Wegen des Feiertags in der vergangenen Woche hatte ich am letzten Montag noch schnell den Saturn meines Vertrauens aufgesucht, um Seriennachschub zu holen (ja ich ziehe greifbare Datenträger immer noch dem Stream vor). Und zu meiner Überraschung haben zwei von drei mitgenommen Produkten in die Vergangenheit von NYC geführt.
Bei der zweiten Staffel von "The Knick", einer TV-Serie von Regisseur Steven Soderbergh, war natürlich klar, dass der Weg in die Vergangenheit von New York führt. Spielt sie doch - wie bereits in der ersten Staffel - in einem fiktiven New Yorker Krankenhaus, dieses Mal im Jahr 1901. Und es ging wieder schonungslos realistisch zur Sache, so das ich das eine oder andere Mal nur durch zusammengekniffene Augen blinzelnd zuschauen konnte, wenn dort ein Auge operiert wurde oder ein Tumor am Kehlkopf entfernt werden sollte. Brrrrrr. Nur bei der Operation, die als "Höhepunkt" zum Ende der zweiten Staffel präsentiert wurde, sind die Macher meiner Meinung nach ein Stück über das Ziel hinausgeschossen.
Wer die erste Staffel kennt und wem sie gefallen hat, wird sich auch bei der zweiten Staffel wieder an den interessanten Geschichten, der mit viel Aufwand betriebenen Rekonstruktion der Welt vor 115 Jahren und dem ungewöhnlichen, aber dennoch passenden Minimal-Elektronik-Soundtrack erfreuen.
Ein klein wenig Meckern muss ich aber dennoch. Weil ich nicht verstehen kann, dass bei all dem akribischen Aufwand bei den Gebäuden geschlampt wurde. Bestes Beispiel ist das Cover der DVD:
Bei einer Serie, die im Jahre 1901 spielen soll, darf meiner Meinung nach nicht gut sichtbar das Woolworth Building zu sehen sein, das erst 10 Jahre später gebaut wurde und ebenso wenig das Singer Building und der City Investing Tower im Hintergrund.
Zumal 1901 in New York das damals höchste Gebäude der Welt stand, das 119 Meter hohe Park Row Building, das auch einen photogenen klassischen Wolkenkratzer hätte geben können. Das erscheint übrigens auf dem Cover und zwar rechts außen, aber unerklärlicherweise in einer kastrierten Version ohne die beiden markanten Türmchen! Weiß der Teufel, was derjenige, der das Cover entworfen hat, damit sagen wollte. Verwendet hat er aber mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit dieses Photo:
Und ich meine, noch einen ähnlichen Schuss in den Ofen bemerkt zu haben. Gegen Ende der letzten Folge der zweiten Staffel verlässt eine der Protagonistinnen New York City mit dem Schiff und blickt auf die Skyline von 1901 zurück:
Mit Ausnahme der Brooklyn Bridge rechts im Hintergrund ist mir diese Skyline ein ziemliches Rätsel. Da sehe ich jede Menge Gebäude und jede Menge Grün, das sieht auch alles ganz schick aus, aber mit der tatsächlichen Skyline von 1901 hat das irgendwie wenig zu tun. Vielleicht war die nach Meinung der Bildermacher zu unspektakulär und bedurfte einer Aufhübschung. Ich bilde mir ein, links das Whitehall Building von 1904 mit dem rückwärtigen Anbau von 1910 wiederzuerkennen und in der Bildmitte im Hintergrund den Turm vom Singer Building. An mangelnder Verfügbarkeit von Abbildungen kann es nicht liegen, im Internet ist ohne großen Aufwand hochauflösendes Material aus dem betreffenden Jahr abrufbar. Schade, da hat man eine Chance vermurkst, den Realismus auch über die Kulissen hinaus, in denen die Serie spielt, auszudehnen.
Hier zwei hochauflösende Abbildungen (über die Links unter den Photos) von der New Yorker Skyline aus dem Jahr 1901 zum Vergleich:
Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau und insgesamt bieten die zwei Staffeln für alle diejenigen, die mit einem stabilen Magen ausgestattet sind, eine hervorragende Möglichkeit, in das New York zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückzureisen.
Die zweite Reise in die Vergangenheit von New York kam dagegen überraschend. Von "Vinyl", einer Fernsehserie über die amerikanische Musikindustrie in den 1970ern, produziert von Martin Scorsese und Mick Jagger, hatte ich schon hier und da Gutes gelesen. Und als mir ein Exemplar am Montag in die Hand fiel, habe ich entsprechend zugegriffen.
Direkt die erste Folge führte zurück in das New York City des Jahres 1973 und dort unter anderem auch zu einem Konzert von Led Zeppelin im Madison Square Garden an der Ecke 33rd Street und 7th Avenue. Als großer Fan von Scorseses Taxi Driver habe ich mich darüber gefreut, dass der gute Martin in der Pilotfolge zeitweise die Bildsprache aus diesem Film wiedererweckt hat, so dass man das eine oder andere Deja Vu erleben durfte. Wie zum Beispiel in der Dunkelheit aus einem Auto mit nassen Scheiben herausfilmen und dabei durch die Lichter der Stadt erstaunliche und teilweise unscharfe Lichspiele erzeugen. Oder in Zeitlupe an schmutzigen Straßenecken vorbeifahren und die dort befindlichen Großstadtmenschen beobachten.
Der Soundtrack ist übrigens allererste Sahne und bildet das komplette Spektrum der damaligen Populärmusik ab, wie es scheint, neben Led Zeppelin habe ich auch schon die Carpenters wiedererkannt und in einem Rückblick "Velvet Underground", deren Musik sogar live eingespielt wurde. Und Blues, Soul und ganz früher Punk wurden ebenfalls schon in großzügigen Mengen verabreicht. Ich bin gespannt, wie es in den nächsten Folgen noch weitergeht.
Was übrigens beide Serien neben dem Hauptschauplatz verbindet: sowohl 1901 als auch 1973 wird in New York zeitweise geschnupft und gespritzt und geschluckt und getrunken und geraucht, als ob es kein morgen gäbe. Ob das tatsächlich so typisch für die Stadt ist, vermag ich nicht zu sagen. Aber mit normalen Menschen kann man wohl auch keinen Fernsehzuschauer dauerhaft bei der Stange halten.
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