Sonntag, Februar 01, 2015

New York and the Swastikas - Teil 3




Heute möchte ich ein weiteres Mal jener Serie eine Folge hinzufügen, die wohl die unbeliebteste Serie hier im Blog sein dürfte. Da dieses Thema jedoch eine der unzähligen Facetten im Spektrum der New Yorker Vergangenheit und Gegenwart darstellt, begebe ich mich wieder auf den schmalen Grad, wie schon im März und im August des vergangenen Jahres. 

Die Teile 1 und 2 findest Du hier: 


Die schlaue Wikipedia sagt zu dem Thema folgendes:

"Die politische Verwendung hakenkreuzförmiger Symbole ist in DeutschlandÖsterreich und weiteren Staaten seit 1945 verboten. Erlaubt ist in Deutschland eine Hakenkreuzdarstellung nach § 86 Abs. 3 StGB nur, wenn sie „der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient."

Dieser Beitrag gehört in die zum Schluss beschriebene Kategorie: die Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte.



1. A Film Johnnie (1914)


Die Einleitung führt uns nicht nach New York, sondern nach Los Angeles. 

In den letzten zwei Teilen haben wir ja bereits zur Kenntnis genommen, dass in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, also den 1900ern, den 1910ern und den 1920ern das Hakenkreuz ein populäres Glückssymbol in den Vereinigten Staaten war, das unter anderem auf Kleidungsstücken, auf Glückwunschkarten, als Schmuck, aber auch als Ornament auf Gebäuden erschien. 

Als Hinweis auf diese alltägliche Präsenz des Hakenkreuzes als Glückssymbol auf Augenhöhe mit dem Hufeisen oder dem Kleeblatt habe ich vor einigen Wochen per Zufall ein sehr interessantes Filmdokument entdeckt, als ich mir ein paar der ganz frühen Filme von Charles Spencer Chaplin angesehen habe.


Charlie Chaplin war in den frühen 1910ern zum zweiten Mal mit einer englischen Theatergruppe, der auch Stan Laurel angehörte, auf Nordamerikatournee. Während dieser Tour wurde er 1913 vom Produzenten Mack Sennett als Filmschauspieler engagiert. Im Alter von 24 Jahren erreichte Chaplin im Dezember 1913 Los Angeles, wo er im Vorort Edendale die Arbeit in Sennetts "Keystone Studios" aufnahm, die temporeiche Kurzfilme produzierten, in der Regel nur eine Filmrolle lang. 




Die Ergebnisse der Filmarbeiten mit Chaplin als Schauspieler kamen ab dem 02. Februar 1914 auf den amerikanischen Filmmarkt und als sechster Film wurde der 15minütige Kurzfilm "A Film Johnnie" am 02. März 1914 veröffentlicht:






Der Film ist aus vielerlei Hinsicht interessant, einerseits ein ganz früher Chaplin-Film, andererseits aber auch, weil er die Pionierzeiten des amerikanischen Kinos, die Anfangstage von Hollywood und auch die Anfangstage von Filmproduktionen selbst dokumentiert, gerade mal 20 Jahre nach Entstehung dieser neuen Kunstform.

Was mich unvorbereitet erwischt hat und was ich erst gar nicht glauben konnte, war eine kurze Sequenz ab Minute 4:54, nachdem Charlie das Filmstudio betreten hat. Wir blicken auf ein typisches Filmset der Keystone Studios, die einfach die eigene Produktionsstätte als Kulisse für den Film genommen haben:



Dann nach ca. zwei Sekunden tritt dieser Herr ins Bild, der bis dato von dem Kameramann im Vordergrund verdeckt war:



Der scheint so etwas wie ein Kamera-Assistent zu sein, der einen Vorläufer der "Klappe" hochhält, um die Szene einzuleiten, die links im Bild aufgebaut ist und gefilmt werden soll.



Und diese Tafel, die er hochhält, hat es in sich:





Dort steht in Spiegelschrift "SCENE GOOD" und in jeder der vier Ecken dieser Tafel findet man ein kleines Hakenkreuz. (Spiegelschrift wahrscheinlich aus Gründen, die mit dem Filmschnitt zu tun haben). Es scheint so, als ob oben in der Mitte noch mit Kreide die Nummer der Szene eingetragen wurde, die gerade zur Aufnahme ansteht.

Das waren natürlich keine Nazis, die damals Ende 1913 / Anfang 1914 diesen Film produziert haben, sondern hier sieht man das Hakenkreuz tatsächlich in seiner einstigen Verwendung als Glückssymbol.

Dass man Hakenkreuze in einem frühen Film desjenigen Mannes, der 25 Jahre später "Der große Diktator" gedreht hat, finden könnte, hatte ich nicht erwartet.



