Donnerstag, Juli 24, 2008

The West Side and Yonkers Patent Railway

Kapitel 111 Ich habe mich in der Vergangenheit schon häufiger mit den Hochbahnen von Manhattan, den Elevated Railways befasst. Dem Beginn des Zeitalters der Hochbahnen habe ich aber noch kein Kapitel gewidmet. Dabei ist auch dieses hochinteressant, denn der Antrieb der ersten Hochbahnen war noch sehr ungewöhnlich. Es handelte sich dabei im Prinzip um eine Dampfmaschine, die ein Kabel antrieb, das wiederum für die Bewegung von Fahrzeugen auf den ersten Hochbahnen sorgte.
Die "West Side and Yonkers"-Patent-Eisenbahn wurde in der Zeit von 1868 bis 1870 von Charles T. Harvey entlang der Greenwich Street und 9th Avenue gebaut. Die Linie setzte sich aus vielen einzelnen kreisförmig geschlossenen Kabelsystemen (cable loops) zusammen. Ein cable loop wiederum wurde mit einem Kabel betrieben, das ca. eine Meile lang war. Der Antrieb der cable loops erfolgte durch den Einsatz von Dampfmaschinen, die sich den Kellern von Gebäuden entlang der Strecke befanden. Wenn sich ein Wagon näherte, wurde der cable-loop in Bewegung gesetzt und wenn er den Abschnitt passiert hatte, stoppte das Kabel wieder. An den Kabeln waren Kragen (travelers) befestigt, in die die Waggons mit Krallen einhakten. Ein fließender Übergang von einem zum anderen Kabel war nicht möglich, so dass der Kabelwechsel jeweils mit einem Ruck stattfand.

Dieses Foto ist eines der bekanntesten in der Geschichte der New Yorker Verkehrsmittel. Es zeigt Harvey bei einem Testlauf der Kabel-Hochbahn im Dezember 1867. Er fixiert eine Transportkralle an dem Traveler, den man zwischen den Streben der Hochbahn herausragen sehen kann. Allerdings muss man davon ausgehen, dass das Foto bis zu einem gewissen Grad gestellt ist, weil aufgrund der damals noch üblichen langen Belichtungszeiten im Betrieb kein klares Abbild des Gefährts möglich gewesen wäre. Das Ende der Linie war zu dieser Zeit an der Straßenecke Morris Street /Greenwich Street. Die Kabelschleife verlief zu dieser Zeit noch in einem Kanal unter dem Bürgersteig und bewegte sich mit einer Durchschnitts-geschwindigkeit von 10-15 Meilen pro Stunde. Später wurde sie direkt unter der Hochbahn verlegt, nachdem im Winter Wasser in den Kabelkanal eingedrungen und das Kabel einfroren war. Das Gebäude links im Hintergrund wurde bereits ein Jahr später abgerissen, als Trinity Place von einer Sackgasse aus bis in die Mitte des Blocks ausgedehnt wurde.

Der Passagierwagen steht auf diesem Foto aus dem Jahr 1868 am Nordende der Versuchsstrecke an der Cortlandt Street. Die Liberty Street wird von etwas dickeren Streben überspannt und seltsamerweise scheint in der Liberty Street noch ein weiterer Pfeiler zu stehen, zu dem aber keine Streben führen. Am 10. Juli 1868 wechselte die Betreibergesellschaft ihren Namen in "West Side Elevated (Patented) Railway Company of New York City"

Stanley Fox malte die Hochbahn für die Ausgabe der Wochenzeitung "Harpers Weekly" vom 21.07.1868 (also vor gut 140 Jahren), so wie man sie von der Endstation am Battery Place aus sah. Das Kabel mit den travelers verschwandt durch den extra dicken Pfeiler am Ende der Linie in den unterirdischen Rücklaufkanal. Im Gegensatz zu späteren Modellen hatte das hier verwendete Gefährt noch keine Ausstiege zur Seite, sondern nur nach vorne und hinten.

