Eine Sammlung von Bildern, Filmen und Texten zur Geschichte von New York City. Über Hochhäuser, Straßen, Bahnen, Inseln und Menschen. Für Anregungen und Kommentare bin ich jederzeit dankbar. Gruß vom Schädel.
Noch so ein Thema, zu dem man immer mal wieder zurückkehren kann und muss. Muss, weil das Netz ja in ständiger Bewegung ist und neues Material verfügbar wird, das bei der letzten Suche noch nicht greifbar war.
Im Jahr 1870, als das Deutsche Reich mit dem Nachbarland Frankreich im Krieg lag, wurde im Süden von Manhattan eine heimlich gebaute experimentelle U-Bahn ausprobiert und dem geneigten Publikum vorgeführt, die nach dem Rohrpostprinzip funktionierte.
So ganz habe ich Nichttechniker das Funktionsprinzip dieser allerersten U-Bahn in New York bis heute nicht verstanden, aber zum Glück gibt es seit einiger Zeit einen computeranimierten Film dieses legendären Gefährts, der zumindest schon mal ein paar Fragen beantwortet und nebenbei auch ein Fenster in jene Zeit vor fast 150 Jahren öffnet, als Beachs Pneumatic Transit tatsächlich zwei Stockwerke tief aus einem Kaufhauskeller heraus von der Warren Street aus knapp 100 Meter in einen Tunnel unter den Broadway fuhr. Und das in Steinwurfnähe zum New Yorker Rathaus.
Eins steht jedenfalls fest. Eine Fahrt mit der Rohrpostbahn dürfte nichts für Fahrgäste mit Klaustrophobie gewesen sein.
Genug geredet, jetzt nehmt Euch die Zeit, reist zurück in das Jahr 1870 und unternehmt eine Reise mit der pneumatischen Untergrundbahn von Alfred Ely Beach:
Battery Park showing Custom House, Battery Park and Chesborough Buildings, ca 1916, from the collection of the museum of the city of New York
Abteilung Leserbriefe. Am vergangenen Wochenende hat mich ein sehr freundlicher Leserbrief erreicht, in dem neben anderem auch um eine Gebäudesuche ging. Es handelt sich dabei um das Battery Park Building (Adresse 21-24 State Street) und das Chesborough Building (Adresse 15-19 State Street). Kein Problem, mache ich gerne und löse ich direkt mal hier in einem kurzen Beitrag auf.
Das gesuchte Battery Park Building ist auf dem Photo oben das Gebäude in der Bildmitte und das Chesborough Building ist jenes auf der rechten Seite. Es scheint auch noch die Schreibweise Chesebrough Building dieses Gebäude zu geben, aber dazu später. Links und ungesucht ist das Custom House.
Byron Company, The Battery, 1905, from the collection of the museum of the city of New York
Auf der zweiten Aufnahme sehen wir links die Bowling Green Offices und das Washington Building an 1 Broadway in seiner ursprünglichen Erscheinungsform. In der Mitte mit heller Fassade das Custom House, überragt vom Turm der dunklen Produce Exchange dahinter. Rechts im Bild das Battery Park Building und ganz links und nur mit einem schmalen Streifen im Bild das Chesborough Building.
Broadway and the Battery, ca 1915, from the collection of the museum of the city of New York
Die gleiche Kulisse nur von einem etwas höher gelegenen Standort aus betrachtet, wahscheinlich vom Whitehall Building aus. Links im Bild und im Vordergrund wieder die Bowling Green Offices mit dem Washington Building davor, rechts schräg dahinter das Custom House und daran anschließend mit viereckig / quadratischem Grundriss das Battery Park Building und faszinierenderweise tortenstückartigem Grundriss das Chesborough Building. Davor sehen wir die damals noch voll im Betrieb befindliche Hochbahntrasse der 9th Avenue und 6th Avenue Elevated Railway, deren Züge am South Ferry Anleger im Bildhintergrund rechts ihre südlichste Haltestelle hatten.
Irving Underhill, Battery Park 1906,from the collection of the museum of the city of New York
Auch diese Aufnahme von 1906 zeigt die inzwischen bereits mehrfach beschriebene Gebäudekonstellation.