A Film Johnnie: http://en.wikipedia.org/wiki/A_Film_Johnnie
Chaplin Filme: http://en.wikipedia.org/wiki/Charlie_Chaplin_filmography
Keystone Studios: http://en.wikipedia.org/wiki/Keystone_Studios
Charles Chaplin: http://en.wikipedia.org/wiki/Charlie_Chaplin


Ich habe noch ein bisschen geforscht. Der berühmte Chicagoer Filmkritiker Roger Ebert bzw. einer seiner Mitarbeiter hat die Swastikas in "A Film Johnnie" auch entdeckt:



Und auch bei Shadowplay hat jemand den Vorläufer der Klappe mit der Kreidebeschriftung und den Glückssymbolen entdeckt (und damit Ende Einleitung).





2. Hotel Astor (Times Square)


Hotel Astor, Exteriors, 1908, from the collections of the museum of the city of New York



Abschnitt 2 führt uns dann in das Zentrum von New York an den Times Square, früher Longacre Square, wo sich von 1904 bis 1967 das Hotel Astor befand.

Wiki: http://en.wikipedia.org/wiki/Hotel_Astor_%28New_York_City%29


Long Acre Square New York, 1905, from the collections of the museum of the city of New York


Auto Race New York-Paris, Times Square, Feb 12 1908, from the collections of the museum of the city of New York


View Times Square, Aug 20 1929, from the collections of the museum of the city of New York


Times Square, ca 1965, from the collections of the museum of the city of New York


Wie man sieht, hat das Hotel Astor in der Gebäudelandschaft am Times Square über lange Jahre hinweg eine prägende Rolle innegehabt, bevor es nach mehr als 60 Jahren weichen musste.

Durch Zufall bin ich auf das nachfolgende Bild aus dem Inneren des Hotels gestoßen, denn eigentlich hatte ich die Sammlung des Museums der Stadt New York mit dem Begriff "native americans" durchsucht.

Neben vielen anderen Photographien kam auch eine Aufnahme eines Restaurants zum Vorschein, das sich im Hotel Astor befand:

Hotel Astor, A restaureant inside the Hotel Astor decorated in an Native American motif, ca 1900, from the collections of the museum of the city of New York


Die Bildunterschrift verrät, warum ich bei diesem Bild gelandet bin: Ein Restaurant im Inneren des Hotel Astors, dekoriert mit Motiven amerikanischer Ureinwohner. Die glücksspendenden Hakenkreuzsymbole werden in viele Quellen auf die "Native Americans", die amerikanischen Ureinwohner zurückgeführt.

In der gleichen Bildersammlung habe ich noch ein weiteres Bild entdeckt, das zeigt, dass die Hakenkreuze nicht nur die Teppiche, sondern auch den Fußboden selbst schmückten:

Hotel Astor, 1904, from the collections of the museum of the city of New York


Es handelte sich bei diesem Raum um den "The Hall of the American Indian", auch "American Indian Room" oder "Indian Grill Room" genannt

Auf einen oberflächlichen Blick hätte man denken können, dass man in einem mitteleuropäischen Bier- oder Weinkeller gelandet wäre, wenn man aber genauer hinsieht, erkennt man, dass sich die Bezüge auf die Amerikanischen Ureinwohner nicht nur auf die Hakenkreuzsymbole beschränken.

Das auf diesem Grundriss "American Indian Grill Room" genannte Restaurant befand sich in einem der Kellergeschosse des Hotels Astor.

Hotel Astor, Exterior, Bldg and roof Garden scenes, 1915, from the collections of the museum of the city of New York





Diesem etwas detaillierteren Grundriss kann man entnehmen, dass die einzelnen Abschnitte des Restaurants unterschiedlichen Indianerstämmen gewidmet waren:



Ich habe noch weitere Abbildungen des Raums gefunden:

Tiles in New York: http://tilesinnewyork.blogspot.de/2012_11_01_archive.html


http://tilesinnewyork.blogspot.de/2012_11_01_archive.html


University of Virginia: http://xroads.virginia.edu/~ma04/ranger/astor_collection/introduction.html







3. House on 4 East 43rd Street

http://www.scoutingny.com/abandoned-on-east-43rd-street/


Station 3 ist gar nicht so weit vom letzten Haltepunkt entfernt. Wir müssen vom Times Square nur einen kurzen Fußmarsch nach Osten machen, um zu einem Haus an der Adresse 4 East 43rd Street zu erreichen, gelegen zwischen Bryant Park und Grand Central Terminal.


google maps


Ich werfe den Google Street View-Mann an der Kreuzung 43rd Street / 5th Avenue ab, der Blick richtet sich nach Osten die 43rd Street hinunter. Das gesuchte Haus sieht man rechts in der Bildmitte mit heller Fassade hinter dem großen Klotz hervorluken.





