Tut mir leid, aber der Blog geht am kommenden Wochenende wahrscheinlich schon wieder in eine einwöchige Sendepause, weil ein Vorhaben auf dem Kalender steht, das dermaßen zeitintensiv ist, dass für die Bloggerei vermutlich wieder keine Zeit mehr bleibt. Stay tuned - der Schaedel.
Eine Sammlung von Bildern, Filmen und Texten zur Geschichte von New York City. Über Hochhäuser, Straßen, Bahnen, Inseln und Menschen. Für Anregungen und Kommentare bin ich jederzeit dankbar. Gruß vom Schädel.
Montag, Juni 27, 2016
Sonntag, Juni 26, 2016
Garret Restaurant - The World's Highest Restaurant (1907)
Wurts Bros, West Street between Albany Street and Cedar Street, 90 West Street, West Street Building,
ca 1907, from the collection of the museum of the city of New York
Um Superlative waren die New Yorker noch nie verlegen, wenn es um ihre Stadt ging und geht. Und so warb das "Garret Restaurant" auch nur damit, das "Höchste Restaurant der Welt" zu sein.
Gestern bin ich in meinem neuerworbenen Buch "NY Skyscrapers" von Dirk Stichweh auf einen Beitrag über das Gebäude an der Hausnummer 90 West Street - "West Street Building" genannt - gestoßen und darauf, dass sich in diesem Gebäude als Attraktion ein Restaurant im Dachgeschoss befand.
Heute kennen wir das von unzähligen Hochhäusern und Fernsehtürmen, aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dieses Konzept noch völlig neu. Den Standort hatte man übrigens gut gewählt, denn obwohl 1907 die Südspitze von Manhattan schon mit zahlreichen Hochhäusern und Wolkenkratzern verziert war, befand sich das West Street Building - wie der Name bereits verrät - am südwestlichen Rand des Trubels und ermöglichte einen wunderbaren unverstellten Panoramablick über den New Yorker Hafen, den Hudson River und hinüber nach New Jersey.
Das West Street Building, alternativ auch "Coal and Iron Exchange" und "Railroad and Iron Exchange" genannt, wurde vom Architekten Cass Gilbert entworfen und von 1905 bis 1907 gebaut. Es ist fast 99 Meter hoch, verteilt auf 23 Stockwerke. Aufgrund der Nähe zum Standort des World Trade Centers wurde es durch viele und teilweise brennende Trümmer der kollabierenden Zwillingstürme am 11.09.2001 getroffen und schwer beschädigt, konnte aber wieder hergestellt werden.
Das Garret Restaurant war zwar ein Rooftop Restaurant, es muss sich aber grundsätzlich um ein Indoor-Restaurant im Dachgeschoss gehandelt haben, das im Sommer bei passender Witterung auf den Dachgarten des Gebäudes ausgeweitet wurde, mit ausgezeichnetem Blick auf die Stadt, den Hafen und die Flüsse.
Dieser besondere Ausblick blieb auch über viele Jahrzehnte erhalten und wurde erst verstellt, als in den 1980ern westlich ein neues Viertel namens Battery Park City auf dem Aushub des World Trade Centers entstand.
2016 - Google Maps
Das Gebäude macht von unten zwar den Eindruck eines geschlossenen Kastens, tatsächlich verfügt es aber über einen U-förmigen Grundriss, was man auf der Luftaufnahme von 1924 besonders gut nachvollziehen kann:
Ich habe festgestellt, dass ich "Garret's Restaurant" in der 11. Folge der Lower Manhattan Saga schon einmal erwähnt habe. Und ebenso, dass Rooftop Restaurants auf Hochhäusern damals noch eine Ausnahme waren und es zu jener Zeit in Manhattan alternativ vermutlich nur noch das Restaurant im obersten Stockwerk des Flatiron Buildings am Madison Square gab.
Bilder vom Garret Restaurant wollen sich irgendwie nicht finden lassen. Das hochauflösende Bild oben, ca. 1912 vom Whitehall Building aus aufgenommen, wurde vor einiger Zeit bei Shorpy veröffentlicht, mit dem West Street Building im Zentrum.
Wenn ich jetzt behaupten würde, dass ich hier mit Sicherheit einen Dachgarten und ein Restaurant erkennen kann, dann entspräche das nicht der Wahrheit. Ich bilde mir zwar ein, auf dem Dach des Gebäudeflügels, der der Kamera zugewandt ist, ein bis zwei Pflanzen zu erkennen, aber das war es dann auch schon. Es kann natürlich sein, dass das Bild in den Wintermonaten aufgenommen wurde (dafür sprechen die zahlreichen rauchenden Schornsteine), dann wäre das in der dachgartenfreien Zeit entstanden.
