiden Bilder erzählen von den letzten Tagen des "PHOEBE SNOW", einem bekannten Passagierzug, der einst bis zum Anleger der Erie-Lackawanna-Fähre fuhr. Oben das Ankunftsbord am letzten Tag seines Betriebs (27. November 1967), darunter der Zug selber im Jahr 1956.



Sehr schön sind auch die folgenden zwei Aufnahmen, die einen Blick in das Innere einer der Fähren ermöglichen. Es handelt sich um eine Fähre der Erie-Lackawanna-Gesellschaft, aufgenommen am 21. November 1967, einen Tag vor ihrer letzten Fahrt. Das Schiff wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut, zu sehen ist die flankierende Längskabine auf dem Fahrzeugdeck.



Das einzige Fährboot, welches das große Sterben überlebt hat, war die "BINGHAMTON" aus dem Jahr 1905. Auf dem oberen Bild sieht man sie im August 1968 am Anleger der ehemaligen Holland-Amerika-Linie, auf dem unteren Bild im August 1981, umgebaut zu einem Restaurant auf dem Hudson in Edgewater, New Jersey.




Zum Abschluss sehen wir noch die Fähre "ELMIRA" aus dem Jahr 1905, ehemals Erie-Lackawanna-Gesellschaft, verlassen in Edison New Jersey in den Jahren 1978 (oben) und 1979 (unten). Die ELMIRA vollendete ihre letzte Passagierfahrt am 22. November 1967 um viertel vor sechs abends.


Freitag, Dezember 30, 2011

Top of the Woolworth Tower


Vor wenigen Tagen erst haben wir uns ausführlich mit der Spitze eines der berühmtesten und schönsten Wolkenkratzer in New York, dem Chrysler Building, auseinandergesetzt und jetzt geht die Reise schon direkt auf den nächsten. Zwar nur ein kurzer Trip, dafür ein hochaktueller. Michal Juroska war so freundlich und hat mir einen Videolink zugeschickt.

Das Woolworth Building im Süden Manhattans am Broadway und am City Hall Park wurde 1913 fertiggestellt und war bis 1930 das höchste Gebäude der Welt.

Die Aussichtsplattform des Woolworth Buildings befindet sich im 57. Stockwerk und war bis 1945 für Besucher zugänglich. Das nachfolgende eineinhalbminütige Video ist dort im letzten Sommer entstanden und zeigt die Aussicht vom Woolworth Building auf das südliche Manhattan der Gegenwart. Da der Ausblick recht frei von Barrieren und recht luftig zu sein scheint, gehe ich davon aus, dass die untere Plattform Ort des Geschehens war.






Interessant neben dem ungewohnten Aussichtspunkt ist auch der (für meinen Geschmack viel zu kurze) Blick auf die Aussichtsplattform selber ganz am Ende des Videos, der zumindest einen minimalen Eindruck davon bietet, wie es dort oben aussieht.










Eine weitere Aufnahme von der Aussichtplattform habe ich noch gefunden, die ist aber auch nicht wirklich ergiebiger.


Es folgt eine historische Aufnahme, die 1929 von der Aussichtsplattform des Woolworth Buildings aus fotografiert wurde.



Bei meinen ersten zwei Besuchen in New York 1992 und 2001 war es noch möglich, als Tourist die reichverzierte Lobby des Woolworth Buildings zu besuchen, die von der Optik her an das Innere europäischer Kirchen erinnert. Über die Google Bildersuche habe ich ein paar Aufnahmen von der Woolworth Lobby zusammengetragen, die ich hier zum Abschluss präsentieren möchte:








Image source: google picture search

140 Broadway - Rätsel weiter entschlüsselt

Es gibt noch zwei Nachträge zu dem Gebäude mit der rätselhaften Identität an der Adresse 140 Broadway. Die Nachträge sind an den Originalbeitrag und die erste Ergänzung hintendran gehängt und enthalten weiteres Bildmaterial, eine Vorstellung, wie alt das Gebäude ist und einen namentlichen Eintrag in der Bromley-Karte von 1879.

http://nygeschichte.blogspot.com/2011/12/140-broadway.html

Montag, Dezember 26, 2011

The Great Fire of New York 1835 - RELOADED


PROLOG:


Dienstag, 14. Juli 2009. Ehrlich gesagt, kann ich mich kaum noch an den Tag erinnern. Vermutlich war ich vom gerade überlebten Schützenfest noch ziemlich verbeult, ich weiss jedenfalls noch, dass ich dieses spektakuläre Bild vom Großbrand in New York im Jahr 1835 schon seit einigen Wochen in der Warteschleife hatte, da habe ich dann noch ein paar Bilder aus der Google Bildersuche drumherumdrapiert, ein paar Informationen dazu gepackt und fäddich.