Die West Side Elevated stellte im späten März 1870 den ersten betreibbaren Abschnitt von einer südlichen Station an der Dey Street bis zum Hudson River Railroad Terminal (Pferdeomnibusse) an der 29th Street fertig. Ursprünglich war dieses bereits für Dezember 1869 geplant gewesen.

Eine Versuchsfahrt wurde am 09. April 1870 mit eingeladenen Gästen durchgeführt. Danach folgten weitere Testfahrten. Eine sah vor, einen Wagen mit dem Dreifachen des zu erwartenden Gewichts zu fahren. Diese fand am 16. Mai 1870 statt. Ein Passagierwagen startete gegen drei Uhr am südlichen Terminal, der mit neun Personen besetzt war, darunter Arbeiter und Mitarbeiter der Gesellschaft. In einer Distanz von 20 Fuß folgte ein Wagen mit einer Plattform, auf dem zwölf Tonnen Roheisen platziert worden waren.

Die beiden Wagen fuhren zunächst schnell und sicher in Richtung uptown nach Norden. An der Ecke Houston Street und Greenwich Street endete ein Abschnitt der Strecke und ein anderer begann. Die Wagen wurden von der Kette unter der Houston-Street abgekoppelt, mit der Erwartung, dass sie wie üblich ausreichend weit nach vorne weiterbewegten, so dass sie von der Kette gepackt werden konnten, die von dem Motor jenseits der Houston Street bewegt wurde.

Plötzlich aber gab das Gleis unter dem Gewicht des Plattform-Wagens nach und stürzte 14 Fuß tief zur Straße hinunter. Der Bruch des Gleises an dieser Stelle brachte auch den Passagier-Wagen zu Fall, der die entstandene schiefe Ebene hinunterrutschte und inclusive den Insassen mit einem furchtbaren Krach auf die Straße aufschlug. Einige der Arbeiter wurden verletzt und ein 150 Fuß langer Abschnitt der Linie - fast ein Häuserblock - war zur Straße hinabgestürzt.

Die Ingenieure der Gesellschaft gaben aber nicht auf. Die Brückenübergänge wurden verstärkt und dieselben Tests wurden erneut an der gesamten Linie ausprobiert, bevor die Eröffnung heranstand. Dieses Bild aus dem Jahr 1870 ermöglicht einen schönen Blick auf die Struktur der West Side Elevated, während sie die Fulton Street einen Block nördlich des Dey Street Terminals passiert. Die längere Strebe über die Straße hinweg besteht wieder aus dickerem Stahl. Gut zu erkennen ist auch der Rücklauf-Pfad für das Kabel, der direkt unter den Schienen verläuft, das sich nunmehr mit einer Geschwindigkeit von 12 Meilen pro Stunde bewegt und somit schneller als die späteren Cable Cars in San Francisco oder anderswo. Im Hintergrund rechts sieht man das Geschäftshaus SEGARS und die Ocean National Bank befand sich noch an dieser Ecke, bevor sie ungefähr ein Jahr später zum Broadway verlegt wurde.


Die größte Kurve der Hochbahn war an der Kreuzung von Gansevoort Street und Little West 12th Street, wo der Wechsel von der Greenwich Street zur Ninth Avenue stattfand, auf den Fotos in beide Richtungen zu beschauen. William Fullerton Reeves beschrieb in einem alten Ingenieurswitz die Methode, wie man die Kurve mit dem Kabel nehmen konnte. Tatsächlich war dieses aber nicht zutreffend. Das Ende des 22nd Street-Kabels it im Vordergrund gut zu erkennen und jenseits der Greenwich Street der Beginn des Bethune Street-Kabels. Dieses war einer der Orte, an dem die Wagen eine Lücke überbrücken mussten und die Passagiere manchmal ordentlich geschüttelt wurden, wenn der Traveler des nächsten Kabels anpackte.

