Sonntag, Dezember 08, 2019

The Unbuilt City - Part 2



Einer der Themenschwerpunkte hier im Blog sind sicherlich Beiträge über die "Lost Buildings", also Gebäude, die einst in New York gestanden haben, aber schon vor längerer oder langer Zeit aus unterschiedlichen Gründen verschwunden sind. Und dann gibt es noch eine vielleicht verwandte Kategorie, die in eine nahe gelegene Schublade zu sortieren sind, weil sie auch Lost sind, allerdings mit dem Unterschied, dass sie nur auf dem Papier existiert haben, aber nie Realität geworden sind. 

Gelegentlich hat in den vergangenen Jahren ein Gebäude dieser besonderen Kategorie Erwähnung hier im Blog gefunden. Vor eineinhalb Jahren habe ich dann mal einen größeren Beitrag zum Thema geschrieben: 

Im sozialen Netzwerk von Facebook tummeln sich zahlreiche Gruppen mit historischen Bildern von New York City. Und wenn man sich dort als Mitglied eingetragen hat, bekommt man immer mal wieder Alternativvorschläge für ähnliche Gruppen, bei denen man auch noch Mitglied werden könnte. In den letzten Monaten wurde mir irgendwann die Facebook-Gruppe "Unbuilt New York" vorgeschlagen, in der schon seit längerem Material zu genau dem oben beschriebenen Thema zusammengetragen wird. Und da möchte ich heute mal einen Blick drauf werfen. 

Facebook-Gruppe Unbuilt New York:


Das erste Beispiel ist direkt mal kein Gebäude, sondern eine größere städtebauliche Maßnahme, die für den Stadtteil Brooklyn entworfen wurde. Stark von (süd)europäischen Großstädten inspiriert war die Idee, einen Piazza del Popolo einschließlich Obelisk dem Stadtgebiet von New York City hinzuzufügen. Ausgedacht wurde dieser massive Eingriff in die städtebauliche Substanz durch Whitney Warren im Jahr 1905. 

Ich habe mal nachgeschaut, wie es dort heute tatsächlich aussieht, als Orientierungspunkte dienen die Brooklyn Bridge und die Manhattan Bridge, die auf der Zeichnung oben von Manhattan im Hintergrund nach Brookyln im Vordergrund hinüberführen und in den Piazza del Popolo münden.

google maps


Ich gehe nochmal etwas näher heran an den mutmaßlichen Mündungspunkt der Brückenab- bzw. -auffahrten und den Ort, an dem der kreisrunde Platz in das Häusermeer von Brooklyn gefräst worden wäre: 



Die heutige Bebauung kommt mir jetzt nicht so spektakulär vor, es ist denkbar, dass mit dem Piazza del Popolo ein Ort von größerem Wiedererkennungswert geschaffen worden wäre als das, was man in der Realität vorfindet. 

Wo ich gerade den Cadman Plaza Park links im Bild sehe:



Für den gab es 1945 die Idee, dort einen Erinnerungsort für den Krieg einzurichten (War Memorial). 



Allerdings handelt es sich nur um einen von 243 Gestaltungsentwürfen, umgesetzt wurde ein anderer Entwurf:



Der Park wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände eingerichtet, auf dem früher einmal die Betriebsanlage der Hochbahn in Brooklyn stand. 

1936 - By Works Progress Administration - U.S. Works Progress Administration, Five Boroughs Project. Photo scanned by the New York Public Library with Digital Image ID 707312F. The source information is on the verso., Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1696560

Ich bin mir sicher, dass über dieses Foto auch schon mal irgendwann geschrieben habe, konnte den Beitrag aber nicht wiederfinden auf die Schnelle. 

Dafür kann ich noch einen zweiten Entwurf für das Brooklyn War Memorial anbieten, der ebenfalls nicht realisiert wurde und einen Cenotaphen (Scheingrab) zeigt mit einer reflektierenden Wasserfläche davor und einem Lichstrahler auf dem Dach:



mehr zum Cadman Plaza 


Kommen wir nochmal zu "in das Häusermeer hineinfräsen". Da gibt es ein weiteres interessantes Beispiel, dieses Mal in Midtown Manhattan an einem Ort, der dank des in der Nähe stehenden Empire State Buildings nicht unbekannt sein dürfte. 



Wir schauen hier auf Höhe der 30th Street vom Westen her auf Midtown Manhattan. Im Vordergrund die Gleisharfe des Bahnhofes Pennsylviania Station, als Orientierungspunkte weiterhin das Post Office (PO), die bis ca. 1963 überirdische Pennsylvania Station (PS), dahinter das Hotel Pennsylvania (H) und dahinter das Empire State Building (E):



Was hier in Ost-West-Richtung und umgekehrt auf Höhe der 30th Street durch Manhattan verlaufen sollte, war der nicht gebaute "Mid-Manhattan Expressway" (Interstate 495). Treibende Kraft dahinter in den 1950ern war der berühmt-berüchtigte New Yorker Stadtplaner Robert Moses. 

