Nein, es ist noch nicht Halloween. Und wahrscheinlich gibt es keine Geister. Könnte man aber meinen, wenn man diese Photographie aus den 1870ern ansieht. Tatsächlich handelt es sich natürlich um Besucher, die sich das Vogelhaus im New Yorker Central Park angesehen haben und die sich zu schnell für die damals noch üblichen langen Belichtungszeiten bewegt haben. Sie haben zwar Spuren auf der Photoplatte hinterlassen, aber kein klares Portrait. Die Menschen, die dort so geisterhaft verewigt wurden, sind allerdings auch schon seit vielen Jahrzehnten aus der Gemeinschaft der Bewohner von New York City ausgeschieden, lange Belichtungszeit hin, zu schnelle Bewegungen her.
Ich glaube, ich werde meine Faszination für alte grieselige und sepiastichige Stereokarten noch etwas länger austoben. Wir bleiben mal im Central Park, wo wir die Aufnahme der Bow Bridge bewundern können, der zweitältesten gußeisernen Brücke in Nordamerika. Sie befindet sich in der Parkmitte ungefähr auf Höhe der 73rd Street und wurde hier vermutlich ebenfalls in den 1870ern aufgenommen.
Auch hier kann man Menschen erkennen, die scheinen aber weniger unruhig gewesen zu sein, denn hier sind die Umrisse klarer. Wahrscheinlich haben die vom Photographen ein Stück Brot bekommen, um damit die Fische oder Enten zu füttern und so an einem Ort zu verharren.
Nochmal die Bow Bridge im Central Park, dieses Mal als Detail im Hintergrund photographiert um das Jahr 1875:
Wie man sieht, zappelt fast immer irgendjemand auf den Aufnahmen herum. Wenn es nicht die Menschen sind, dann die Bäume.
Die Bow Bridge war in den 1870ern offenbar ein beliebtes Motiv im Central Park, hier haben wir ein paar Ladies, die vor der Brücke innegehalten haben, um sich photographieren zu lassen.
Die nächsten zwei Karten aus den 1870ern führen in eine andere Art Park, nämlich zum Greenwood Cemetery, der auf dem Gebiet der zum Zeitpunkt der Aufnahme noch von New York unabhängigen Stadt Brooklyn zu finden war und ist. Praktischerweise wurde die Erklärung der Motive in deutscher Sprache auf die Stereokarten geschrieben.
Natürlich verfügte der Gottesacker auch über einen hübschen Springbrunnen:
Wir bleiben in Brooklyn, begeben uns aber weiter südlich hin nach Coney Island, wo einst in den 1870ern dieser Musik-Pavillon stand:
Coney Island war in den 1870ern noch nicht der Standort von spektakulären Vergnügungsparks, diese Ära begann erst 25 bis 30 Jahre später.
Was man dort machen konnte damals vor 140 Jahren? Natürlich baden und Musik hören.
Musik-Pavillons gab es an der Promenade von Coney Island offenbar in rauhen Mengen, hier haben wir noch jeweils einen in Brighton Beach und Manhattan Beach:
Auch das nachfolgende Bild wurde in den 1870ern aufgenommen, es zeigt der Beschreibung nach "rustikale Weiden, Bäume und ein Haus". Mehr Informationen kann ich leider auch nicht hinzufügen.
Kehren wir jetzt mal wieder ins Zentrum zurück nach Manhattan. Die nächste Aufnahme ist auf 1875 datiert und zeigt den Broadway auf Höhe der 14th Street während einer Parade. Mit anderen Worten: an der Südseite des Union Squares.
Weiter unten blicken wir in den 1870ern auf den Broadway Höhe Trinity Church, also jenes Gebiet, in dem ich mich vorletzte Woche etwas verhauen habe:
Zwar wird 1890 als Entstehungsjahr genannt, aber ich vermute, dass das früher gewesen ist bei dieser Stereokarte, die vom Western Union Building herunter aufgenommen wurde in östliche Richtung und dort das andere zeitgenössische Hochhaus, das Tribune Building zeigt. Der Anbieter ist etwas streng mit der Präsentation seines Bildmaterials, deshalb muss ich die Detailaufnahme zweiteilen.
Zum Printing House Square, alternativ Newspaper Row, führt diese 1870er-Aufnahme, wo vor allem das Postamt am City Hall Park rechts auffällt. Wer sich auskennt, kann links das Hauptquartier der New York Times ausmachen und das alte Gebäude der New York World, das 1882 abgebrannt ist. Geradeaus im Hintergrund sieht man noch die Broadwayfront der St. Paul's Chapel.
Dazu eine Aufnahme des Tribune Buildings, weil es gerade so gut passt:
Zum ultramodernen Look der Metropole New York gehörte in der zweiten Hälfte der 1870er natürlich auch die gerade fertiggestellte Hochbahn, die gebaut wurde, um den ständig zunehmenden Bedarf für öffentlichen Personennahverkehr zu stemmen.
Für Übernachtungsgäste standen Unterkünfte zur Verfügung wie das St. Nicholas Hotel, das Brevoort House Hotel oder das berühmte Fifth Avenue Hotel an der Südwestseite des Madison Squares.
Dasselbe Gebäude nochmal aus einer anderen Perspektive und eher in den Hintergrund gerückt. Im Vordergrund müssten jene Grundstücke zu sehen sein, auf denen ca 30 Jahre später das berühmte Flatiron Building gebaut wurde:
Zum Abschluss der Geisterbahnfahrt durch das New York der 1870er kehren wir nochmal nach Südmanhattan zurück, wo am Südende des City Hall Parks das monumentale Postamt von New York City stand:
Wenn man sich an diesem Aufnahmeort um ca. 180 Grad dreht, blickt man wie folgt den Broadway hinab. Diese letzte Aufnahme muss vor 1875 entstanden sein, denn in der rechten Bildhälfte steht noch keine Western Union Building, das ansonsten der Blickfang in diesem Bild gewesen wäre.
Dafür gehört die geballte Aufmerksamkeit dem hellen Gebäude links vorne, dem Herald Building. Wer aber die Augen spitzt, kann im Hintergrund noch die Fußgängerbrücke über den Broadway auf Höhe der Fulton Street und dahinter den Turm die Trinity Church erkennen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen