Es ist an der Zeit, mal wieder über ein historisches Unglück zu schreiben. Ich bin bei vergangenen Recherchen zu anderen Beiträgen auf ein Foto aus dem Jahr 1896 gestoßen, das die Amerikanische Pferdebörse in New York nach einem Feuer zeigt.
Fire 1896, from the collection of the museum of the city of New York
Ich war erst mal selbst erstaunt, als ich festgestellt habe, dass ich schon mal über dieses Gebäude geschrieben habe. Und zwar vor dreieinhalb Jahren in dem Beitrag über den Longacre Square. Das Gebiet um den heutigen Times Square war lange Zeit das Zentrum der Kutschenbauer in Manhattan, weshalb es nicht ungewöhnlich erscheint, dass dort auch die Pferdebörse errichtet wurde. Sie befand sich am Broadway, zwischen der 50th und der 51st Street, leicht nördlich vom Longacre Square (später Times Square).
Die Abbildung zu Beginn des Beitrags ist auf 1880 oder die 1880er datiert, die Pferdebörse scheint also schon ein paar Jahre gestanden zu haben, als das Feuer sie 1896 verwüstete.
Mehr kann man in einem Beitrag erfahren, den der Journalist Christopher Gray im September 1998 in der New York Times veröffentlichte.
Demnach wurde der Bau der Pferdebörse von William K. Vanderbilt 1881 veranlasst. Bei dem Feuer 1896 kamen 60 der 265 dort untergebrachten Pferde ums Leben, teilweise wurden sie wohl durch die sehr zahlreich herumstehende Schaulustige am Verlassen des brennenden Gebäudes gehindert. Einige Tiere brachen in ihrer Panik durch die Fensterscheiben und mussten in ganz Midtown Manhattan wieder eingefangen werden. 1897 wurde auf der Grundlage der nach dem Brand noch vorhandenen Bausubstanz eine neue Pferdebörse errichtet. Diese fiel dann im Laufe der folgenden Dekade nicht einem weiteren Feuer zum Opfer, sondern den technischen Entwicklungen. Das Automobil verdrängte im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts das Pferd massiv von den New Yorker Straßen und die Pferdebörse verlor an Bedeutung.
Mehr über das Feuer, das sich in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1896 ereignete, erfährt man in diesem Artikel aus der New York Times:
Ursprünglich stand auf dem Straßenblock, auf dem die Pferdebörse errichtet wurde - wie so häufig in der Geschichte Manhattans - mal ein Bauernhof. Eliza Greatorex hat die Hopper Farm 1868 in einer Zeichnung verewigt:
Eliza Greatorex, Side of Winter Garden, on the Hopper Farm 1868, from the collection of the museum of the city of New York
Weil Bildmaterial aus der Zeit der Pferdebörse nur sehr rar vorhanden ist, befrage ich alternativ mal die beiden zur Verfügung stehenden Bromley-Stadtatlanten aus den Jahren 1879 und 1891. Auf der Karte des 1879er-Stadtatlas findet man noch keine Horse Exchange, das passt also mit dem in der New York Times genannten Baujahr 1881. An der Ostseite des Broadways findet man einen recht umfangreichen Gebäudekomplex, in dem offenbar Pferde und Waggons beherbergt wurden, die auf der 7th-Avenue-Pferdeomnibus-Linie unterwegs waren.
Gegenüber vom Seventh Avenue Railway Depot wurde dann wenig später auf der "Insel" zwischen 7th Avenue und Broadway die "American Horse Exchange" gebaut, dort wo 10 Jahre zuvor noch die Hopper Farm stand. Achtung, bei dieser Karte ist der Norden nicht wie gewohnt oben, sondern rechts.
Diese "Insel" zwischen Broadway und Seventh Avenue wurde vor allem dadurch durch das Nachfolgegebäude der "American Horse Exchange" bekannt. Nach dem Brand wurde die AHE wieder aufgebaut und war weiter in Betrieb bis ca. 1909.
Die American Horse Exchange im rechten Bildhintergrund auf einer Aufnahme von 1901, entstanden wahrscheinlich beim Bau der ersten U-Bahnlinie (IRT):
NYPL Digital Gallery
Die nächste Aufnahme, ebenfalls in der Nähe der Jahrhundertwende einzuordnen, wurde wohl von der Rückseite her, also von der 7th Avenue aus aufgenommen, wie mir scheint.
Eine weitere Aufnahme des Gebäudes im linken Bildteil, dieses Mal 1907. Die Fassade scheint in der Zwischenzeit in einem dunkleren Ton gestrichen worden zu sein.
East side of Broadway between 49th and 50th Street, 1907, from the collection of the museum of the city of New York
Das nachfolgende Foto habe ich im Flickr-Photostream von Cesar Romero Robles entdeckt, betitelt mit "Ende der American Horse Exchange und des Kutschenhandels in NYC 1909":
Danach wurde das Gebäude an der Hausnummer 1634 Broadway modifiziert (redesigned), erhielt eine neue Fassade und verwandelte sich von der American Horse Exchange zu dem berühmten Theater "Winter Garden", das seinen Spielbetrieb 1911 aufnahm.
Aus jener Zeit gibt es einen weiteren Bromley-Stadtatlas von 1909, aber nur in der überarbeiteten Version von 1912 und die zeigt an dieser Stelle schon den "Winter Garden".
Nach dem Umbau und der Neugestaltung präsentierte sich das Gebäude etwa so wie auf dieser Aufnahme von 1913:
Zwei Innenansichten des Theaters aus der Anfangszeit:
Und eine Anzeige aus der Anfangszeit:
In Dunkelheit machte sich das Theater als Baustein des klassischen Broadways auch nicht schlecht:
Winter Garden Theatre, Night View, nD, from the collection of the museum of the city of New York
Great to be alive at the Winter Garden Theatre, 1950, from the collection of the museum of the city of New York
Und hier nochmal bei Tag in den 1950ern:
Als ich diesen Beitrag angefangen habe zu schreiben, war mir lange Zeit nicht klar, dass ich selbst auch schon eine Vorstellung im Winter Garden gesehen habe. Von 1982 bis 2000 wurde nämlich dort durchgehend Andrew Lloyd Webbers Musical "CATS" gespielt. Und 1992 bei meinem ersten Aufenthalt in New York waren wir mit unserer Reisegruppe in einer Aufführung von Cats, um ein Broadway-Musical auf der "to do-Liste" abhaken zu können, wie es sich für anständige Touristen gehört.
Von 2001 bis 2013 konnte man ein weiteres Erfolgsmusical im Winter Garden bestaunen:
Und seit diesem Jahr ruft "Rocky" im Winter Garden nach seiner Adrian:
Und mit drei Aufnahmen vom Google Street View endet der Beitrag:
Nein noch nicht ganz - ich kann nicht widerstehen und stelle noch mal kurz das Ausgangsfoto von der Brandruine der American Horse Exchange mit der Gegenwart zusammen. Zwischen den beiden Aufnahmen liegen ca. 118 Jahre. Da trifft es sich ausgesprochen gut, dass in der Gegenwart auch gerade passenderweise zwei Pferde am Gebäude vorbeihottehühen.
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