Hier sind noch zwei Ideen zu einer möglichen Umsetzung: 




Und eine alternative, etwas zurückgenommene Version des Expressways quer durch Midtown Manhattan:




Hier die Wirklichkeit mit denselben Gebäuden markiert, Empire State Building, Hotel Pennsylvania und Post Office sind noch da, anstelle der Pennsylvania Station befindet sich allerdings seit mehr als 50 Jahren die vierte Version des Madison Square Gardens mit dem Bahnhof unterirdisch darunter. 



Auch die Gleisharfe des Pennsylvania Station-Bahnhofes ist noch vorhanden, allerdings inzwischen schon zu größeren Teilen unter dem Hudson Yards-Bauprojekt verschwunden, wie man sieht. 

mehr zum Mid-Manhattan Expressway:


In etwa der gleiche Ort, aber ungefähr 50 Jahre früher und eine andere Baustelle. Von 1908 stammt der folgende Entwurf der Architekten Howells und Stokes für das Uptown Terminal der McAdoo Tunnels an der Kreuzung 6th Avenue und 33rd Street am Herald Square / Greeley Square. 



Das Bild ist auf den ersten Blick etwas schwer zu interpretieren. Wir schauen hier vom Osten her auf den Herald Square, die Häuser auf der Ostseite des Squares sind quasi unterschlagen, seine Abbildung beginnt quasi erst mit der Hochbahntrasse entlang der Sixth Avenue und mit der Station am südlichen Teil des Platzes, dem Greeley Square. Hinter dieser Station erhebt sich auf der Westseite das Terminalgebäude, im Vordergrund rechts sieht man das Kaufhaus Gimbel's.

Eine Aufnahme vom Kaufhaus Gimble's (in der Mitte) und der Hochbahnstation an der 33rd Street, entstanden vermutlich so um die vorletzte Jahrhundertwende:



So spektakuläre Gebäude scheinen südlich vom Gimbel's damals nicht gestanden zu haben, dort wäre dann wohl der Eingang zum Termin hingesetzt worden. Hier haben wir nochmal eine weitere Aufnahme, entstanden ca. 1920 von einem etwas höheren Standort aus: 



Die McAdoo Tunnels sind Teil eines umfassenden unterirdischen Bahnsystems, das in Nord-Südrichtung im Untergrund von Manhattan verläuft und Verbindungen unter dem Hudson River zur New Jersey-Seite unterhält. 

Das Tunnelsystem war ein unterirdisches Mammut-Bauwerk, an dem von 1874 bis 1906 gearbeitet wurde. Die nachfolgende Karte aus der Zeitung "San Francisco Call" in der Ausgabe vom 09.12.1906 vermittelt einen ungefähren Eindruck davon, was dort seinerseits geschaffen wurde:



Prominentes Beispiel für einen oberirdischen Teil dieses Bahnsystems sind die Hudson Terminals, die einst dort standen, wo sich heute das Gelände des World Trade Centers befindet: 

Thaddeus Wilkerson, Hudson Terminal Building, ca. 1910, from the collection of the museum of the city of New York


Hier die Hudson Terminals nochmal im San Francisco Call vom 09. Dezember 1906:


Der Bahntunnel aus New Jersey, der hier auf Manhattan trifft, ist heute noch unter dem World Trade Center in Betrieb, vielleicht hat der eine oder andere, der dort war, schon mal die Schilder zu den PATH Trains wahrgenommen (PATH = Port Authority Trans Hudson). Früher lief PATH unter dem Namen H&M für Hudson and Manhattan Railroad. 


Ebenso sieht man einen zweiten, nördlicher gelegenen Tunnel unter dem Hudson River hindurch, der auf Höhe der Christopher Street auf Manhattan trifft und dann nach einem scharfen Knick unter der 6th Avenue nach Norden weiterverläuft, bis hinauf zur 33rd Street. 

Ich denke, dass das Uptown Terminal den Gebäude-Giganten vom Hudson Terminal im Süden ein adäquates Kontergewicht am Nordende der Anlage entgegensetzen sollte. 


Tatsächlich ist am Herald Square aber kein spektakulärer Gebäudegigant errichtet worden. Das einzige, was ich hierzu an Bildmaterial finden konnte, ist diese historische Aufnahme vom realitiv unspektakulären Zugang zu der unterirdischen Bahnanlage am Herald Square rechts im Bild: 


Tatsächlich täuscht die Aufnahme vom Greeley Square Park aber darüber hinweg, was sich an diesem Ort tatsächlich im Untergrund abspielte. 

Dieser Querschnitt vom Über- und Untergrund am Herald Square wurde 1935 von Arthur Weindorf gezeichnet und zeigt eine Fülle von unterschiedlichen U-Bahn- und Bahnlinien, die neben der Hochbahntrasse den Herald Square passieren:



Links zur 33rd Street Station und den McAdoo Tunnels:


Ein weiteres Beispiel für einen nicht realisierten Monumentalbau in Manhattan ist dieser Entwurf für die Riverside Church, die im Nordwesten von Manhattan errichtet wurde:



Er stammt von berühmten Architektenbüro McKim, Mead and White und stammt aus dem Jahr 1925. Die Idee, eine Kirche im Erdgeschoss mit einem Apartmenthaus unter einem Dach zu kombinieren, stieß allerdings beim Bauherrn J.D. Rockefeller nicht auf Gegenliebe. Der wollte, dass man in erster Linie die Kirche und nicht das Apartmenthaus wahrnahm, weshalb von der Kombination Abstand genommen wurde. 