Diese Illustration von A.C. Warren aus dem "Appleton’s Journal of Literature, Science and Art" vom 25. Juni 1870 zeigt die Kabelschächte der Motorstation an der 22nd Street. Da sowohl Kabel vom Norden als auch vom Süden und jeweils in beiden Richtungen von der Hochbahn hinabgeführt wurden, ist davon auszugehen, dass hier zwei separate Kabel angetrieben wurden.
Auf diesem Bild aus dem Jahr 1870 schließlich steht Wagen Nr. 1 an der 29th Street Station. Sie ist so klein, dass der Wagen sie fast vollständig verdeckt, aber die Treppe ist gut zu sehen und das Geländer am Ende des Bahnsteigs kann im überbelichteten Bereich oben rechts ausgemacht werden. Auf dem Wagen steht "GREENWICH ST AND NINTH AVENUE" oberhalb der Fenster und darunter auf der Seite sieht man ein wunderbares rundes Emblem mit "VEST SIDE ELEVATED" über einem kleineren "PATENTED" über "RAILWAY CO", alles herum um die Nummer 1. Das Hudson River Railroad Terminal (Pferdeomnibusse) war in dem ganz schwach zu erkennenden Häuserblock auf der rechten Seite, wo gerade ein Omnibus seine Fahrt beginnt.

Die Hochbahn wurde schließlich für die Öffentlichkeit am Samstag, dem 11. Juni 1870 freigegeben. Sie funktionierte mit einer tolerablen Regelmäßigkeit und bei Vollbesetzung mit Passagieren. Es gab zwar nur zwei Stationen an der Dey Street und an der 29th Street, aber sie bot eine gute Dienstleistung für die Passagiere der Hudson River RAilroad, die erheblich schneller als mit den Pferdeomnibussen der Ninth Avenue Railroad oder der Broadway Omnibus Line zum Terminal gelangten.

Das einzige Gleis der Linie lief über die Ostseite der Greenwhich Street und die West Seite der Ninth Avenue, der Wechsel von der einen zur anderen Straße erfolgte an der Little West 12th Street. Das Gleis setzte sich jenseits beider Terminals fort. Am Südende folgte der zu allererst gebaute Abschnitt, die ehemalige Versuchsstrecke, die sich ein paar Blocks vom Battery Place zur Cortlandt Street hinzog und nicht für den Passagierbetrieb genutzt wurde, am Nordende setzte sich das Gleis einen Block weiter bis zur 30th Street fort. Dieses waren die einzigen Orte, in denen die Waggons verstaut werden konnten. Die drei Waggons liefen nicht als ein kompletter Zug, aber sie mussten wie eine Flotte bewegt werden, alle nacheinander unterwegs in derselben Richtung mit einem Abstand von einigen Minuten. Wenn der letzte Wagen dann den letzten Abschnitt verlassen hatte, wurde das Kabel gestoppt und in die Gegenrichtung gezogen. Die Bahnsteige hatten nur Platz für einen Waggon. Der erste und zweite Waggon mussten hinter die Station weiterfahren, nachdem sie die Passagiere abgesetzt hatten, um Platz für den nächsten Waggon zu machen. Ähnlich konnte auch nur jeweils ein Waggon beladen werden.

Es traten sehr schnell eine Menge Probleme beim Arbeitsbetrieb des Kabels auf. Schon am 14. Juni 1870 gab es eine Kollision beim Terminal an der 29th Street, als sich ein ankommender Waggon nicht vom Kabel lösen konnte und den vorausgefahrenen Waggon rammte. Weil der Waggon über die Platform hinausfuhr und nicht zurückbewegt werden konnte, mussten die Passagiere das Gefährt mit Leitern verlassen, um auf die Straße zurückzukommen. Am 22. Juni 1870 wurde die Maschinerie beschädigt, nachdem ein Wagen die Kabellücke an der Houston Street überquert hatte und ein Rad (von einem traveler?) in Stücken auf die Straße hinunterstürzte. Wieder mussten die Passagiere mit Leitern befreit werden. In einigen anderen Fällen, bei denen das Kabel versagte, wurde ein Seil an der Front des stillstehenden Waggons angebracht und das andere Ende wurde von der Straße aus mit einem Fuhrwerk von 4 Pferden weitergezogen.