Eine Einzelaufnahme des Battery Park Buildings von 1923, das irgendwann in den vorausgegangenen Jahren wohl noch zusätzliche Stockwerke erhalten hat:
Battery Park Building, 21-24 State Street, 1923,from the collection of the museum of the city of New York
Diese Aufstockung kann man auch auf der nachfolgenden Photographie von 1928 erkennen:
Battery Park, 1928,from the collection of the museum of the city of New York
Sprung gut zwei Jahrzehnte zurück: die Battery 1903:
Battery from New York Harbour, 1903,from the collection of the museum of the city of New York
Noch eine Aufnahme von 1906 und eine von 1920:
The Battery 1906, from the collection of the museum of the city of New York
Battery Park, Custom House and State Street buildings, June 7 1920,from the collection of the museum of the city of New York
Interessant ist noch diese Aufnahme, die erst recht spät in den Suchergebnissen auftaucht und die wahrscheinlich um das Jahr 1896 entstanden ist:
Battery Water Front, ca 1896,from the collection of the museum of the city of New York
Ganz links sieht man das Washington Building, das Gebäude mit der hellen Fassade links im HIntergrund und dem kleinen würfelartigen Türmchen an der Broadwayseite ist das alte Standard Oil Building in der Version von 1895. Teilweise verdeckter Orientierungspunkt in der Mitte des Bildes ist die Produce Exchange mit dunkler Fassade und fast vollständig verdecktem Turm. Das Custom House steht offenbar noch nicht. Und das Battery Park Building hat offenbar noch ein Stockwerk weniger als die Version, die auf den Bildern ab dem frühen 20. Jahrhundert zu sehen ist. Das Chesborough Building war zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht gebaut, sondern allenfalls eine Zeichnung auf dem Reißbrett eines Architekten.
Mit Chesborough Building habe ich nur das Photo zu Beginn des Beitrags gefunden, unter der alternativen Schreibweise Chesebrough Building, die auch im Leserbrief verwendet wurde, tauchen aber noch einige weitere Photos auf.
State Street at the corner of Pearl Street. Chesebrough Building, ca 1910,from the collection of the museum of the city of New York
Und zuletzt noch eine ungefähr 117 Jahre alte Einzelaufnahme vom Chesebrough / Cheseborough Building:
State Street and Pearl Street, Chesebrough Building, ca 1900, from the collection of the museum of the city of New York
Ein Sprung in die frühen 1960er: wir sehen die Skyline von Südmanhattan und mittendrin kann man immer noch das Battery Park Building und das Chesebrough Building erkennen:
Aber was jetzt kommt, könnt Ihr sicher schon ahnen. Die 1960er sind sicherlich nicht als das Jahrzehnt in die Geschichte eingegangen, in dem man in New York nett mit historischen Gebäuden umgesprungen ist. Und infolge dessen konnten sich das Battery Park Building und das Chesborough Building in der langen Reihe der Lost Buildings von New York anschließen.
Hier ein paar Impressionen von Südmanhattan aus dem Jahr 1969:
Heute sieht es dort nochmal wieder anders aus, denn jenes Gebäude mit der sechseckigen (?) rotbräunlichen Fassade ist ebenfalls schon geraume Zeit Geschichte und wurde durch einen modernen Glaspalast ersetzt.
In der letzten Woche habe ich mich mal wieder dazu hinreißen lassen, Olive Thomas hier im Blog zu erwähnen. Es scheint so, dass die gute Olive sich auch so langsam aber sicher in die Liste der Themen einreiht, zu denen ich in unregelmäßigen Abständen immer wieder zurückkehre. Ich finde die tragische Geschichte von der bereits im September 1920 verstorbenen Schauspielerin, die angeblich immer noch als Gespenst im New Amsterdam Theatre an der 42nd Street erscheinen soll, aber auch einfach großartig, ein fantastisches Exemplar einer Großstadtsage.
Vor ihrem frühen Tod trat sie ab 1917 in diversen Filmen auf, darunter ist der noch erhaltene Stummfilm "The Flapper", der im Mai 1920 uraufgeführt wurde, einer der bekanntesten. Der in diesem Film erstmals vorgeführte und damals noch sehr ungewöhnliche Lebensstil einer Frau, die kurze Haare trägt, Alkohol trinkt, raucht und wilde neumodische Musik (in diesem Fall Jazz) hört, sollte in den 1920ern eine ganze Generation mitprägen. Kommt einem irgendwie bekannt vor, auch wenn es schon fast 100 Jahre her ist.
Ich hatte letzte Woche während des Schreibens der zweiten 42nd Street-Folge mal einen kurzen Blick in den Youtube-Stream von "The Flapper" riskiert und dort zwischen vielen Studioszenen auch eine kurze Sequenz mit interessanten Außenaufnahmen aus New York City entdeckt.