Das, was dann tatsächlich ab 1927 am Riverside Drive auf Höhe der 122nd Street gebaut und Anfang der 1930er fertiggestellt wurde, war dann eher ein klassisches Gotteshaus als ein Wolkenkratzer:

Samuel Gottscho, Riverside Church, General view from west, 1931, from the collection of the museum of the city of New York


Die Kirche steht heute noch an dieser exponierten Stelle in der Nähe des Hudson Rivers. Das zugehörige Funktionsgebäude ist dann doch etwas kleiner ausgefallen als in dem oben vorgestellten Entwurf:


Ich schließe aber nicht aus, das Interchurch Center auf der anderen Straßenseite noch mit zur Riverside Church gehört, wäre ja im wahrsten Wortsinn naheliegend:



mehr zur Riverside Church:


Zum nächsten Objekt müssen wir nur einen Steinwurf weit gehen. Das Monument für General Ulysses S. Grant, dem Oberbefehlshaber des Heeres der Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg und 18. Amerikanischen Präsidenten wurde direkt um die Ecke errichtet, allerdings schon 30 Jahre eher.



Hier eine Aufnahme von der Einweihung des Monuments im Jahr 1897:

Grand Monument Dedication, 1897, from the collection of the museum of the city of New York


Auch hier hat es vielfältige Ideen gegeben, von letztendlich dann nur eine in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. 

Diese stammt von Napoleon LeBrun:




Eine Idee von Charles W. Clinton:




Und schon etwas weiter entfernt vom Ergebnis ist dieser Entwurf von Carrere und Hastings:




Doch auch der realisierte Entwurf wurde aus Kostengründen nicht vollständig umgesetzt, denn eigentlich war noch vorgesehen, eine prachtvolle Treppe hinunter bis zum Hudson River zu bauen einschließlich eines Anlegers für Dampfschiffe. 




Lt. Bildschreibung war General Grants Grab im frühen 20. Jahrhundert eine bei Touristen höchstbeliebte Sehenswürdigkeit in New York, was sicherlich auch daran lag, dass damals noch viele Besucher den General zu Lebzeiten gekannt hatten. Anfang der 1930er kam dann das Empire State Building und das Grab des Generals musste die Pole Position räumen.

mehr zum General Grant National Memorial:


Und nochmal bleiben wir in der Nähe, denn nur zwei Steinwürfe von der Riverside Church und dem General Grant Memorial entfernt liegt der Campus der Columbia University entfernt:



Anfang der 1970er hatte I.M. Pei die Idee, die Optik des durch eher klassische Gebäude geprägten Universitätsgeländes durch zwei moderne Hochhäuser aufzulockern: 



Diese Idee wurde zum Glück nicht realisiert. Allerdings ist die Südwiese (South Lawn) vor dem Gebäude mit den markanten Säulen mit Zelten (?) bedeckt worden:



mehr zur Columbia University:


Als in der ersten Hälfte der 1970er das World Trade Center und später auch der Sears Tower höher am Himmel kratzten als das Empire State Building, hat man in New York wohl mal kurz darüber nachgedacht, dem Hochhausklassiker ein paar zusätzliche Etagen aufzuschultern und ihn wieder zum höchsten Gebäude auf der Welt zu machen. Die Idee wurde dann aber aus Kostengründen wieder verworfen:



Zum Abschluss möchte ich nochmal in den Süden von Manhattan springen und in die Nähe des New Yorker Rathauses (City Hall):



Dieser Entwurf für ein New Yorker Civic Center stammt von Richard W. Rummell und ist auf ca. 1903 datiert. Durch das Civic Center wären eine Reihe von älteren Gebäuden, die nördlich von der City Hall stehen, reif für den Abriss gewesen. 

Tatsächlich wurde die Idee, die dahintersteht, ungefähr 10 Jahre später in räumlicher Nähe mit dem Bau des Municipal Buildings in die Tat umgesetzt worden: 



Auch für das Municipal Building mussten sicherlich eine ganze Reihe von Gebäuden weichen, mit Blick auf den Standort aber vermutlich eher kleine Wohn- und Geschäftshäuser und keine Gerichtsgebäude oder Zeitungsredaktionen.

Und so durfte der Gebäudeklassiker namens "Tweed Courthouse" bis heute hinter dem New Yorker Rathaus stehenbleiben und musste nicht dem Civic Center oder anderen Projekten weichen. 



mehr über Tweed Courthouse und Municipal Building:


Wenn Ihr einen Facebook-Anschluss habt, schaut gerne mal in dieser großartigen Gruppe vorbei, von der ich nur einen kleinen Teil vorgestellt habe:


Danke fürs Vorbeischauen, danke für die Aufmerksamkeit.