Einen habe ich noch an diesem Wochenende. Über das Thema bin ich vor ungefähr einer Woche gefallen, als ich für den Beitrag über "The Plaza" recherchiert habe.
"Was hinter verbotenen Türen auch steckt, wir kennen kein Zurück - es wird von uns entdeckt."
Als Kind der 1970er bin ich mit den fünf Freunden aufgewachsen und habe alles verschlungen, was da so im Angebot war, ob Buch, Hörspielkassette, Langspielplatte oder auch Fernsehserie (aus dessen Titelsong das Zitat oben stammt).
Und dort wurde sicherlich auch eine gewisse Faszination für alte Gemäuer, verborgene Geheimgänge, unterirdische Wege, Keller und Gewölbe gelegt. Und gelegentlich entdecke ich auch in der Unterwelt von New York auch ein Kleinod, das es verdient, mal hier Erwähnung zu finden.
Drehen wir die Uhr einfach mal 140 Jahre zurück bis zum Jahr 1876. Was war damals das höchste Bauwerk in New York? Eine Kirche? Ein Hochhaus. Ein Brückenpfeiler? Ob die Lösung stimmt, weiß ich nicht und die Photographie oben von der New Yorker Skyline 1876 ist wegen der Perspektivenverschiebungen auch nicht geeignet, um die Frage klar zu beantworten. Laut der oberschlauen Wikipedia ist es aber so, dass der Westpfeiler der Brooklyn Bridge rechts im Bild mit 84,5 Metern das zweithöchste Bauwerk in Manhattan war und die Trinity Church mit 86 Metern (Tumspitze) das höchste Bauwerk.
from the collection of the museum of the city of New Yorki
Die Bauarbeiten an den Pfeilern der Brooklyn Bridge begannen um das Jahr 1870, die Fertigstellung zog sich bis in das Jahr 1876 hin, also ca. sieben Jahre. Danach dauerte es nochmal weitere 7 Jahre, bis die Kabel und Seile gespannt und die Fahrbahnen eingehängt waren und die Brücke 1883 eröffnet werden konnte. Soweit - so gut.
Die Photos aus den ersten Jahren der Bauarbeiten zeigen, dass es sich bei den Pfeilern um imposante Mauerwerke handelte.
Imposante Mauerwerke verfügen ja meistens auch über Gewölbe und Kellerräume. Die Gewölbe unter den Pfeilern der Brooklyn Bridge während der Bauphase sind allgemein bekannt, denn sie waren während der Entstehung der Brückenpfeiler Orte des Schreckens, was die Photos oben so nicht verraten.
1. Caissons (Senkkästen)
Die Senkkasten-Technik, mit der die Pfeiler in das Flussbett des East Rivers gesetzt wurden, war damals noch neu und nicht ausgereift. Die Arbeiter schaufelten unter den Brückenpfeilern den Sand aus dem Flussbett und überhöhter Luftdruck hinderte das Wasser des East Rivers daran, die Baustelle zu fluten. Allerdings konnte man die Empfindlichkeit, mit der der menschliche Körper auf abrupte Luftdruckwechsel reagierte, noch nicht treffend einschätzen. Mit der Folge, dass eine Menge Arbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes unter Überdruck zu schnellen Druckwechseln ausgesetzt waren und dabei dauerhafte gesundheitliche Schäden davon trugen.
Prominentestes Opfer war Washington Roebling, der das Bauprojekt leitete und der danach auf den Rollstuhl angewiesen war und nur noch über ein eingeschränktes Sprechvermögen verfügte.
Auf der Brooklyn-Seite mussten die Erbauer der Brücke bis 13 Meter unter der Wasseroberfläche graben, um auf tragfähigen Felsboden zu stoßen. Der Pfeiler auf der Manhattan-Seite war ungleich schwerer zu erbauen, die Männer mussten bis 23 Meter Tiefe hinunter, um tragfähigen Grund zu erreichen.
Die damaligen Arbeitsbedingungen bei Überdruck, schlechter Belüftung und Petroleumlicht kann man sich kaum noch vorstellen. Aber auch der Arbeitsschutz bzw. die Notwendigkeit mussten erst einmal entdeckt werden.
Photos aus den Senkkästen existieren meines Wissens nicht, wohl aber einige Zeichnungen aus zeitgenössischen Magazinen:
Ich gebe zu, mir als Nichttechniker fällt es ziemlich schwer, die Funktionsweise des Senkkasten-Verfahrens nachzuvollziehen. Die beste Zeichnung, die ich hierzu gefunden habe, ist diese hier, die verdeutlicht ganz gut, wie unten im Senkkasten geschaufelt wird und oben wieder aufgemauert, wenn sich der Klotz weiter in das lose Flussbett abgesenkt hat. Zu beneiden sind diese Arbeiter nun wirklich nicht.
Senkkästen / Caissons wurden in Südmanhattan übrigens nicht nur beim Bau der Brooklyn Bridge verwendet, sondern kamen auch beim Bau einiger Wolkenkratzer zum Einsatz, die ebenfalls auf losem Untergrund errichtet wurden.