Und was ist dann passiert? Seit der Blogger von Google statistische Daten erhebt (also seit Mai 2010) ist dieser wahrlich dahingeschluderte Beitrag hartnäckig in den Bestenlisten. Im Augenblick gerade mit 2.917 Aufrufen auf Platz 3 der ewigen Bestenliste, nach "Old Hotels of New York - The Dixie Hotel" mit 3.369 Aufrufen auf Platz 2 und "Lunch Atop a Skyscraper" mit 38.230 Aufrufen fast unerreichbar auf Platz 1. Und in der Bestenliste der vergangenen vier Wochen (27.11.-26.12.2011) immerhin auch auf Platz 6 mit 312 Aufrufen.

Als ob das nicht ausreichen würde, muss man nach dem aufmerksamen Studium der zahlreich hinterlassenen Kommentare den Eindruck gewinnen, dass offenbar Lehrpersonen meinen Beitrag durch ihre Schüler ansteuern lassen, damit diese Aufsätze über dieses heiße Thema schreiben oder Referate vorbereiten. Kaum zu glauben.

Auf jeden Fall kann ich angesichts der unerwarteten Aufmerksamkeit einfach nicht anders, ich muss diesen Beitrag, der vor zwei Jahren mit schwerem Kopf an einem lauen Juliabend innerhalb einer halben Stunde entstand, nochmal neu bauen. Vielleicht nicht besser, aber größer.

CHAPTER 1 - Long before the fire

Man kann natürlich hingehen und schreiben: Tja, bei dem Großfeuer damals 1835 ist ein Viertel im Süden von New York in Brand aufgegangen, es sind zwischen 500 und 700 Häuser abgebrannt und zum Glück hat es fast keine Toten gegeben. Allerdings - so vermute und behaupte ich - ist das nur die halbe Wahrheit. Der Süden Manhattans, der Ereignisort des Großfeuers 1835, war auch der Ort, wo sich das befand, was bei unseren europäischen Städten gerne als "Altstadt" bezeichnet wird. Der Ort, der von der gesamten Substanz der Stadt mit am längsten vorhanden war.

(Lower Manhattan 1834)

Im Falle von New York, das sich in den 1830ern noch ausschließlich auf den Süden der Insel Manhattan beschränkte, war das Gebiet, das durch das Feuer niederbrannte und unumkehrbar verlorenging, auch ein bedeutsames Stück Geschichte.

(Broad Street ca. 1650, also noch zu Zeiten, als New York "Nieuw Amsterdam" hieß und Grachten das Straßenbild mitprägten)

Es handelte sich um das alte New York, das aus der ursprünglich niederländischen Siedlung "Nieuw Amsterdam" hervorgegangen war. Und was zu jener Zeit noch an europäisch / flämisch / niederländisch orientierter Bebauung vorhanden war, dürfte größtenteils in jenem Flammeninferno verschwunden sein. Das Feuer bedeutete einen Wendepunkt. Die eng bebauten Viertel konnten neu hochgezogen werden, mit breiteren Straßen und moderneren Gebäuden. Nach 200 Jahre Geschichte der erzwungene Abschied von der alten Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts und eine Vorstufe zur schier unkontrollierbar wilden Bebauung der Insel, die fünfzig Jahre später begann.

Bevor wir zu dem flammenden Inferno kommen, möchte ich zunächst einen Blick auf das New York werfen, das in dem Großbrand verschwunden ist. Das ursprüngliche, erste New York, das weit, sehr weit von dem New York entfernt ist, wie wir es heute kennen, lieben und vielleicht auch hassen.

(Broad Street mit Blick auf das alte Rathaus (City Hall) von New York , 1789,
links an der Westseite der Broad Street steht heute die Stock Exchange, also die berühmte New Yorker Börse)

Das Zentrum einer Stadt, ihr Herz, findet man meistens dort, wo sich das Rathaus befindet. Im Fall des alten New Yorks war das die Wall Street, wo seit dem 18. Jahrhundert das Rathaus stand. Heute findet man an dem Ort des alten Rathauses diesen markanten Bau, der an einen griechischen Tempel erinnert und auf dessen Treppen sicherlich schon viele New York-Touristen ihren müden Beinen eine kurze Erholungspause gegönnt haben, genannt "Federal Hall".