Die interessante Sequenz beginnt im Film ab Minute 51:00 mit einem Telegramm aus New York City an die Hauptdarstellerin:
Die Außenaufnahmen werden mit diesem Zwischentitel eingeleitet (Alleine in der bösen Stadt):
Dann sieht man das Oberdeck eines zweistöckigen Stadtbusses, der auf einer vielbefahrenen und -genutzten Großstadtstraße unterwegs ist.
Die junge Ginger (Olive Thomas) betritt über eine von unten hochführende Treppe das Oberdeck des Busses samt einem Köfferchen...
... und blickt sich staunend um, während der Bus langsam seinen Weg entlang der Hauptstraße fortsetzt.
Währenddessen kommt ein Herr fortgeschrittenen Alters auf das Oberdeck...
... der einen von ihr fallengelassenen Handschuh? Taschentuch? aufnimmt und zurückreicht.
Der sich anschließende Anbandelungsversuch verläuft allerdings nicht erfolgreich, wie man sieht denn Ginger steht abrupt auf und verlässt sofort das Oberdeck:
Auch wenn diese Sequenz nur knapp zwei Minuten dauert und leider die einzige Außenaufnahme im Film ist, die die Stadt New York wiedergibt, so finde ich sie dennoch großartig. Über ein kleines Zeitfenster von zwei Minuten ist so ein Eindruck vom Manhattan der ganz frühen 1920er konserviert worden.
Schaut man mal die Sequenz losgelöst von der Handlung, so bekommt man den Eindruck, dass der Bus die gleiche Straße ein paar Mal hinauf und wieder hinunter gefahren ist. Jener markante Turm erscheint jedenfalls mehrfach.
Ich habe auch schon so eine Ahnung, wo das gefilmt worden sein könnte, denn der Turm wurde hier im Blog schon früher erwähnt. Ich habe einfach mal "Traffic Tower" durch die für Blogautoren zur Verfügung stehende Suchmaschine geschickt und den Beitrag gefunden, die meine Vermutung voll bestätigt hat. Das war nämlich der erste Teil aus der Miniserie über die jüdische Synagoge "Temple Emanu El".
Bei der Hauptstraße, auf der die Filmsequenz entstanden ist, handelt es sich um die Fifth Avenue in New York. Und nicht nur das: passend zu der Serie über die 42nd Street handelt es sich bei dem Drehort auch noch genau um die Umgebung des Schnittpunktes der Fifth Avenue mit der 42nd Street.
Fifth Avenue and 42nd Street, New York, ca 1906, from the collection of the museum of the city of New York
Auf dieser Photographie sehen wir schon einmal die markanten doppelstöckigen Busse, die im Film als Aufnahmeort genutzt wurden. Eine Postkarte vom Traffic Tower darf natürlich auch nicht fehlen:
Traffic Tower, 5th Avenue and 42nd Street, Looking North, ca 1914,from the collection of the museum of the city of New York
Und hier ist jener Kreuzungspunkt, an dem die Sequenz entstanden ist:
5th Avenue and 41st Street North 1915, from the collection of the museum of the city of New York
Das auffällige Gebäude, das man hier auf der Panoramaaufnahme im Hintergrund links sieht und das auch ein wesentlicher Teil der Großstadtkulisse während der Filmsequenz darstellt, ist das Hotel Bristol an der Ecke 42nd Street / Fifth Avenue.
Das Hotel Bristol wurde 1875 eröffnet und stand bis zum Ende der 1920er an dieser prominenten Stelle, also gut 50 Jahre. 1930 wurde dort ein moderner Wolkenkratzer errichtet mit dem Namen 500 Fifth Avenue, der bis heute dieses Grundstück besetzt.
Wem das Hotel Bristol als Bildbeweis noch nicht ausreicht, für den habe ich noch einen anderen untrüglichen Anhaltspunkt. Während der Fahrt die Fifth Avenue hinab sieht man links neben dem Bus mehrfach ein bis zwei steinernde Miezekatzen.
Zusätzlich zu den Miezekatzen schiebt sich ganz links noch eine Art griechischer Tempel ins Bild, der aber im letzten Abschnitt der Sequenz wieder verschwindet, weil der Bus da an einem anderen Teil der Straße entlang fuhr, als die Aufnahme lief.
Kenner der Gegend, Freunde der 42nd Street und / oder Fifth Avenue und Roland Emmerich-Fans wissen natürlich, dass es dort an der Ecke 5th Ave / 42nd Street tatsächlich seit vielen Jahren ein Gebäude gibt, das wie ein klassischer Tempel aussieht, nämlich die Öffentliche Bibliothek der Stadt New York, die New York Public Library.
Und damit soll der Beitrag über den Außendrehort des Stummfilms "The Flapper" dann auch enden.