Einige Zeitgenossen dachten recht kritisch über das neue Verkehrsmittel. Neben den häufigen und Unfällen wurden das unbefriedigende Antriebsverfahren per Kabel bemängelt, die unberechenbaren Rucks an den Übergangsstellen zwischen zwei Kabeln und vor allem auch die nicht vertrauenserweckende, weil zerbrechliche Struktur der Hochbahn, dass nämlich die schweren Wagen über ein Gleis fuhren, welches auf einem einzigen Stützpfeiler und davon ausgehenden gespreizten Trägern balanciert wurde.

Der Betrieb der West Side Elevated endete ungefähr zwei Monate, nachdem er begonnen hatte. Die New York Times meldete im August, dass die Hochbahn an der 9th Avenue ihre unrühmliche Existenz beendet hat. Für Unterhaltung sorgten leere Wagen, die die Straße hinauf und hinunter fuhren, während der Stolz der Erfinder auf zurückhaltendes Interessse in der breiten Bevölkerung stieß und zu teuer für die Investoren wurde, so dass die Gesellschaft ihre Arbeit auf unbestimmte Zeit eingestellt hat. Es bleibt nur die leere Bahn, die vor sich hin rostet und von Tag zu Tag mehr verfällt, ein melancholisches Monument für unklugen Ehrgeiz. Mit dem Scheitern dieser Idee geht aber auch zunächst die Hoffnung verloren, Uptown zukünftig ohne die Langeweile der Pferdekutschen und Omnibusse erreichen zu können.

Untersuchungen ergaben, dass das System ineffizient mit der Energie umging. Ein Großteil der Kraft aus den Dampfmaschinen wurde dazu aufgewendet, um die Kabel zu bewegen, demgegenüber stand nur ein kleiner Anteil, der zur Fortbewegung der Waggons und Passagiere notwendig war. Hinzu kamen zu viele Einzelsysteme aus Kabeln und Maschinen und zu häufige Stops während der Intervalle, in denen kein Wagen vorbeikam.

Die West Side Elevated (Patented) Railway Company transportierte 53,912 Passagiere im Jahr 1870. Umgerechnet auf ungefähr 75 Tage Wirkbetrieb sind das nur 720 Passagiere pro Tag.

Am 14. November fand eine Neueröffnung statt, wieder wurden die Waggons per Kabel angetrieben. Die drei Waggons, die weiterhin separat fuhren, bildeten nach offizieller Verlautbarung der Gesellschaft einen Zug, der insgesamt 120 Passagiere transportieren konnte. Haltepunkte waren jetzt an der Franklin Street, der Houston Street und der Bethune Street eingerichtet, auch wenn dort noch keine Bahnsteige angeboten werden konnten.

Weiterhin stieß die Elevated Railway auf wenig Gegenliebe und machte auch erneut Schlagzeilen wegen häufige Ausfälle und Unterbrechungen. Ende 1870 schien das Ende der Hochbahn gekommen zu sein.

1871 wurde der Antrieb mit Kabel endlich aufgegeben, ersatzweise begannen die neuen Besitzer der Gesellschaft Versuche mit kleinen mobilen Dampfmaschinen und Lokomotiven. Nach weiteren Rückschlägen und Neuanfängen gelang es dann doch noch, die Hochbahn doch noch als ein geeignetes Verkehrsmittel in und für New York City zu etablieren. Die Linie nannte sich schließlich IRT Ninth Avenue Line oder auch Ninth Avenue Elevated. Sie war bis 1958 in Betrieb.


William Fullerton Reeves, langjähriger Chefingenieur bei den Hochbahn-Betreibergesellschaften, schrieb folgendes über den Pionier Charles T. Harvey: Die Menschen der Gegenwart sollten
ihm angesichts seiner weitreichenden Vision, seiner Ingenieurskunst und seiner unermüdlichen Bemühungen für die erste Hochbahn der Welt danken, die das einzige Fortbewegungsmittel in New York City für die Dauer der nächsten 37 Jahre sein sollte.

Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/IRT_Ninth_Avenue_Line
http://www.nycsubway.org/lines/9thave-el.html
http://www.columbia.edu/~brennan/beach/chapter2.html
http://www.columbia.edu/~brennan/beach/chapter7.html

(siehe auch Kapitel 30 - Early eals in the 1870s).

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