Bleibt außerdem die Frage, wo unter dem Dach sich das Restaurant befand. Ich vermute, auf der Höhe der kleinen Dachgauben. Alternativ wäre das auch eine Etage tiefer denkbar, wo etwas größere Fenster angebracht sind. Die Sicht aus diesen ist andererseits teilweise schon wieder durch die Fassadenornamente aus der Etage darunter behindert.
Auch bisher ungeklärt ist die Frage, wie lange das "Garret Restaurant" eigentlich in Betrieb war. Auf dieser Aufnahme von 1929 finden sich auch keine Hinweise auf einen Restaurantbetrieb im Dachgeschoss.
Naja, eine Spur, die das Restaurant hinterlassen hat, konnte ich dann doch noch in der Sammlung der NYPL finden, nämlich die Speisekarte aus dem Jahr 1913. Geöffnet war Garret's Restaurant von 08:00 Uhr am Morgen bis 08:30 am Abend. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass das West Street Building in erster Linie ein Bürogebäude war, allerdings mit einem Restaurant im Dachgeschoss, das sich vermutlich vor allem an den Bedürfnissen der Mitwohner orientierte.
Aus dem Archiv der New York Times konnte ich auch noch ein paar Artefakte pressen, wie zum Beispiel dieser Kurzbeitrag über eine Geburtstagsfeier eines Robert Cornell Sands im Garret Restaurant am 16. August 1907:
Oder diese Werbeanzeige in der New York Times vom 21. September 1907, wo sich das Garret Restaurant als einzigen Ort bewirbt, an dem man die Lusitania abreisen sehen kann.
Hier möchte ich etwas weiter ausholen: wir erinnern uns, die Lusitania war ein stolzes Passagierschiff der britischen Cunard Line, das im Sommer 1907 (!) fertiggestellt wurde und zu diesem Zeitpunkt das mit Abstand größte Schiff der Welt war. Im September 1907 fand die Jungfernfahrt der Lusitania statt und am 13. September erreichte sie ihr Ziel: New York City, allerdings ohne das erhoffte blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung zu holen.
Ankunft der Lusitania nach Jungfernfahrt in New York - https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Lusitania_1907.jpg
Die Stadt der Superlativen zeigte natürlich großes Interesse am Größten Schiff der Welt und täglich nutzten ca. 5.000 New Yorker die Möglichkeit, das Schiff zu besichtigen, bevor es am 21. September wieder ablegte, um nach Europa zurückzukehren. Und an diesem Moment greift die Zeitungsanzeige oben, wo das Garret Restaurant darauf hinweist, dass man von dort oben einen besonders guten Blick auf das ablegende Schiff hat und sogar telefonische Reservierung empfiehlt.
Ob die nachfolgende Aufnahme aus der Getty-Sammlung tatsächlich den Moment des Aufbruchs nach der Jungfernfahrt zeigt, weiß ich nicht, aber es zeigt die Lusitania im Hafen von New York, fotografiert zwischen 1907 und 1908, wie sie am West Street Building (unten links) vorbeifährt.
Diese Aufnahme ermöglicht nebenbei zwar noch neue Optionen für eine eventuelle Position des Dachgartens, mehr aber auch nicht.
Die Lusitania überquerte in den Folgejahren viele weitere Male den Atlantik, bis sie am 07. Mai 1915 auf der Rückreise von New York nach England von dem deutschen U-Boot U 20 (Kaiserliche Marine) torpediert und versenkt wurde. Fast 1.200 Menschen verloren bei dem Untergang ihr Leben.
Im Nachgang habe ich noch eine ähnliche Aufnahme gefunden, die die Einfahrt der Lusitania in den New Yorker Hafen am 13. September 1907 zeigt. Und das West Street Building prächtig mit drauf.
Und hier kann man sich ganz gut vorstellen, wie das mit dem Dachgarten und dem Freiluftrestaurant auf dem Dach funktioniert haben könnte.