(Ecke Wall Street / Water Street 1797, Tontine Coffee House)

Zum Zeitpunkt der Jahrhundertwende vom 18. Jahrhundert zum 19. Jahrhundert unterschied sich New York City noch nicht in dem Maße von anderen Städten in den Vereinigten Staaten bzw. dem alten Europa, wie es seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall ist.

(New York City 1802, von Brooklyn aus gesehen)

Auch der allseits bekannte Broadway war 1810 noch nicht großartig von anderen Straßen in anderen Städten zu unterscheiden. Der Größenwahnsinn und die Wolkenkratzerflut sollte erst 80 Jahre später sein Straßenbild entscheidend prägen.

Etwa zur gleichen Zeit (1812) wechselte auch das Rathaus von der Wall Street an den Broadway bzw. in den Park, der sich auf dem Dreieck zwischen Broadway und Chatham Street (heute Park Row) befand.


Heute kaum zu glauben, aber damals vor 200 Jahren waren auch in New York City die Kirchen lange Zeit die höchsten Gebäude in der Stadt. Ein Wechsel trat erst mit dem Bau der Brooklyn Bridge (1869-1883) ein, deren Pfeiler die Kirchen überragten. Und 10 Jahre später kamen immer mehr übergroße Gebäude, die den Kirchen den bis dahin unangefochtenen Luftraum streitig machten.

(alte Kirche an der Garden Street, heute Exchange Place)

Im frühen 18. Jahrhundert war New York vor allem durch seine Eigenschaft als Hafenstadt geprägt, andere Eigenschaften wie die (Groß)Handelsmetropole folgten erst später.

(Franklin Market / Williams Street 1820)

(1827)

Und auch als wir die 1830er erreichen, befinden wir uns noch in einer Stadt, die mit dem heutigen New York nur wenig gemein hat und in der die Trinity Church noch das höchste Gebäude der Stadt ist.

(Trinity Church und Broadway, New York, 1830)


CHAPTER 2 - Before the fire

(Trinity Church und Wall Street 1827, sowie die schon lange abgerissene Presbyterian Church rechts im Bild)

Im Laufe der Zeit wurde die Wall Street, jene Straße, die in der ursprünglichen Siedlung namens "Nieuw Amsterdam" südlich des Schutzwalls verlief, der die Stadt vor Angriffen vom Norden der Insel her schützen sollte, immer bedeutender. Das Rathaus der Stadt New York, das einst an der Kreuzung Wall Street / Nassau Street / Broad Street stand, war zwar ein Stück weiter nördlich neugebaut worden. Stattdessen wurde diese Straße für Händler mehr und mehr interessant.

So entstand einst an der Südseite der Wall Street ein Gebäude, das im Juli 1827 fertiggestellt wurde und das sich damals in die Reihe der höchsten Gebäude in der Stadt einreihte. Es war drei Stockwerke hoch und mit einer markanten Kuppel geschmückt: die "Merchants Exchange" - also die alte Handelsbörse. Auch dieses Gebäude hat einen Platz in der Gallerie der "Gone Buildings" von New York verdient, denn sein Ende sollte nur 8 Jahre nach der Eröffnung kommen und das auch noch unfreiwillig.




Bevor es Ernst wird, sollten wir noch einen Blick auf das New York vor dem Brand werfen. So, wie man es zum Beispiel hier an der Pearl Street zwischen Franklin Square und Oak Street erleben konnte:


Oder hier, an der bis heute erhalten gebliebenen historischen Konstante namens "St. Paul's Church". Das Bild ist zu einer Zeit entstanden, als man das damalige Luxushotel namens Astor House noch nicht rechts von dem Gotteshaus antraf (und auch nicht schräg gegenüber die Kuriositätenschau von Barnum's American Museum).

(St. Paul's 1830)

Zeit, Abschied zu nehmen. Mit dieser Panoramaaufnahme aus dem Jahr 1834, die das alte New York an der Südspitze von Manhattan zeigte, so wie man es von New Jersey aus sehen konnte.



CHAPTER 3 - The Fire (16th/17th of December 1835)


In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1835 ging mitten im bitterkalten Winter ein Warenhaus an der heutigen Beaver Street in Flammen auf. Betroffen war das alte ursprüngliche New York, das sich an der Südspitze von Manhattan entwickelt hatte. Die alten Häuser standen dort sicherlich eng an eng und bevorzugter Baustoff dürfte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer noch Holz gewesen sein. Das heißt, wenn es einmal richtig brennt und das Feuer nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist, geht das ganze Viertel drauf. Wie hier geschehen.