2. Wine Cellars
Kehren wir jetzt wieder zum Startpunkt in der Vergangenheit zurück, also die Zeit nach Fertigstellung der Pfeiler und das Jahr 1876.
So ein massives Gemäuer hat - auch wenn es neu ist - ein paar Eigenschaften, die es über seine eigentliche Verwendung hinaus interessant macht. Zum Beispiel ist es dunkel, feucht und kalt von innen.
Der Bau der Brooklyn Bridge war für die damalige Zeit wahrlich kein Schnäppchen, die Kosten waren enorm und bereits der erste Bauherr, John Roebling, hatte die Idee, in die Pfeiler auch gewerblich nutzbare Gewölbe zu integrieren. Nach seinem tragischen Tod zu Beginn der Bauarbeiten 1869 wurde diese Idee von seinem Sohn, dem oben erwähnten Washington Roebling, beim Bau der Pfeiler tatsächlich auch umgesetzt.
Und so kam es, dass 1876 sowohl im Pfeiler auf der Brooklyn-Seite als auch auf der Manhattan-Seite ein Weinkeller in Betrieb genommen wurde. Denn wie der Mensch so ist, Alkohol genießt eine hohe Priorität, damals wie heute. Und in beiden (damals noch nicht vereinigten Städten) gab es in Brückennähe Alkoholhändler, die händeringend geeignete Aufbewahrungsorte für ihre Schätzchen suchten und die Gewölbe in den Pfeilern der Brooklyn Bridge dankend annahmen.
Wo genau sich die Gewölbe in den Pfeilern befinden, kann ich leider nicht sagen. Aber Photos aus dem Inneren existieren.
Und auch wenn es da drin vermutlich arschkalt und sau-ungemütlich ist, hindert das offenbar manche Zeitgenossen nicht daran, sich die Kleider vom Leib zu reißen. Ja, ja, die New Yorker mit ihrem ewigen Kampf um Aufmerksamkeit ....
So richtig kann ich mir das mit den Gewölben in den Pfeilern immer noch nicht vorstellen. Und passend zu meinen Zweifeln bin ich gerade auf eine Seite gestoßen, die das Rätsel auf eine Weise auflöst, die ziemlich schlüssig erscheint.
Demnach befinden sich die Gewölbe, die als Weinkeller genutzt wurden, nicht in den Pfeilern, sondern in anderen, zum Bauwerk "Brooklyn Bridge" zugehörigen Bauwerksteilen.
Wenn ich da jetzt mal hinter dem Pfeiler auf die Manhattanseite zoome, dann sehe ich vor der Endstation der Kabelbahn noch einige gemauerte Bauwerke, auf die die Fahrbahn der Brücke aufliegt.
Und da kann man sicher prima ein paar Weinkeller drin unterbringen.
Für diese These sprechen auch die Photos aus dem flickr-Photostream von Pauletto alias Paul Fitzpatrick. Der hat nämlich die Gelegenheit gehabt, an einer Führung unter die Brooklyn Bridge teilzunehmen. Und der hat von dort tolle Photos mitgebracht, die voll und ganz zu dem eingangs erwähnten Zitat der Fünf Freunde passen "Was hinter verbotenen Türen auch steckt...".
Bei Pauletto heißt das dann "Under the Brooklyn Bridge - A chance to see some spaces behind closed doors." Und mit einer Auswahl von Pauls Erkundungstour möchte ich den Beitrag ausklingen lassen. Ein Photo daraus haben wir oben bereits gesehen. Das volle Set findest Du hier:
Wie ging die Geschichte weiter mit den Gewölben unter der Brooklyn Bridge. Alkohol war nach dem ersten Weltkrieg ja bekanntermaßen nicht mehr pöök in den Vereinigten Staaten und wurde kurzerhand verboten, die Prohibition dauerte eine gute Dekade an. Und auch wenn die Gewölbe 1920 erstmal geräumt wurden, scheinen sie in den Folgejahren auch als Speakeasy, also als geheime Kneipe mit Alkoholausschank genutzt worden zu sein.
In den 1930ern gab es dann wieder Weinhändler, die die Gewölbe offiziell nutzten, wie zum Beispiel dieser hier mit einer Werbeanzeige aus dem Jahr 1936.
In späteren Jahren und Jahrzehnten wurden dann auch andere Güter eingelagert. So berichtete die New York Times, dass Arbeiter der Stadt New York 2006 in den Mauerwerken unter der Brooklyn Bridge einer Art Zeitkapsel aus den Jahren des kalten Kriegs entdeckten, die nahezu 50 Jahre unberührt geblieben war.
Während des kalten Krieges, nach Sputnick-Schock und Kuba-Krise waren dort Medikamente eingelagert worden, medizinische Geräte, Laken aus Papier, Wasserfässer und tausende kalorienreiche Kekse in wasserdichten Metallkanistern. Und damit wären wir dann wieder beim Photo angekommen, das diesen Beitrag eingeleitet hat:
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