Eine weitere Aufnahme zeigt die Lusitania bei einer erneuten Einfahrt 1908, das Photo wurde (wie vermutlich die vorherigen auch) vom Singer Building aus aufgenommen:
Am 22. September 1909 erschien eine ähnliche Werbeanzeige, dieses Mal empfahl sich das Garret Restaurant für einen perfekten Blick auf eine im Hafen New York stattfindende militärische Schiffsparade
Einen möglichen Eindruck von der Größe des Restaurants bzw. seinen Gästekapazitäten vermittelt ein Beitrag, der in der Ausgabe der New York Times vom 14. Mai 1910 über ein Treffen des "13er-Klubs" erschien.
Dort kann man lesen, dass der Thirteen Club ein Dinner im Garret Restaurant im 23. Stockwerk des West Street Buildings, 90 West Street, abgehalten habe. Von den 813 Mitgliedern des Klubs seien am letzten Abend 169 anwesend gewesen, sie hätten an 13 Tischen gesessen, besetzt mit jeweils 13 Mitgliedern. Und es sei damals wohl eine Menge Salz über die Schulter geworfen worden, weil das Dinner wohl auch noch genau an einem Freitag, dem 13ten im Unglückmonat Mai terminiert worden war. Großartig oder?
In dem Roman "The Death Instinct" von Jed Rubenfeld aus dem Jahr 2011, findet man eine kurze Passage, in der das Garret Restaurant Erwähnung findet. Die Handlung dreht sich um den tödlichen Bombenanschlag, der am 16. September 1920 in der Wall Street verübt wurde.
Hier haben wir noch Bilder von einem Schlüsselring aus dem Restaurant, hergestellt in Österreich, verwendet ca. 1910:
Einen unscharfen Hinweis auf den Verbleib des Garret Restaurants findet man auf dieser Seite über frühe Wolkenkratzer:
"Die Gebäudespitze beherbergte einst ein Panorama-Restaurant, das Garret Restaurant - das höchste in New York zu dieser Zeit - das schon lange wieder verschwunden ist."
Nicht viel, aber immerhin.
Wer in der glücklichen Lage sein sollte, auch Bilder vom Restaurant aus dem Innern der Gebäudespitze auszugraben, der ist eingeladen, sie hier zu teilen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
P.S.: Rund 65 Jahre nach Eröffnung des "Garret Restaurants" nahm in unmittelbarer Nachbarschaft ein Restaurant namens "Windows of the World" seinen Betrieb auf, das ein ähnliches Konzept verfolgte, um Kundschaft anzulocken, nämlich ein Aussichtspunkt im Süden von Manhattan mit Blick auf den Hafen, die Stadt und die Umgebung zu bieten und gleichzeitig erlesene Speisen und Getränke zu kredenzen. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Aussichtspunkt dieses Mal knapp 300 Meter höher lag als 1907. Auch dieses zweite Restaurant gibt es heute nicht mehr, wie wir alle wissen.
P.S.: Rund 65 Jahre nach Eröffnung des "Garret Restaurants" nahm in unmittelbarer Nachbarschaft ein Restaurant namens "Windows of the World" seinen Betrieb auf, das ein ähnliches Konzept verfolgte, um Kundschaft anzulocken, nämlich ein Aussichtspunkt im Süden von Manhattan mit Blick auf den Hafen, die Stadt und die Umgebung zu bieten und gleichzeitig erlesene Speisen und Getränke zu kredenzen. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Aussichtspunkt dieses Mal knapp 300 Meter höher lag als 1907. Auch dieses zweite Restaurant gibt es heute nicht mehr, wie wir alle wissen.
http://www.emporis.com/buildings/114934/90-west-street-new-york-city-ny-usa
http://daytoninmanhattan.blogspot.de/2012/10/cass-gilberts-1907-west-street-building.html
http://90weststreet.com/landing/
https://en.wikipedia.org/wiki/90_West_Street
https://de.wikipedia.org/wiki/RMS_Lusitania
NY Skyscrapers - Über den Dächern von New York
Dieser Blog soll grundsätzlich kein Ort für Werbung sein, das habe ich ja schon oft genug betont. Aber gelegentlich muss man auch mal eine Ausnahme machen, um die Regel zu bestätigen.
Der Bremer Autor Dirk Stichweh ist hier kein Unbekannter, er hat mich schon einige Male mit seinem Fachwissen unterstützt und hat auch einige Beiträge im Blog angeregt oder begleitet und kommentiert. Highlight war sicherlich der gemeinsame Beitrag über eine Reise in die Spitze des Chrysler Buildings, der vor viereinhalb Jahren entstanden ist:
Und Dirk hat 2009 ein Buch über die New Yorker Wolkenkratzer veröffentlicht, in deutscher und in englischer Sprache. Dieses Buch wurde gerade in einer überarbeiteten und aktualisierten Version wiederveröffentlicht. Ich hatte die Neuauflage schon vor einiger Zeit bei einem Online-Buchhändler vorbestellt und gestern morgen ist das Paket dann endlich eingetroffen.