Ein Kaufhaus an der Beaver Street war die Urzelle des Brands, dort ging es los. Ein Kommentar zum ursprünglichen Beitrag erwähnte, dass eine defekte Gasleitung die Ursache gewesen sein soll. Ich wollte das zuerst nicht glauben, schließe diese Ursache aber bis zum Beweis des Gegenteils nicht aus. Möglicherweise gab es damals tatsächlich schon Gaslicht in ausgewählten Gebäuden in New York, so zum Beispiel in dem zu jener Zeit gebauten Luxushotel Astor House. Gaslicht war modern, aber nicht ungefährlich.


Der Wind, der zu jener Zeit blies, führte dem Feuer genug Sauerstoff zu, so dass es sich rasch weiter auf benachbarte Häuser und schließlich immer weiter über das Viertel ausbreiten konnte. Zugleich war es bitter kalt. Man mag ja meinen, dass das gut gegen Feuer wäre, aber nein. Durch die Eiseskälte wurden die Löscharbeiten massiv behindert, Löschwasser gefror in Transportbehältern und Schläuchen und war nicht mehr nutzbar. Und 1835 war die Technik, auf die die Feuerwehrleute zurückgreifen konnten, im Vergleich zu heute noch äußerst schlicht.


Das Feuer wurde um 09:00 Uhr abends von einem Wachmann entdeckt. Dank der ungünstigen Witterung standen innerhalb einer Viertelstunde bereits 50 Gebäude in Brand. Am Ende der Katastrophe war der Verlust von 530 bis 700 Gebäuden zu beklagen. Die Brunst war so heftig, dass man sie in der klaren Winternacht bis hinunter nach Philadelphia, Pennsylvania, und bis hinauf nach New Haven, Connecticut, wahrnehmen konnte. Auch wenn nur zwei Todesopfer zu beklagen waren, was bei einer Katastrophe dieser Größenordnung schon an ein Wunder begrenzt, so verloren doch viele Bewohner New Yorks durch das Feuer ihren Arbeitsplatz und damit ihre Existenzgrundlage, weil in dem Feuer vor allem Handelshäuser und gewerblich genutzte Gebäude untergegangen waren. 


Die Bilder von der lichterloh brennenden "Merchant's Exchange" scheinen sich damals großer Beliebtheit erfreut zu haben, denn wie man hier sehen kann, sind sie einige Male hin- und herkopiert worden:





Hier sehen wir noch eine andere Perspektive vom Untergang des damals markanten New Yorker Gebäudes:



CHAPTER 4 - The day after

Und wie immer bei einem großen Feuer gibt es nachher eine Menge rauchende Ruinen, aber auch eine Menge Platz und zumindest die Chance, auf den Trümmern eine neue und vielleicht besser durchdachte Stadt zu errichten. Auch hier ist ein prägnantes Motiv wiederholt von verschiedenen Händen kopiert worden.




Ein letzter Blick auf die Überreste der alten "Merchant's Exchange", die man ab nun zu den Gone Buildings zählen darf:


Und ich beschließe dieses Kapitel mit einer Totalen von Südmanhattan, wie man sie am 17. Dezember 1835 von Brooklyn aus sah, mit einer nach wie vor übergroßen Rauchwolke über der zerstörten alten Stadt.


Die nach wie vor wichtigste Quelle über das große Feuer von 1835 ist mal wieder auf den Servern der Columbia University zu finden: 
http://www.vny.cuny.edu/FIRE/greatfire.html

Auch wenn ich es nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren kann, so bin ich zu dem ursprünglichen Beitrag wahrscheinlich durch die Bowery Boys inspiriert worden, die damals gerade relativ frisch einen Podcast zu der Brandkatastrophe veröffentlicht hatten.
http://theboweryboys.blogspot.com/2009/03/podcast-great-fire-of-1835.html

Hier nochmal der Link zum ursprünglichen Beitrag:
http://nygeschichte.blogspot.com/2009/07/great-fire-of-new-york-1835.html

Auch die englischsprachige Wikipedia hat sich schon mit dem Thema befasst:
http://en.wikipedia.org/wiki/Great_Fire_of_New_York

Picture Sources / Bilderquellen: alle über Google Bildersuche / all found with Google picture search
und NYPL Digital Gallery ( http://digitalgallery.nypl.org/nypldigital/index.cfm )