Here we are: Haus Nummer 4 East 43rd Street:




Offenbar sucht man dringend neue Mieter für das Gebäude, das auch VPC Tower heißt:




Bereits bei der Materialsuche zur ersten Folge der Serie bin ich dank Forgotten-NY auf dieses Gebäude gestoßen, allerdings konnte ich auf die Schnelle keine Hakenkreuze entdecken und habe daher erst mal mit anderen Motiven weitergemacht. Jetzt - anlässlich von Folge 3 - bin ich nochmal zu 4 East 43rd Street zurückgekehrt, um herauszufinden, wo sich die Swastika-Ornamente denn nun befinden.

forgotten-ny: http://forgotten-ny.com/2008/11/crumbling-cherubs-of-east-43rd/

Dort sind die Gebäudeornamente in Vergrößerung abgebildet, aber Swastikas sehe ich da nicht:






Aber zumindest gibt es ein paar Informationen über das Gebäude. Es wurde 1916 errichtet und hieß ursprünglich mal "Mehlin Piano Building", nach der Mehlin Piano Company, die das Gebäude 20 Jahre lang gemietet hatte.

Daytonian in Manhattan hat dem Gebäude ebenfalls eine Seite gewidmet, auch da finde ich keine Swastikas auf den Fotos.
http://daytoninmanhattan.blogspot.de/2012/07/the-1916-mehlin-piano-building-no-4.html

Aber hier gibt es zumindest eine historische Innenansicht, die zeigt, wie das Foyer aussah, wenn man den Laden von der 43rd Street aus betreten hat:



Auch diese Seite, die mit einer 1917er-Abbildung aufwarten kann, löst das Rätsel nicht:
http://commercialobserver.com/2014/08/the-marble-beauty-inside-a-renovated-midtown-east-gem/





Fündig geworden bin ich schließlich bei Scouting-NY, denn der Macher geht ja bekanntlich sehr akribisch vor, wenn er erst mal ein Objekt im Fokus hat.
http://www.scoutingny.com/abandoned-on-east-43rd-street/

Und dort erklärt sich auch, warum es so schwer ist, einen Hinweis auf die Swastikas an diesem Gebäude zu finden, die sind deshalb so schwer zu finden, weil sie weit am Gebäude oben angebracht wurden.






Erkannt? Nein - dann müssen wir noch näher ran:



Zum Schluss noch eine historische Aufnahme, die das Gebäude etwa im Jahr der Entstehung zeigt:

4 East 43rd Street, ca. 1916, from the collections of the museum of the city of New York



4. House on 21 West Street




Von Midtown Manhattan geht es hinunter in den Financial District nach Lower Manhattan, wo an der Hausnummer 21 West Street dieses 1926 errichtete Gebäude steht. Wie viele andere Gebäude in Manhattan wurde es ursprünglich als Bürogebäude genutzt, aber in der Zwischenzeit zu einem Apartmenthaus umgewidmet.



Dieses Mal sind die Hakenkreuz-Ornamente nicht weit oben versteckt, sondern gut sichtbar an der Basis des Gebäudes angebracht. Auch auf dieses Haus bin ich durch einen Beitrag bei forgotten-ny aufmerksam geworden, den ich in den ersten zwei Folgen noch nicht genutzt hatte.
http://forgotten-ny.com/2007/11/in-search-of-washington-downtown-pieces-of-washington-street/




Diese an anderer Stelle gefundene Fotografie verdeutlicht, dass die Swastikas an der Basis des Gebäudes offenbar üppig verteilt wurden:



Na gut, Zeit den Google Street View-Mann im Süden der West Street abzuwerfen. 21 West Street sieht man nun in der Bildmitte.




Direkt vor dem Gebäude an der West Street-Seite steht zwar einiges an Gemüse herum, aber durch das Grünzeug hindurch kann man die ersten Ornamente bereits erspähen:




Ich biege nun an der nächsten Straßenmündung von der West Street in die Morris Street ein.





Weiter die Morris Street hinunter stoßen wir an der Ecke Morris Street / Washington Street auf jene Fußgängerbrücke, die wir bei den forgotten-ny-Aufnahmen bereits kennengelernt haben.





Der letzte Haltepunkt auf dem Weg rund um das Gebäude befindet sich auf der Washington Street. Tatsächlich findet man die Swastika-Ornamente rund um das Gebäude.






5. Nazi Family


Nochmal Times Square. Zum Abschluss des Beitrags kann ich noch ein Fundstück aus dem New York der Gegenwart bieten.

In der zweiten Folge hatten wir ja schon einen verstrahlten New Yorker Taxi-Fahrer, der mit einer Hakenkreuzbinde herumgefahren war und seltsame Interviews im Lokalfernsehen gegeben hatte.

Der Gothamist hat im vergangenen Jahr einen Tag nach Halloween diesen Beitrag über eine Familie veröffentlicht, die an Halloween kostümiert in einer U-Bahn-Station am Times Square gesichtet wurde.
http://gothamist.com/2014/11/01/photo_nazi_family_are_most_disturbi.php




Was die Mutter genau darstellt, ist hier nicht zu erkennen, dafür der Vater umso besser. Das Augenmerk möchte ich aber auf das Kind lenken, das offenbar von den lieben Eltern mit einer Art Konzentrationslager-Pyjama geschmückt wurde. Ohne Worte.

Aber auch das gehört zu New York. Feierabend.

Mehr gibt es hier: http://nygeschichterucksack.blogspot.de/2015/02/new-york-and-swastikas.html


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