Was soll ich sagen? Wenn man so lange Zeit die Stadt New York nur noch am Monitor eines Notebooks betrachtet hat, dann freuen sich die Augen, wenn man zur Abwechslung mal ein größerformatiges Buch in der Hand hält, das auf altherkömmliche Weise die Besonderheiten der Hudson Metropole abbildet.
Dirk und seine beiden Fotografen Jörg Machirus und Scott Murphy haben eine Vielzahl von Hochhäusern im Süden und in der Mitte von Manhattan bestiegen, um von dort jeweils die Umgebung, insbesondere die vorhandenen Wolkenkratzer abzubilden.
Es sind bei weitem nicht alle Hochhäuser von Manhattan abgebildet, das dürfte auch schwer fallen. Stattdessen wurden Schwerpunkte mit 24 Gebäuden im Bereich Lower Manhattan und 58 Gebäuden im Bereich Midtown Manhattan gesetzt. Die Beiträge sind unterschiedlich ausführlich von einer Seite bis hin zu mehreren Seiten bei besonders bedeutenden Wolkenkratzern. Neben ausgezeichnetem Bildmaterial findet man einen fachkundigen Kommentar zur Vergangenheit und Gegenwart des jeweiligen Gebäudes und zu den architektonischen Besonderheiten. Das Spektrum reicht von den Anfängen im 19. Jahrhundert über die Art-Deco-Klassiker der 1930er bis hin zu den Glaspalästen der jüngeren Vergangenheit.
Zwischendrin wurden auch immer mal wieder opulent ausgestattete Panoramaseiten zum Schwelgen eingefügt. New York ist nur mal eine großartige Kulisse und das kommt in diesem Buch deutlich zum Ausdruck.
Zwischendrin wurden auch immer mal wieder opulent ausgestattete Panoramaseiten zum Schwelgen eingefügt. New York ist nur mal eine großartige Kulisse und das kommt in diesem Buch deutlich zum Ausdruck.
Ich glaube, dass es keine einfache Aufgabe für Dirk war, diese Neuauflage abzuschließen, da gerade eine ganze Reihe interessanter und bedeutsamer Neubauten in Manhattan entstehen.
Aktuelle Highlights wie das neue World Trade Center, aber auch 432 Park Avenue, 56 Leonard Street oder 30 Park Place wurden bereits mit einem Beitrag im Buch gewürdigt. Zusätzlich gibt es noch einen kleinen Ausblick in die Zukunft, in dem weitere spektakuläre Bauvorhaben wie z.B. das Hudson Yards-Projekt vorgestellt werden.
Ich bin mit dem Buch sehr zufrieden und werde NY Skyscrapers sicherlich noch viele Male in die Hand nehmen, um zu blättern und zu genießen.
Wer selbst einen Blick riskieren möchte, kann das hier bei einem nicht unbekannten Online-Buchhändler tun:
Sonntag, Juni 12, 2016
Billy Collins Jr
Wegen der Goldhochzeit meiner Eltern sind an diesem Wochenende keine Kapazitäten mehr frei für lange Beiträge.
Ganz ohne ein weiteres Lebenszeichen möchte ich mich aber dennoch nicht aus dem Wochenende verabschieden und deshalb verlinke ich auf eine interessante und tragische Geschichte, die sich 1983 in New York City im Madison Square Garden zugetragen hat und über die gestern bei stern.de eine Reportage veröffentlicht wurde.
Wer wie ich kein großes Interesse am Boxsport hat, wird sie vermutlich ebenfalls noch nicht kennen, die übrigen können ihre Kenntnisse vielleicht nochmal aktualisieren.
http://www.stern.de/panorama/stern-crime/dies-war-kein-fairer-boxkampf--sondern-ein-verbrechen-6888548.html?utm_campaign=social-flow&utm_source=facebook-fanpage&utm_medium=link
New York und Umgebung (1927) - letzter Teil
Am 10. April ist diese Serie gestartet und nun - zwei Monate später - kommen wir zur letzten Folge. Ein großes Dankeschön nochmal an denjenigen, der sie möglich gemacht hat.
Die bisherigen Folgen findest Du hier:
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Die übrigen Folgen findest Du hier: